Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag / Bundesministerium der Verteidigung, 31.1.2024:

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man heute den ganzen Tag über die Debatten verfolgt, dann wird eines klar: Diese Regierung hat sich vollständig von der Realität entkoppelt. Sie lebt in ihrer eigenen Ampeltraumwelt und wartet darauf, dass ein grünes Wirtschaftswunder irgendwann alle Probleme löst. Das wird nicht funktionieren. Der Einzige, bei dem man das Gefühl hat, dass er noch etwas in der Realität lebt, ist der Verteidigungsminister. Aber ich habe den Eindruck, dass versucht wird, ihn mit einem 100-Milliarden-Euro-Topf ruhigzustellen. Das sind Sonderschulden, die aber das grundlegende Problem nicht lösen. Die Bedrohung unserer äußeren Sicherheit ist keine Sondersituation, die man mit einem Sondervermögen in fünf Jahren lösen kann.

Die Bedrohung der äußeren Sicherheit ist eine Daueraufgabe, und dieser Daueraufgabe müssen wir auch angemessen im Haushalt begegnen. Mit dieser Daueraufgabe sind Sie offensichtlich überfordert.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nach dem Kalten Krieg haben wir doch eines gelernt: Abschreckung ist die effektivste Weise, einen Krieg zu verhindern. Aber Abschreckung und Verteidigung haben in Ihrer Regierung keine Prioritäten. Der Kollege Klein hat vorhin Zahlen aus dem Haushalt genannt, als wir noch in Regierungsverantwortung waren. Der Haushalt 2020 – das war der letzte reguläre Haushalt, für den wir volle Verantwortung hatten – hatte ein Gesamtvolumen von 362 Milliarden Euro, davon 45 Milliarden Euro für Verteidigung. Sie geben jetzt 114 Milliarden Euro mehr aus, aber nur 7 Milliarden Euro mehr für Verteidigung. Der Anteil des Verteidigungshaushalts am Gesamthaushalt sinkt. Sie werden sicherlich auf das Sondervermögen verweisen. Aber das Sondervermögen ist nichts anderes als Schulden, und Schulden sind wie Drogen: Sie erleichtern den Tag, aber wenn sie mal weg sind, wird der Entzug hart. 2027 wird der Topf leer sein. 2028 fehlen Ihnen 56 Milliarden Euro. Ich habe auch heute keine Antwort gehört, wie Sie dieses Loch 2028 stopfen wollen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Es gibt eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion. Möchten Sie diese zulassen?

Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU):

Gerne.

Bettina Hagedorn (SPD):

Lieber Herr Kollege Brandl, ich war bei dieser ganzen Debatte anwesend. Ich weiß nicht, welche Debatte Sie verfolgt haben, aber diese hier war es jedenfalls nicht; denn Ihre Rede hat mit dem, was hier bisher besprochen worden ist, nicht so viel zu tun.

Aber ich möchte zu Ihren Zahlen kommen. Sie haben vorhin die Debatte durch Ihren Beitrag bereichert, in dem Sie erklärten, wie der Verteidigungsetat von 2014 bis 2021 gestiegen ist. Da möchte ich Ihr Erinnerungsvermögen ein bisschen auffrischen. Unter der CDU/CSU-FDP-Regierung, also unter der Regierung, die Sie geführt haben, hat Herr zu Guttenberg den Verteidigungsetat um 8 Milliarden Euro gekürzt. Das war einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dann kam die zweite Große Koalition, und in den ersten vier Jahren war Wolfgang Schäuble Finanzminister.

Wir haben den Verteidigungsetat in diesen vier Jahren zusammen um sage und schreibe 4 Milliarden Euro pro Jahr gesteigert. Dann wurde Olaf Scholz Finanzminister. Und wissen Sie, was in den nächsten vier Jahren geschah? Wir haben in der dritten Großen Koalition den Verteidigungsetat von 37 Milliarden auf 50 Milliarden Euro pro Jahr erhöht.

Und jetzt steigt er übrigens wieder. Wenn wir das unter Finanzminister Olaf Scholz nicht gemacht hätten, dann wäre der Trümmerhaufen, vor dem die Bundeswehr steht, noch viel größer, als er sowieso schon ist.

Aber ausgerechnet der Ampelregierung hier vorzuwerfen, keine Priorität bei der Bundeswehr zu setzen, ist wirklich ein Treppenwitz der Geschichte.

Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU):

Frau Kollegin, Sie haben doch Ihre Frage gerade selbst beantwortet. Was wir geschafft haben – mit Ihrer Unterstützung, übrigens auch mit der Unterstützung des damaligen Bundesfinanzministers Olaf Scholz –, ist, dass der Verteidigungshaushalt im Schnitt um 4 Milliarden Euro – Sie haben diese Zahl genannt – jedes Jahr gestiegen ist. Und was tut der Verteidigungshaushalt jetzt? Er stagniert. Er steigt eben nicht.

