Alexander Dobrindt bekräftigt seine Forderung nach einer neuen Debattenkultur im RND-Interview. Der kultivierte Streit gehört zur Demokratie.
Herr Dobrindt, wird die CSU künftig die Kanzlerin um Erlaubnis für Meinungsäußerungen bitten, nachdem in dieser Woche Angela Merkel in der Islam-Debatte Horst Seehofer öffentlich abgewatscht hat?
Erstens nein. Zweites teile ich ihre Interpretation nicht. Richtig ist, wir brauchen in Deutschland eine neue Debattenkultur. Die Bundestagswahl hat doch gezeigt, dass sich Bevölkerungsgruppen in der öffentlichen Debatte nicht mehr wiedergefunden haben. Wenn die Menschen den Eindruck haben, es gebe einen Maulkorb, ist das Ergebnis der Protest. Für die Große Koalition bedeutet das, breite Debatten zu führen und nicht sie zu vermeiden. Das gilt auch für die Islam-Debatte.
Man muss also beim koalieren auch polarisieren?
Zur Demokratie gehört der kultivierte Streit. Wer etwas gegen das Erstarken der politischen Ränder unternehmen will, darf sich nicht nur in der wohlig warmen Mitte aufhalten.
Weshalb haben Sie im Bundestag nicht geklatscht, als die Bundeskanzlerin gesagt hat: Der Islam ist ein Teil von Deutschland?
Weil ich ein paar Minuten später das Gegenteil gesagt habe.
Führt die Islam-Debatte die Union zurück in den Obergrenzen-Streit?
Nein. Die Union muss das gesamte politische Spektrum von der Mitte bis zur demokratischen Rechten abbilden. Als Volkspartei muss die Union auch Positionen rechts der Mitte besetzen und dabei klar artikulieren. Neben der christlich-sozialen Wurzel und der liberalen Wurzel muss gleichberechtigt die bürgerlich-konservative Wurzel von CDU und CSU stehen. In der Vergangenheit war das bürgerlich-konservative Profil zu wenig sichtbar.
AfD-Gauland oder CSU-Dobrindt – wer ist der eigentliche Oppositionsführer?
Eine wenig charmante Frage.
Die CSU regiert. Die AfD ist die größte Oppositionspartei im Bundestag. Sie darf das aber für die Zukunft auf keinen Fall bleiben. Ich will die AfD nicht dauerhaft im Deutschen Bundestag sehen.
Wie wollen Sie die AfD wieder aus dem Bundestag bringen – mit Hilfe des Verfassungsschutzes, mit der Nazi-Keule oder durch Totschweigen?
Die AfD muss inhaltlich überflüssig gemacht werden.
Dann darf die These, der Islam sei ein Teil von Deutschland, nicht Teil der heimatlichen Leitkultur sein?
Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Muslime, die sich in unsere Gesellschaft integrieren, sind natürlich ein Teil unseres Landes. Und unser Land, unsere Leitkultur und unsere Rechtsordnung sind klar christlich-jüdisch geprägt – mit Werten wie Toleranz, Nächstenliebe, Freiheit, Sicherheit und Chancen- und Leistungsgerechtigkeit. Genau deshalb kommen andere zu uns und wollen hier leben. Das geht aber nur mit uns, nicht neben oder gegen uns.
Mit Russland gibt es eine Art von Nicht-Gesprächssituation. Sollte die bevorstehende Fußball-WM von deutscher Seite genutzt werden, um ein neues deutsch-russisches Verhältnis zu begründen?
Ich hoffe, dass die russische Seite gerade im Rahmen einer Fußball WM um die Wirkung und Sichtbarkeit ihres Handelns weiß und sich konstruktiver verhält. Falls sich ein "window of opportunity" für eine Deeskalation öffnet, muss Deutschland bereit sein, so ein Fenster zu nutzen.
Auch direkt von der Fußball-Freundin Angela Merkel?
Deutschland hat eine besondere Verantwortung im Verhältnis zu Russland und nimmt diese auch wahr. Wir müssen als konstruktiver Wortführer bereit sein, Gesprächskanäle zu öffnen. Richtig ist: Unrecht muss weiterhin verurteilt und sanktioniert werden. Die Annexion der Krim ist nicht wegzudiskutieren und bleibt klar völkerrechtswidrig.
Es droht ein Handelskonflikt mit China. Wird es Zeit, die Sanktionen gegenüber Russland zu überdenken?
Ob die Sanktionen ihre gedachte Wirkung erzielen, ist umstritten. Sie sind ein zulässiges Instrument gegen staatliches Unrechtsverhalten. Dennoch muss immer wieder überprüft werden, ob sie dauerhaft wirklich sinnvoll sind.
Welchen Preis darf Exportmeister Deutschland bezahlen als Dank an Donald Trump, dass sich die angedrohten Strafzölle vorerst nur auf den Handel mit China beschränken?
Es gibt keinen Preis dafür zu bezahlen, dass die USA eine Fehlentscheidung vermieden haben. Der konsequente Schritt, den Präsident Trump bereit sein sollte zu gehen, ist die Wiederaufnahme der Verhandlungen zum TTIP-Freihandelsabkommen mit der EU.
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