Im aktuellen Focus-Interview macht Alexander Dobrindt deutlich, dass die Grünen ihr linkes Programm hinter einer freundlichen Maske verstecken. Jetzt geht es auch darum, sie zu demaskieren.
Herr Dobrindt, wir sind in den letzten Zügen der Legislatur. 2017 gab es auf den letzten Metern noch einige Schnellschüsse. Was dürfen wir in den nächsten Monaten erwarten?
Alexander Dobrindt: Es geht nicht um Schnellschüsse, sondern um langfristige Politik! Wir wollen jetzt die Weichen für die nächsten Jahre stellen. Dazu gehört, dass wir ein ambitioniertes Klimaschutzpaket auf den Weg bringen – mit ambitionierteren Klimazielen und neuen Maßnahmen zur CO2-Einsparung. Außerdem müssen wir die Corona-Krise überwinden. Wir wollen den Kickstart aus der Krise! Dafür müssen wir Wachstumsimpulse setzen. Nur Wachstum führt uns zurück zu soliden Haushalten.
Schön, dass Sie sich über die kommende Legislaturperiode Gedanken machen. Es könnte aber auch sein, dass Sie dann keiner mehr fragt.
Es wird zweifellos ein harter Wettbewerb werden. Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung: Die linke Seite des Parlaments aus Grünen, SPD und Linkspartei lässt keine Gelegenheit aus, ihren Willen zur Zusammenarbeit zum Ausdruck zu bringen. Wir könnten nach dem 26. September in einer anderen Republik aufwachen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, eine maximale Mobilisierung der bürgerlichen Wähler zu erreichen und ein Linksbündnis zu verhindern. Ich erwarte ein echtes Wimpernschlagfinale. Wir werden dieses Mal richtig hart herausgefordert. Die Unionsparteien müssen jetzt zeigen, was sie können.
Im Moment ist die Union in einer Krise. Maskenaffären, Personaldebatten und jetzt hat Ihnen das Bundesverfassungsgericht attestiert, dass Sie beim Klimaschutz nachsitzen müssen. Solides Regieren war mal ihr Markenzeichen. Da ist nicht mehr viel übriggeblieben, sagen die Umfragen, was sagen Sie?
Wir stehen vor einem großen Bruch in der Politik. 16 Jahre Angela Merkel, damit geht eine politische Ära zu Ende. Das wird eine große Auswirkung auf die Flexibilität von Wahlentscheidungen haben. Daraus müssen wir Mobilisierung machen und eine neue Geschichte für Deutschland erzählen – mit einer neuen Balance zwischen Klima und Wirtschaft, zwischen moderner Arbeitswelt und neuen Lebensmodellen, zwischen digitalem Fortschritt und Traditionsbewusstsein.
Würden Sie sagen Armin Laschet ist und bleibt Kanzlerkandidat?
Armin Laschet ist unser gemeinsamer Kandidat. Daran wird sich nichts ändern.
Auch nach der Wahl in Sachsen-Anhalt nicht?
Auch dann nicht.
Markus Blume macht Armin Laschet für miese CSU-Umfragen verantwortlich. Ist das der Team-Geist, von dem seitens Ihrer Partei gesprochen wird?
So habe ich ihn nicht verstanden. Die Grünen surfen gerade eine Welle, weil es ihnen noch gelingt, ihr linkes Programm hinter einer freundlichen Maske zu verstecken. Unsere gemeinsame Aufgabe bei CDU und CSU ist es, diesen Maskenball der Grünen zu beenden.
Reden wir über die CDU, ihre Schwester. Hätten Sie erwartet, dass die zu schwach ist, um sich einen CSU-Kanzlerkandidaten zu leisten?
Es hat eine für mich bis heute vollkommen unverständliche Debatte stattgefunden. Getrieben von einer Angst, dass Markus Söder aus der Union eine Bewegung machen würde ähnlich wie Macron in Frankreich. Diese Angst ist schon deswegen falsch, weil die Bewegung bei uns innerhalb unserer Parteienfamilie stattgefunden hätte.
Was haben Sie denn gedacht, als Wolfgang Schäuble in der berühmten Sonntagnacht mit dem Argument gekommen ist, die CDU sei zu schwach, um sich einen Kanzlerkandidaten von der CSU leisten zu können?
Dieses Argument ist mir fremd und ich halte es auch nicht für zutreffend. Entscheidend ist doch: Wem traue ich die größte Mobilisierung zu? Dabei spielen heute in der medialen Welt Personen eine noch größere Rolle, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Was wäre aus Bayern geworden? Wenn Söder Bundeskanzler geworden wäre, hätten Sie dann nicht die absolute Mehrheit in Bayern riskiert?
