Andrea Lindholz spricht anlässlich des 86. Jahrestages der Reichspogromnacht eindringlich über die bleibende Verantwortung Deutschlands, Antisemitismus in jeder Form konsequent zu bekämpfen. In ihrer Rede betont sie, dass jüdisches Leben in Deutschland nicht nur geschützt, sondern aktiv gefördert und gestärkt werden muss. Sie fordert von allen, die in Deutschland leben, ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und zur Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft. Eindringlich mahnt Andrea Lindholz, dass Antisemitismus weder durch Grundrechte wie Meinungsfreiheit noch durch Kunstfreiheit gerechtfertigt werden darf und betont die Notwendigkeit klarer Gesetze und Vorgaben, um jüdisches Leben nachhaltig zu schützen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Ehrengäste!
An diesem Samstag jährt sich zum 86. Mal die sogenannte Reichspogromnacht. Mit dem 9.November 1938 ging die bereits Jahre dauernde Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung in deren systematische Verfolgung über.
Die Bedeutung dieses Ereignisses spürten selbst die Jüngsten. Charlotte Knobloch, damals sechs Jahre alt, weinte bitterlich, als sie am Morgen des 10. November vor der ausgebrannten Synagoge in der Herzog-Rudolf- Straße in München stand. Noch viele Jahre später sagt sie – ich zitiere –:
„Die Angst, die Hilflosigkeit, die Unsicherheit waren entsetzlich. Diese schrecklichen Erinnerungen bin ich bis heute nicht losgeworden.“
„Bis heute“: Diese beiden Worte stehen für das unermessliche Leid, das dem jüdischen Volk im November 1938 und in den Folgejahren angetan wurde. Dieses Leid ist bis heute unvergessen, und es muss auch in Zukunft unvergessen bleiben.
Vor dem Hintergrund dieser Shoah ist es unsere Aufgabe, das „Bis heute“ zu einem „Nie wieder“ zu machen. Es ist unsere Aufgabe, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen konsequent zu bekämpfen und für das Existenzrecht Israels einzustehen. Es ist unsere Aufgabe, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, zu bewahren und zu stärken.
Von diesem Ziel ist unser Antrag getragen. Das ist ein wichtiges Zeichen, gerade auch am heutigen Tag. Ich hätte mir allerdings mehr als die Teilnahme von nur zwei Ministern auf der Regierungsbank bei diesem Thema gewünscht.
Wir wollen, dass Jüdinnen und Juden unbeschwert und angstfrei in unserem Land leben können. Es ist beschämend für unser Land, dass das aktuell nicht so ist. Antisemitische Straftaten sind längst wieder an der Tagesordnung. Sie haben nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober letzten Jahres noch einmal in einem erschreckenden Maße zugenommen.
Genau hier liegt eine der zentralen Herausforderungen unseres Antrages, die dort auch klar benannt wird. Neben der Bekämpfung von Antisemitismus aus rechtsextremistischen und linken Milieus müssen wir uns verstärkt dem Antisemitismus widmen, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert. Wir dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade nicht zusehen, wie sich hier ein neuer Antisemitismus breitmacht und nach und nach die Verantwortung Deutschlands für die Jüdinnen und Juden in Deutschland und für das Existenzrecht Israels relativiert.
Ich will es deutlich sagen: Wer in unser Land kommt und wer hier leben will, der muss diese Verantwortung für die Jüdinnen und Juden und das Existenzrecht Israels ohne Wenn und Aber akzeptieren, oder er muss unser Land verlassen.
Für die Unionsfraktion sage ich an dieser Stelle auch klar: Das muss im Strafrecht, im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht noch deutlicher zum Ausdruck kommen.
Ich möchte heute auch sagen: Zur bitteren Wahrheit gehört, dass sich Antisemitismus auch in ganz anderen Milieus wiederfindet. Selbst im Präsidium dieses Hauses – ich kann Ihnen das heute nicht ersparen – sitzt mit Frau Özoğuz eine Frau, die sich wiederholt Aussagen einer antisemitischen und israelfeindlichen Organisation zu eigen gemacht hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unerhört ist es, dass sie trotz ihrer wiederholten Verfehlungen immer noch an ihrem Amt festhält und damit auch einen Schatten auf diesen Antrag wirft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zum Schluss noch auf zwei Kritikpunkte eingehen, die mit Blick auf unseren gemeinsamen Antrag geäußert werden. Von manchen wird tatsächlich behauptet und immer noch geschrieben, wir würden mit diesem Antrag Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit fundamental gefährden. Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich sprachlos darüber, was in diesem Zusammenhang in den vergangenen Monaten an uns Abgeordnete herangetragen worden ist.
Ich will diesen Leuten heute noch mal ganz klar sagen: Unser Grundgesetz erlaubt keinen Antisemitismus. Wir müssen vielmehr – erster Punkt – verhindern, dass Antisemitismus unter dem Denkmantel von Grundrechten verbreitet wird, wie das zum Beispiel bei der documenta der Fall war.
Ein zweiter wichtiger Punkt, der auch die nächste Bundesregierung begleiten wird: Wenn wir den Satz „Kein deutsches Steuergeld für antisemitische Organisationen und Projekte“ ernst meinen, dann muss bei der Entscheidung über die Vergabe staatlicher Mittel konkret und ganz klar sichergestellt werden, dass damit kein Antisemitismus gefördert wird.
Es braucht hier Nachschärfungen; ansonsten bleibt dieser Satz nur eine hohle Phrase. Es ist wichtig, dass wir die in über 40 Staaten anerkannte Definition der IHRA als maßgeblich für das festlegen, was Antisemitismus ist, und keine andere Definition.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden, sprach im Hinblick auf den Antrag von einem Moment der Zuversicht und sagte dann: Die Maßnahmen müssen auch zügig und konkret umgesetzt werden. – Ich teile das. Diese Aufgabe kommt der neuen Bundesregierung zu. Ich bitte Sie um Unterstützung für diesen Antrag.
Vielen Dank.
Druckversion