Sie haben nach der Bereinigungssitzung von vor zwei Wochen neue Schulden in Höhe von 30 Milliarden Euro aufgenommen. Und worin haben Sie nicht investiert? Sie haben nicht in Verteidigung investiert. Und dann wird immer gesagt: Ja, aber wir haben das Sondervermögen. – Aber wissen Sie was? Das Sondervermögen ist 2027 zu Ende.

2027 steuert die Bundeswehr auf einen Abgrund zu. Wenn Sie die Bundeswehr weiter richtig finanzieren wollen, dann müsste sich der Verteidigungshaushalt nach Berechnungen des BMVg im Jahr 2028 fast verdoppeln. Das wird nicht funktionieren. Das kann nicht funktionieren. Ehrlicherweise kann man so nur regieren, wenn man weiß, dass man dann, wenn es so weit ist, keine Verantwortung mehr trägt. – Danke, Sie dürfen sich setzen.

Aber ehrlichweise ist ja nicht nur der Haushalt das Problem. Auch das Beschaffungswesen, das uns seit Jahren beschäftigt, wird nicht wirklich reformiert. Da gibt es keinen Angang. Dabei zeigt die Bundeswehr mit dem Beschaffungsstab Ukraine im BMVg, dass sie gut, effektiv und schnell beschaffen kann, nur nicht für das eigene Land, sondern für die Ukraine. Wenn wir für die Bundeswehr beschaffen, dann sind wir immer noch im Friedensmodus, und das ist dieser Zeit nicht angemessen.

Lieber Herr Pistorius, Sie schicken nun eine Brigade nach Litauen – ich halte das für grundsätzlich richtig –, die 2027 an der heißen Ostflanke der NATO stehen wird. Ich fordere Sie auf: Schaffen Sie zumindest für diese Brigade einen eigenen Beschaffungsstab, damit sich der Kommandeur in Koblenz nicht hintenanstellen muss, um das zu bekommen, was er braucht, sondern so schnell wie möglich mit dem notwendigen Material versorgt wird.

Das Thema Taurus wurde schon angesprochen. Ich sage Ihnen voraus: Irgendwann werden Sie – so haben Sie bei allen anderen Waffensystemen auch reagiert – Taurus in die Ukraine liefern oder einen Ringtausch mit einem anderen Land durchführen; das wird passieren. – Der Kollege Faber nickt. Aber wissen Sie, was dann passiert? Das geht 100 Prozent zulasten der Bundeswehr. Es gibt im Moment keine Taurus-Produktion mehr in Deutschland. Es dauert mindestens drei bis vier Jahre, bis eine neue Produktion aufgesetzt worden ist. Das heißt, wenn die Bundeswehr jetzt nicht bestellt, wenn sie jetzt nicht in die Beschaffung geht, dann wird die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr in den nächsten Jahren auch bei diesem signifikant wichtigen Waffensystem sinken. Das ist genau der Zeitraum, in dem gemäß den Warnungen von Herr Pistorius ein Krieg der NATO mit Russland bevorstehen könnte. Warnen Sie nicht nur, sondern handeln Sie auch dementsprechend!

– Frau Nanni hat mir gerade gesagt, ich solle etwas vorschlagen. – Ich schlage Ihnen ganz konkret vor, dass Sie einen Beschluss fassen, die Produktion von Taurus wiederaufzunehmen, und zwar in niedriger Stückzahl, damit Sie, wenn es dann so weit ist, die Stückzahlen jederzeit wieder nach oben schrauben können; denn bis Sie alle Zulieferer zertifiziert haben, dauert es zwei bis drei Jahre. Die Zeit haben wir im Ernstfall nicht. Das ist die Lücke, die Sie jetzt im Moment aufreißen.

Jetzt kommt ein weiteres Beispiel: Drohnen. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns doch, wie wichtig Drohnen in der Kriegsführung sind. Die Ukraine – ein Land im Krieg, das ständig bombardiert wird – will seine Drohnenproduktion auf 1 Million Drohnen im Jahr steigern. Und was macht Deutschland? Wir gründen einen Arbeitskreis, eine Task Force. Das bringt uns doch alles nichts. Wir diskutieren seit Jahren darüber, dass die Bundeswehr dringend bewaffnete Drohnen braucht. Ich habe bisher noch keine einzige Beschaffungsvorlage im BMVg dazu gesehen.

Mit ein paar Heron TP – die nicht unsere sind, die wir geleast haben und die wir mit Waffen nachrüsten – werden wir unser Land nicht verteidigen.

Gehen Sie die Themen an, und stellen Sie der Bundeswehr langfristig das Geld im Haushalt zur Verfügung, das sie braucht! Denn nur so werden wir auch verteidigungsfähig werden.

Herzlichen Dank.

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