Wie kommen Sie denn darauf? Diese Frage ist doch 1980 mit Franz Joseph Strauß und 2002 mit Edmund Stoiber bereits beantwortet worden. Aber das ist jetzt reine Rückwärtsbetrachtung.
Der Wettbewerb ist entschieden und wir stehen mit aller Kraft hinter Armin Laschet.
Das sehen nicht alle so. Oder wie erklären Sie es sich, dass jetzt bundesweit dazu aufgerufen wird online Mitglied bei der CSU zu werden?
Die Online-Mitgliedschaft bei der CSU gibt es bereits seit Jahren. Das ist keine neue Erfindung. Und es ist auch keine neue Erkenntnis, dass Menschen außerhalb Bayerns die CDU wählen, weil es in der Unionsfamilie auch die CSU gibt. Wir nehmen diese bundespolitische Verantwortung nicht erst seit neuestem wahr.
Ist das einfach die DNA der CSU? Größer zu tun als man ist?
Wir üben gerade das bescheidene Auftreten
Nennen Sie uns doch mal fünf Bullet Points, die der Wähler wissen muss - Wofür steht Ihre Partei heute?
Wir stehen für solide Finanzen, für Familien im Mittelpunkt und die ideologiefreie Förderung vielfältiger Lebensmodelle, für die Verbindung von Wachstum und Ökologie, für modernen Wohlstand durch Innovationen und für ein klares Bekenntnis zu Europa.
Sie haben das Grüne vergessen: Gehört das heute zur Identität einer Volkspartei?
Ich habe Wachstum und Ökologie bewusst in einem Atemzug genannt. Die Grünen, aber auch die AfD, versuchen vermeintliche Gegensätze zwischen Ökologie und Ökonomie zu formulieren, sie spielen beides gegeneinander aus. Uns geht es dagegen darum, die verbindenden Elemente in den Mittelpunkt zu stellen.
Musste Sie zum Grün-Sein nicht erst das Bundesverfassungsgericht zwingen?
Nein. Die Bewahrung der Schöpfung und der Lebensgrundlagen und damit auch der Klimaschutz gehören zum Gencode der CSU. Es waren übrigens CDU und CSU, die ins Klimaschutzgesetz die Bepreisung von CO2 und damit die Marktwirtschaft in die ökologische Erneuerung eingebracht haben. Das ist die wettbewerbliche Antwort auf die Herausforderung des Klimaschutzes.
Es gibt jetzt bei der CDU die Klimaunion. Werden Sie da auch Mitglied?
Für mich ist Klimaschutz in der Union nichts Neues. Das ist Teil unseres Genpools.
Ist das nicht die Überschrift der Grünen?
Es gibt kein Exklusiv-Recht auf das Thema Klimaschutz. Wir haben allerdings völlig unterschiedliche Konzepte in dieser Frage: Die Grünen wollen beim Klimaschutz vermiesen, verbieten, verleiden. Wir wollen begeistern, belohnen und anreizen – mit Innovationen und wettbewerbsfähigen Modellen. Denn: Öko muss Spaß machen!
Stichwort Verbote: „Eine Partei die Verbrennungsmotoren verbietet spaltet die Gesellschaft“ – Wer hat das gesagt, Herr Dobrindt?
Könnte von mir sein.
Planen Sie ein Verbrenner-Verbot?
Wir wollen, dass ab 2035 keine Fahrzeuge mit fossilem Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden. Moderne Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen soll es weiterhin geben. Und es wird auch keine sofortige Umstellung von 45 Millionen Bestandsfahrzeugen geben.
Klingt vor allem teuer. Wer soll das bezahlen, wenn nicht der Verbraucher?
Die Elektromobilität ist in Deutschland erst so richtig in Fahrt gekommen, als wir die finanziellen Anreize dafür geschaffen haben. Die reduzierte Dienstwagenbesteuerung und die Kaufanreize für E-Autos haben den Markt angekurbelt. So muss das Modell für Mobilität und Technologieänderungen auch in Zukunft aussehen.
Das heißt der Staat finanziert und somit auch der Steuerzahler. Und das ist längst nicht alles: Der Sprit muss teurer werden, das Heizen muss teurer werden, das Bauen auch – Wie sagen Sie das Ihren Wählern?
An der CO2-Bepreisung kann man sehen, dass die Verteuerung von Benzin, Diesel und auch Heizöl zu Entlastungen auf der anderen Seite, beim Strom, führt. Wir wollen bei der CO2-Bepreisung 100 Prozent an den Verbraucher über die Strompreisreduzierung zurückgeben. Es geht um Umsteuern und nicht um Mehrbelastung.
