Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Tobias Winkler in der Bundestagsdebatte zur EU-Perspektive für Staaten des Westbalkans am 15.6.2023:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP beschlossen, dem Westbalkan mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dort heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
Wir unterstützen den EU-Beitrittsprozess der sechs Staaten der Westbalkanregion und die hierfür notwendigen Reformen zur Erfüllung aller Kopenhagener Kriterien.
Sechs Staaten haben Sie hier aus gutem Grund genannt. Wir teilen dasselbe Ziel und haben deshalb einen umfassenden Antrag zum Westbalkan formuliert, den Sie heute aber offenbar ablehnen wollen, obwohl Ihnen Zusammenarbeit doch so wichtig ist.
In unserem Antrag ist ein klares Bekenntnis zum EU- Beitritt der sechs Westbalkanstaaten, die alle, Herr Kollege Juratovic und Herr Kollege Mijatović, ihren individuellen Weg gehen müssen und selbstverständlich einzeln betrachtet werden.
Wir betonen darin auch noch einmal die Bedeutung des von Bundeskanzlerin Angela Merkel angestoßenen Berliner Prozesses, den Ihre Regierung weiterführt.
Sie sehen: In den Zielen gibt es keine Differenzen, und sogar beim Weg gibt es viele Übereinstimmungen. Heute aber weichen Sie von dem gemeinsamen Weg ab. Sie legen einen Antrag vor, der einen Staat herausgreift. Damit laufen Sie nicht nur Gefahr, fünf andere Länder vor den Kopf zu stoßen, Sie beweisen auch ein schlechtes Timing.
In einer Phase, die in Bezug auf den EU-Beitritt in Nordmazedonien politisch äußerst heikel und diplomatisch sensibel ist, hoffen Sie, mit einem lauten Ruf von der Seitenlinie eine verfahrene Situation zu lösen. Ihr Antrag wird in den nordmazedonischen Medien bereits in der Übersetzung veröffentlicht. Herzlichen Glückwunsch!
Wir sollten aber nicht der Elefant im Porzellanladen sein. In der aktuellen Lage sind nicht die lauten Töne gefragt, sondern die leisen.
Gefragt ist momentan diplomatisches Geschick und, Sensibilität und Vermittlung nicht nur laut anzukündigen, sondern einfach zu handeln.
Bei den ganzen Sonderbeauftragten der Bundesregierung ist auch extra jemand für den Westbalkan zuständig. Wir hatten Manuel Sarrazin im Europaausschuss, und wie wir hören, macht er eine gute Arbeit. Das ist wirklich wichtig, und wir wünschen ihm weiterhin viel Erfolg.
Wenn Sie das Volk für Reformen gewinnen wollen, dann gelingt das nicht mit Anträgen hier im Deutschen Bundestag, sondern ausschließlich vor Ort.
Wie so oft machen wir es Ihnen einfach. Sie müssen nur unseren umfassenden Antrag nehmen, der sehr gut geschrieben ist, und Ihren Namen draufschreiben. Dafür bekämen Sie nicht nur unsere Erlaubnis, sondern hier im Plenum auch unsere Zustimmung.
Einem Antrag, der zur falschen Zeit und in einem zu lauten Ton gestellt wird und der ein Land aus einer konfliktreichen und für uns in Europa so wichtigen Region herausgreift, können wir nicht zustimmen.
Herzlichen Dank.