Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber in der Bundestagsdebatte zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs in der Berner Konvention, 05.06.2024:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Erst vor kurzem habe ich wieder Schäfer in meiner Heimatregion Unterfranken besucht. Auf den Hügeln der wunderschönen Rhön grasen große Schafsherden. Sie wechseln regelmäßig die Flächen; deshalb ist Herdenschutz schwierig und sehr aufwendig. Zuletzt kam es vermehrt zu Rissen. Es könnte sich ein neues Rudel bilden. Die Schäfer haben große Angst.
In anderen Regionen in Deutschland, zum Beispiel in Niedersachsen, gibt es aktuell 50 Rudel. Die Wolfspopulation wächst stetig und ungebremst. Alle drei Jahre kommt es zu einer Verdoppelung der Population. Die Zielkonflikte nehmen deswegen zwangsläufig zu. Deshalb muss jetzt gehandelt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Europäische Union hat erkannt, dass die Zunahme der Wolfspopulation zu großen Akzeptanzproblemen führt. Die Kommission hat daher Ende letzten Jahres auf Basis der aktuellen Daten zur Zunahme der Population in den Mitgliedstaaten einen Vorschlag vorgelegt, um den Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention von aktuell „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabzustufen. Und was macht die Bundesregierung? Sie sitzt das Thema in gewohnter Manier weiter aus. Dabei wäre ein positives Signal aus Deutschland so wichtig, damit es eine Mehrheit im Umweltministerrat für diese Herabstufung gibt. Mit dem Aussitzen blockieren Sie diese wichtige Entscheidung auf EU-Ebene und lassen die Tierhalter im Stich. Das ist ein Armutszeugnis.
Stattdessen wird vonseiten der Ampelregierung ins Feld geführt, die Umweltministerin habe sich doch bewegt und einen schnelleren Abschuss ermöglicht. Dabei handelt es sich aber um eine bürokratische und sehr sperrige Regelung, die sich nur auf Problemwölfe bezieht und nur dann gilt, wenn der Schaden schon passiert ist. Auf meine schriftliche Einzelfrage hat die Bundesregierung selbst bestätigt, dass bis zum 30. April kein einziger Wolf auf Basis der neuen Regelung entnommen wurde. Das zeigt doch: Was wir jetzt brauchen, ist ein aktives Wolfsbestandsmanagement, das die Zahl der Wölfe durch gezielte Bejagung begrenzt. Ihre Regelungen sind ein reines Placebo; das ist doch die Wahrheit. Diese Regelungen bringen uns nicht weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Bundesumweltministerin Lemke hat immer betont, dass einem Bestandsmanagement, also einem kontrollierten Kleinhalten, europäische Regelungen entgegenstehen. Jetzt könnten Sie diese Regelungen ändern. Frau Ministerin, wir erwarten von Ihnen, dass Sie dem Kommissionsvorschlag zustimmen – Frau Staatssekretärin gibt es hoffentlich weiter – und dass Sie die Weidetierhalter bei dem Thema nicht weiter im Stich lassen; denn nicht der Wolf ist in Deutschland bedroht, sondern die Weidetierhaltung.
Vielen Dank.