Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag im Focus-Interview.

Herr Dobrindt, fühlen Sie sich als Spalter?

Nein, ganz sicher nicht.

Weil Teile der CDU dem neuen Innenminister Horst Seehofer und Ihnen vorwerfen, die Union mit der Debatte über den Islam zu spalten.

Das Gegenteil ist richtig. Wer anspricht, was die überwiegende Mehrheit denkt, der spaltet nicht – der führt zusammen. Die CSU bestimmt die Debatte mit Themen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Wenn die Menschen den Eindruck haben, dass sie mit ihren Meinungen in der öffentlichen Debatte nicht mehr stattfinden, führt das zu Protest. Mein Motto lautet: Mehr Debatte wagen! Wir brauchen eine große Koalition der großen Debatten – und der Bundestag muss der zentrale Ort sein, wo diese Debatten geführt werden.

Genau dort - im Bundestag - hat Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung ja betont, der Islam gehöre zu Deutschland. Wieso widerspricht die CSU?

Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist ein christliches Land. Wir sind in unserer Geschichte, unserer Kultur, unseren Werten und unserer Rechtsordnung vom Christentum geprägt, nicht vom Islam. Der Islam ist nicht Teil unserer kulturellen Identität.

Aber es gibt in Deutschland mehr als fünf Millionen Muslime, einige sind sogar Mitglieder bei CDU/CSU. Warum grenzen Sie die aus?

Wir grenzen niemanden aus. Muslime, die sich in unsere Gesellschaft integrieren wollen, die mit uns leben wollen, sind natürlich ein Teil Deutschlands. Das darf aber nicht dazu führen, unsere Werte infrage zu stellen. Unser Land, unsere Leitkultur und unsere Rechtsordnung sind klar christlich-jüdisch geprägt, mit Werten wie Toleranz, Nächstenliebe, Freiheit, Sicherheit und Chancen- und Leistungsgerechtigkeit. Genau deshalb kommen andere zu uns und wollen hier leben. Ich kenne übrigens keine größeren Fluchtbewegungen von christlichen in muslimische Länder.

Haben Sie schon mit CDU-Vize Armin Laschet telefoniert? Der fordert eine staatliche Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft.

Davon halte ich nichts.

Warum?

Die Rechtsordnung des Islam ist die Scharia. Das lässt sich nicht voneinander trennen.

Ist das der Grund, warum Horst Seehofer erklärt, er werde in der Islam-Debatte „kein Jota“ von seiner Position weichen? Oder geht es vielmehr darum, Wähler von der AfD zurückzuholen?

CDU und CSU müssen das ganze Wählerspektrum von der Mitte bis zur demokratischen Rechten abbilden. Sich ausschließlich in der wohlig warmen Mitte aufzuhalten, führt zu einem Erstarken der Ränder. Als Volkspartei muss die Union auch Positionen rechts der Mitte besetzen. Die Unionsparteien haben nicht nur eine christlich-soziale und eine liberale Wurzel, sondern auch eine bürgerlich-konservative. Das bürgerlich-konservative Profil muss wieder stärker sichtbar werden.

Aber die CDU will sich nicht nach rechts bewegen.

Wir brauchen keinen Rechtsruck. Es geht darum, den Bürgern mit konservativen Wertvorstellungen wieder eine politische Heimat in den Volksparteien zu geben. Das zählt zu den Lehren aus der Bundestagswahl. Auch in der CDU gibt es viele, die diese Position teilen.

Und wenn sich die Union nicht bewegt? Dann nehmen Sie einen neuen Dauerstreit in Kauf?

Wir führen die Debatte mit klarer Kante, direkt und konservativ. Die CSU wird sich da nicht bewegen, schließlich ist die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Wir geben dieser Mehrheit eine Stimme, die unsere kulturelle Identität auch für die Zukunft erhalten will.

Es gibt in der Islam-Debatte aber verschiedene Umfragen mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

76 Prozent der Deutschen unterstützen die Position von Horst Seehofer und der CSU.

Wäre eine Volksabstimmung über so eine entscheidende Frage die beste Lösung?

Wir brauchen keine Volksabstimmungen in so klaren Fragen. Außerdem ist der Satz, dass der Islam zu Deutschland gehört, ein Integrationshemmnis. Er vermittelt Migranten ein falsches Signal. Zuwanderer müssen sich in unsere Gesellschaft integrieren wollen und dürfen nicht neben uns oder gar gegen uns hier leben.

Im Oktober ist Landtagswahl in Bayern. Steht trotz des Streits die Einladung an die Kanzlerin, im Wahlkampf aufzutreten?

Angela Merkel wird im bayerischen Wahlkampf selbstverständlich Termine wahrnehmen.

Der radikale Islam breitet sich in Deutschland offenbar immer weiter aus. Was muss dagegen getan werden?

Wir dürfen nicht akzeptieren, dass Moscheen in Deutschland Orte politischer Radikalisierung werden.

Wie genau wollen Sie die Radikalisierung stoppen?

Zu allererst geht es um Transparenz. Wir müssen wissen, wer Moscheen und Moscheevereine finanziert.

Das lässt sich aber schwer überprüfen.

Bei Verdachtsmomenten müssen Moscheen auch vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Warum bestehen da bislang keine Auskunftspflichten?

Hier gibt es einen Nachholbedarf. Die Gesellschaft hat ein Recht darauf zu erfahren, wer hinter der Finanzierung von Moscheen in Deutschland steckt. Moscheen, in denen Hass und Gewalt gepredigt wird, müssen identifiziert und geschlossen werden.

