Hetze und Gewalt dürfen in unserer Gesellschaft keinen Raum haben – das machte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble bei der Gedenkveranstaltung des Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus unmissverständlich deutlich. Jedes Jahr Ende Januar gedenken die Abgeordneten im Bundestag all jenen, die dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer fielen.
Seit 1996 ist in Deutschland der 27. Januar – der Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz – Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Mit Anita Lasker-Wallfisch hielt eine Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen die diesjährige Gedenkrede im Deutschen Bundestag. Sie überlebte als Cellistin im Mädchenorchester von Auschwitz und wurde gemeinsam mit ihrer Schwester Renate durch ihre Erklärung, die sie am 15. April 1945 inmitten von Leichenbergen im Lager Bergen-Belsen abgaben, als "Stimme der BBC" bekannt.
„Die Zukunft liegt in Ihren Händen“
In ihrer bewegenden Rede schilderte Anita Lasker-Wallfisch ihre schrecklichen Erlebnisse. Sie habe sich damals geschworen, nie wieder nach Deutschland zurückzukehren, berichte hier aber inzwischen schon seit Jahren von ihren Erfahrungen. „Hass ist ganz einfach ein Gift. Und letzten Endes vergiftet man sich selbst.“ Lasker-Wallfisch mahnte, angesichts des wiederaufblühenden Antisemitismus aufzupassen: „Antisemitismus ist ein 2.000 Jahre alter Virus, anscheinend unheilbar“, stellte sie fest. „Nur sagt man heute nicht mehr unbedingt Juden. Heute sind es die Israelis.“ Die Holocaust-Überlebende lobte, dass der Bundestag am 18. Januar eine Entschließung zur Bekämpfung des Antisemitismus angenommen hatte: „Man kann nur hoffen, dass Sie den Kampf gewinnen. Die Zukunft liegt in Ihren Händen“, sagte sie.
„Brauchen kollektive Selbstbeunruhigung“
Bundestagspräsident Schäuble forderte als Lehre aus der deutschen Geschichte eine konsequente Haltung gegen Ausgrenzung, bevor es zu spät ist. „Wir brauchen die kollektive Selbstbeunruhigung“, so Schäuble. Es müsse uns beunruhigen, wenn jüdische Mitbürger angäben, unter Antisemitismus zu leiden, wenn antisemitische Parolen gegrölt und israelische Fahnen verbrannt würden. „Jede Form von Antisemitismus ist unerträglich“, stellte der Bundestagspräsident klar. „Das gilt für alle, die hier leben, auch für jene, für die die deutsche Vergangenheit nicht die eigene ist und die hier oder anderswo vielleicht selbst Ablehnung und Diskriminierung erfahren mussten.“ Wer Hass schüre, beute die Verunsicherung, die Ängste von Menschen aus. Das freie, demokratische, rechtsstaatliche, friedliche Deutschland sei auf der historischen Erfahrung unermesslicher Gewalt gebaut, sagte Schäuble. Er warnte jedoch davor, sich auf die Beständigkeit demokratischer Institutionen zu verlassen: „Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Demokratie brauchen unser Engagement.“
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