Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Hoffmann zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, 19.01.2024:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich dachte, gestern waren wir uns alle einig: Die Pflicht von Demokraten in diesen Tagen muss sein, sich der AfD entgegenzustellen.
Dafür ist unerlässlich, dass wir gemeinsam eine Politik machen, die die Probleme in diesem Land löst, die bestehende Probleme nicht verschärft und keine neuen erzeugt. Es muss darum gehen, der AfD die identitätsstiftenden Themen wegzunehmen, ja, sie zu bewältigen.
Als hätte es die gestrige Aktuelle Stunde und Debatte nicht gegeben, wollen Sie heute Ihr Turboeinbürgerungsgesetz durchsetzen – mit einem Gesetzentwurf, der den Geist grüner Migrationspolitik atmet, einem Gesetzentwurf, der die Politik der offenen Türen ins Schaufenster stellt.
Weil Sie immer so tun, als wäre es Zeit dafür und als wäre es notwendig: Es ist zunächst einmal so, dass, allein was die Zahlen angeht, das, was Sie tun, nicht erforderlich ist. Wir hatten 2022 Einbürgerungen auf Rekordniveau.
Und dann suggerieren Sie – die FDP hat das ganz stark gemacht –: Wir müssen jetzt ans Einbürgerungsrecht, weil das ja für das Thema der Fachkräftegewinnung unerlässlich ist.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kaddor?
Alexander Hoffmann (CDU/CSU):
Ja, sehr gerne.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Ich hatte es befürchtet.
Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Kollege, für das Zulassen der Frage; das schätze ich sehr. – Meine Frage bezieht sich auf den gerade genannten Kritikpunkt wegen des verweigerten Handschlags. Es gibt die irrige Vorstellung, dass nur orthodoxe Rabbiner bzw. nur männliche Muslime den Handschlag verweigern würden. Tatsache ist, dass auch religiös praktizierende Musliminnen, religiös praktizierende Jüdinnen diesen Handschlag verweigern. Es ist also nicht so, dass nur Männer – lassen Sie mich doch aussprechen; ganz ruhig atmen! – den Handschlag verweigern. Deshalb frage ich Sie: Was machen wir denn mit orthodox gläubigen Jüdinnen und Juden, die den Handschlag ebenfalls ungern geben oder verweigern? Sollen wir denen auch die Staatsbürgerschaft verweigern?
Alexander Hoffmann (CDU/CSU):
Frau Kollegin, danke für Ihre Zwischenfrage. – Sie bemühen jetzt lauter Fälle, die den Eindruck erwecken: Ist ja nicht so schlimm. Aber es ist doch umgekehrt: Sie machen jetzt ein Türchen auf für denjenigen, der aus Gründen der Diskriminierung einer Frau nicht die Hand geben will, weil er die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht anerkennt. Ich will das Beispiel mal vertiefen. Da ist also jemand, der eingebürgert werden will. Aus religiösen Gründen – Sie haben es gerade sehr blumig dargestellt – will er einer Frau nicht die Hand geben.
Er darf nicht eingebürgert werden, und das wollen Sie verhindern. Jetzt sage ich Ihnen mal ganz ehrlich: Wer anerkennt, dass ich aus religiösen Gründen einer Frau nicht die Hand gebe, der erkennt die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht an. Wir müssen, Frau Kollegin, zwei Dinge unterscheiden. Wissen Sie, ich bin ja noch bei Ihnen, wenn ich sage: Den weisen wir jetzt nicht gleich aus.
Aber dass Sie so weit gehen, ihm auch die deutsche Staatsbürgerschaft zu geben, das ist der eigentliche Skandal. Ich war an dem Punkt, dass Sie immer wieder den Eindruck erwecken: Für Fachkräfte brauchen wir jetzt ein liberales Staatsangehörigkeitsrecht.
Das ist völlig falsch. Es gibt eine Studie der OECD und der Bertelsmann-Stiftung, die besagt, dass die Hürden für Fachkräftegewinnung andere sind, nämlich Qualität der beruflichen Chancen, Einkommen und Steuern oder zum Beispiel auch die Hürden bei der Visumserteilung.
Das wollten wir im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes angehen. Sie zeichnen seit über 30 Jahren im auswärtigen Ressort verantwortlich, und Sie haben dies verweigert. Aber nach dieser Studie ist es eben keine Frage der Einbürgerung.
Das Fazit ist: Sie gaukeln den Menschen etwas vor. Das ist deshalb so problematisch, weil die Mehrheit der Bevölkerung – wir haben es gehört: 70 Prozent – gegen Ihre Turboeinbürgerung ist. Ich sage Ihnen: Eine Politik gegen den Willen der Bevölkerung zu machen, das ist gefährlich. Aber dazu noch zu versuchen, die Menschen zu manipulieren, das macht unsere Demokratie kaputt.
Wir wissen, dass auf den Fluchtrouten alles kommuniziert wird, was wir hier entscheiden. Wenn Sie das heute beschließen, dann wird neben Ihrem Spurwechsel, neben Ihrem Zweckwechsel, neben dem Sonderaufnahmeprogramm, neben dem Chancen-Aufenthalt, neben Ihrem gestrigen Abschiebeverhinderungsgesetz – zukünftig auch noch die Turboeinbürgerung ein Verkaufsschlager für alle Schlepper und Schleuser sein.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.