Saudi-Arabien will in Deutschland den Bau von 200 Moscheen finanzieren. Wie soll der Staat das kontrollieren?

Schon beim kleinsten Unternehmen wird jeder Euro bei Einnahmen und Ausgaben geprüft. Da kann es nicht sein, dass die Herkunft großer Summen für den Bau von Moscheen nicht offengelegt wird. Hier darf es keine anonymen Geldströme geben.

Sind diese Pläne Teil der konservativen Revolution, die Sie vor wenigen Wochen eingefordert haben?

Eine bürgerlich-konservative Wende findet in unserer Gesellschaft statt. Das habe ich beschrieben.

Wo sind denn Teile der Bevölkerung heute konservativer als, sagen wir, vor zehn Jahren?

Die Menschen in Deutschland leben, denken und wählen mehrheitlich bürgerlich. Der Begriff Heimat hat wieder an Bedeutung gewonnen. Die Bewahrung der Schöpfung steht wieder ganz oben auf der Agenda. Chancen und Leistung stehen wieder in einem engeren Zusammenhang. Trotzdem dominiert die Debatten ein linker Meinungsmainstream. Ich will wieder mehr Deckungsgleichheit zwischen dem, was die Mehrheit lebt und dem, was mehrheitlich diskutiert wird.

Zählen Sie die AfD auch zum bürgerlichen Lager?

CDU, CSU und FDP sind klar bürgerliche Parteien. Die AfD ist eine rechts-außen Partei, deren Führungspersonal in Teilen der NPD deutlich nähersteht als uns. Aber ihre Wähler kommen großteils aus dem bürgerlichen Spektrum. Ich will diese Wähler zurückgewinnen.

Für Teile der CDU-Führung ist das Konservative nicht Markenkern der CDU. Sollen konservative Bürger also lieber gleich AfD wählen?

Unsinn. Das bürgerlich-konservative ist von jeher identitätsstiftend für die Unionsparteien. Es muss allerdings wieder stärker herausgearbeitet werden.

Was ist eigentlich an Alexander Dobrindt konservativ?

Meine Generation wurde in ein Wohlstandsland Deutschland hineingeboren. Individuell natürlich unterschiedlich. Aber ausgestattet mit großen Chancen. Diesen Wohlstand will ich für die nächsten Generationen bewahren. Wohlstand muss man verteidigen wollen, denn man kann ihn auch verspielen.

Zuviel Konservativismus kann aber genau das Gegenteil bedeuten: den Verlust an Freiheit, Wohlstand...

Ich sehe nicht zu viel Konservatismus. Unser Wohlstand und unsere Freiheit, die Sicherheit ist doch von links bedroht. Schuldenfetischismus, Multikulti, Fortschrittsfeindlichkeit – das sind doch linke Theorien.

Aber bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber tun sich nicht nur grün-regierte Bundesländer schwer. Auch das CSU-regierte Bayern hat Nachholbedarf.

Deutschland braucht eine Rückführungskultur. Wir müssen besser unterscheiden zwischen denen, die berechtigt unseren Schutz bedürfen und denen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben. Wer nur auf der Suche nach einem besseren Leben in unseren Sozialsystemen ist, muss unser Land wieder verlassen.

Das löst aber nicht das Problem des schnelleren Abschiebens!

Bundesinnenminister Seehofer formuliert einen Masterplan für Abschiebungen. Ziel ist es, Abschiebehemmnisse konsequent abzubauen, Rückführungen zu beschleunigen und Straftäter konsequent abzuschieben.

Das heißt?

Zunächst einmal muss es einen Unterschied machen, ob jemand eine Bleibeperspektive hat oder nicht. Im Asylbewerberleistungsgesetz muss für Menschen ohne Schutzstatus das Sachleistungsprinzip gelten. Damit senden wir ein klares Signal. Gleichzeitig müssen wir aktiv die freiwillige Ausreise fördern. Es ist besser, den Menschen in ihren Heimatländern eine Perspektive zu geben – zum Beispiel durch Berufsausbildungsprogramme – als sie über Jahre in Deutschland unterzubringen.

Sitzen dann statt 14 Abgeschobenen 28 im Flugzeug, aber 100 Plätze bleiben weiter leer?

Das Signal an die Welt, trotz abgelehnten Asylantrags in Deutschland zu bleiben, ist falsch und muss weg. Deswegen müssen mehr Herkunftsstaaten wie in Nordafrika Marokko, Algerien und Tunesien als sicher eingestuft werden. Außerdem wollen wir den Aufwuchs der Entwicklungshilfegelder an die Bereitschaft zur Rücknahme von Flüchtlingen koppeln. Wer als Herkunftsstaat aktiv kooperiert, z. B. Ersatzdokumente für die Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern ausstellt, der kann mit wachsenden Mitteln für die wirtschaftliche Zusammenarbeit rechnen. Das ist ein Schlüssel für schnellere Abschiebungen.

Braucht der Bund dafür mehr Kompetenzen, denn Abschiebungen sind ja Ländersache?

Durch neue internationale Abkommen können auch die Bundesländer mehr Druck bei Abschiebungen machen. Zusätzlich werden wir Anker-Zentren zur schnellen Entscheidung von Asylverfahren einrichten, um abgelehnte Asylbewerber direkt von dort rückführen zu können.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Wie feiern Sie Ostern?

Ostern ist eine Zeit der Besinnung, die ich mit meiner Familie teile.

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