Damit ist es doch aber nicht getan. Wir sprechen hier nicht nur über einen höheren CO2 Preis, sondern über massive Investitionen. Wo soll das Geld dafür herkommen, wenn nicht aus höheren Steuern oder höheren Schulden?
Höhere Steuern lehne ich grundsätzlich ab. Das ist kein Weg, die Modernisierung voranzutreiben. Auch die Schuldenbremse muss nach der Überwindung der Pandemie wieder eingehalten werden. Modernes Wachstum und Innovation sind der Turbo für solide Haushalte.
Nochmal: Die Schuldenbremse steht also?
Die Schuldenbremse steht und ist im Grundgesetz verankert. Sie muss nach der Pandemie schnellstmöglich wieder eingehalten werden.
Dann bleibt doch nichts, als den Haushalt neu zu planen und in einigen Ressorts zu sparen, oder?
Es geht um intelligentes und modernes Wachstum und nicht um Sparen. Steuereinnahmen generiert man durch Innovationen und Wachstum, nicht durch Belastungen und Einsparungen.
Und wie soll das gelingen?
Wir brauchen mehr Geschwindigkeit und weniger Bürokratie – zum Beispiel bei den Genehmigungsverfahren. Es darf nicht sein, dass lange und zähe Genehmigungsverfahren zur Wachstums- oder Innovationsbremse werden. Ich würde mir ein Paket „Verkehrsprojekte Klimapakt“ vorstellen, bei dem wir in einem vereinfachten Verfahren Schienenwege bauen und elektrifizieren können.
Das heißt doch: weniger Bürgerbeteiligung?
Nein. Es heißt vor allem: Reduzierung der Klagemöglichkeiten auf eine gerichtliche Instanz und Stichtage, damit es nicht zu Dauerschleifen bei Klagen kommen kann.
Wir wünschen gute Fahrt mit den Grünen. Apropos: Sind die nicht mit ihrem milliardenschweren Investitionsprogramm, mit der Abschaffung der Schuldenbremse und einer Vermögensteuer ehrlicher als Sie? Und wie soll das in Koalitionsverhandlungen funktionieren?
Ich würde Koalitionsverhandlungen mit den Grünen jetzt nicht als Automatismus sehen. Unser Ziel muss es sein, maximal zu mobilisieren für eigene Stärke und gegebenenfalls eine Koalition mit der FDP.
Offensichtlich haben Sie bei dem Gedanken an Schwarz-Grün immer noch keine romantischen Gefühle entwickelt, wie Sie uns das vor zwei Jahren gesagt haben.
Ich habe keine romantischen Gefühle gegenüber den Grünen. Und meine Neigung, diese zu entwickeln, ist nach wie vor nicht besonders ausgeprägt.
Was bereitet Ihnen mit Blick auf eine mögliche Koalition mit den Grünen mehr Sorgen: deren Finanz- oder ihre Einwanderungspolitik?
Es wird Zeit, das Wahlprogramm der Grünen zu demaskieren: Die Grünen wollen Wirtschaftswachstum verhindern, indem sie Exporte begrenzen wollen. Damit gefährden sie unseren Wohlstand. Sie wollen die Unterscheidung zwischen Asyl und Arbeitsmigration auflösen und provozieren damit Zuzug in die Sozialsysteme. Die Grünen stellen Deutschlands internationale Bündnisfähigkeit in Frage, indem sie das Zwei-Prozent-Ziel für Rüstungsinvestitionen auflösen wollen. Kurz gesagt: Mehr Steuern, höhere Schulden, weniger Exporte und Wachstum, mehr Zuwanderung in unsere Sozialsysteme – das Programm der Grünen ist wohlstandgefährdend.
Die Grünen verlangen Einwanderung auch Ungelernter nach Deutschland, die Wirtschaft findet es gut.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Applaus dafür gibt, wenn die Abgrenzung zwischen dem Schutzsystem Asyl und der geregelten Arbeitsmigration verwischt werden. Jedem muss bewusst sein, was das bedeutet: Mit dem Zuzug Ungelernter steigt natürlich die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse, die nicht selten wieder in Arbeitslosigkeit münden. Die Grünen organisieren so nicht den Weg in den Arbeitsmarkt, sondern in die Sozialsysteme. So ein Ziel ist schlichtweg unverantwortlich.
Von der Einwanderung zur Integration: Was halten sie von dem dänischen Weg, den Zuzug „Kulturfremder“ in Stadtteile, in denen schon 30 Prozent dieser Menschen leben, zu verhindern? Wäre das ein Rezept gegen die Entstehung von Parallelgesellschaften?
Eine solche Debatte sollten wir nicht führen. Deutschland ist eine offene Gesellschaft, offen für geordnete Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Bei uns wird Integration massiv gefördert, nicht nur am Arbeitsplatz, sondern zum Beispiel auch in den Schulen. Eine Debatte über Quoten für bestimmte Stadtteile halte ich auch deshalb für verfehlt, weil die Zuwanderung zu uns sehr viel vielfältiger ist.
Würden Sie sagen. Deutschland ist eine „bunte Republik“?
Ich habe dem Begriff der bunten Republik Deutschland noch nicht so viel Bedeutung beimessen können. Deutschland ist eine offene Republik mit Vielfalt, die wir als Vorteil sehen. Voraussetzung dafür ist, dass Zuwanderung geordnet und gesteuert stattfindet.
Bei den Grünen wird diskutiert, das Wort „Deutschland“ aus der Überschrift zum Regierungsprogramm zu streichen. Überrascht Sie das?
Das überrascht mich nicht. Robert Habeck schreibt, er könne mit dem Begriff nichts anfangen oder findet ihn sogar „zum Kotzen“.
Die Führung der Grünen schließt eine Koalition mit der Linkspartei nicht aus…
… weil die Grünen auf ein Bündnis mit der Linkspartei hinarbeiten. Selbst der grüne Realo Winfried Kretschmann sagt, dass die Grünen diese Möglichkeit nutzen sollten. Das zeigt: Es geht bei der Bundestagswahl um eine klare Richtungsentscheidung.
Weil im Grünen Regierungsprogramm der Linksextremismus gar nicht angesprochen wird, sagt der frühere Verfassungsschutz-Chef Maaßen, die Grünen seien auf dem linken Auge blind. Teilen Sie das?
Bei den Grünen stellt man jedenfalls immer wieder fest, dass sie versuchen, die Akzeptanz für die Linkspartei in der Gesellschaft zu erhöhen und die Linke als etablierte Partei einzuführen. Und manche bei den Grünen tun sich schwer, die Grenze nach Linksaußen klar zu ziehen.
Freuen Sie sich, wenn jemand mit so viel Expertise bei der Inneren Sicherheit wie Hans-Georg Maaßen demnächst in Ihrer Unionsfraktion sitzt?
Herr Maaßen hat in der Vergangenheit stark polarisiert und ist deswegen auch umstritten. Ich gehe davon aus, dass er dazugelernt hat. Als Volkspartei sollte die Union aber auch in der Lage sein, Menschen mit unterschiedlichem politischem Profil einzubinden. Die Tatsache, dass Frau Neubauer ihm im Fernsehen Antisemitismus vorgeworfen hat, finde ich übrigens eine unglaubliche Entgleisung. Der Vorgang zeigt, bis zu welchem Maß an Diskreditierung die grüne Seite bereit ist, in diesem Wahlkampf zu gehen. So können wir nicht miteinander umgehen. Ich erwarte von den Grünen eine klare Distanzierung von derartigen Entgleisungen.
Auch von Anne Will?
Ich hätte mir gewünscht, sie hätte bei Frau Neubauer kritischer nachgefragt. Es handelt sich schließlich um einen der schwerwiegendsten Vorwürfe, die man einem Politiker machen kann. Aber es geht nicht um sie, sondern um Frau Neubauer als Mitglied der Grünen.
Vier schnelle Fragen Richtung Bundestagswahl: Wenn der SPD-Kanzlerkandidat nach 12 Euro Mindestlohn ruft, dann antworten Sie?
Wir haben vereinbart, dass der Mindestlohn nicht parteipolitisch entschieden wird. Darüber entscheidet eine Kommission. Bei dieser Vereinbarung war Olaf Scholz persönlich anwesend. Ich rate ihm, sich daran zu halten. Im Übrigen wird der Mindestlohn perspektivisch sich Richtung 12 Euro entwickeln.
Wenn die FDP sagt: keine Steuererhöhungen, dann sagen Sie?
Ganz meine Meinung.
Wenn Annalena Baerbock Herrn Palmer aus ihrer Partei werfen will, finden Sie das?
Entlarvend. Es offenbart die mangelnde Bereitschaft zur innerparteilichen Diskussion. Offenbar gilt die Toleranz der Grünenspitze nur gegenüber der eigenen Meinung.
Wenn die Grünen sagen: Robert Habeck kann Finanzminister, dann antworten Sie?
Möglicherweise traut er sich das selber zu. Ich traue es ihm nicht zu.