Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger in der Bundestagsdebatte zum WHO-Pandemievertrag, 16.5.2024:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Der eigentliche Grund, warum wir heute hier stehen, sind die Auswirkungen der Coronapandemie. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir gemeinsam im Gesundheitsausschuss saßen und uns die Bilder angeschaut haben, wie lange Schlangen von Krankenwägen vor den Notaufnahmen der Krankenhäuser in Mailand in Italien standen, wie in Spanien in großen Hallen Bettenlager aufgebaut worden sind, weil die Krankenhäuser überlastet gewesen sind. Wir alle haben uns damals gefragt: Erwartet uns eine ähnliche Situation in Deutschland?
Ich muss Ihnen sagen – alle Kollegen, die dabei waren, wissen es ja auch –: Es ist eine schwere Entscheidung gewesen, was die Freiheitsbeschränkungen anging. Keinem ist es leichtgefallen, solche Entscheidungen zu treffen. Aber ich möchte denjenigen treffen, der damals schon gesagt hat: So schlimm wird es nicht in Deutschland.
Die Experten haben damals was anderes gesagt. Und wenn man sich die internationale Situation angeschaut hat, dann hat man sich gefragt: Wie können wir möglichst viele Menschenleben retten? Deswegen haben wir nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Meine Damen und Herren, jetzt rückblickend zu sagen, das wäre alles ganz anders gelaufen, ist sehr gewagt. Wir haben so gehandelt, um das deutsche Volk zu schützen und um Menschenleben zu retten.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Pilsinger, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau von Storch zulassen?
Stephan Pilsinger (CDU/CSU):
Ja, natürlich.
Beatrix von Storch (AfD):
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade gesagt: Wer hat damals schon gewusst, dass die Maßnahmen möglicherweise nicht richtig sind? Ich weiß, ich war nicht Mitglied im Gesundheitsausschuss; ich war Mitglied im Innenausschuss. Wir haben zu jeder einzelnen Maßnahme, die damals von der von Ihnen getragenen Regierung getroffen worden ist, gefragt: Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage werden diese und jene Maßnahmen ergriffen? Ausgehverbote ab 22 Uhr, Sportverbote für 14-Jährige und eine Erlaubnis im Außenbereich für unter 14-Jährige nur in Gruppen mit maximal fünf Personen usw.
Wir haben Sie zu allen Maßnahmen, die ergriffen wurden, in allen möglichen Konstellationen – in allen Ausschüssen, mit Einzelanfragen, Kleinen Anfragen – gefragt: Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage verfügen Sie diese Maßnahmen? Wir haben an keiner Stelle irgendwo einmal eine triftige wissenschaftliche Grundlage präsentiert bekommen. Deswegen: Die Frage „Wer hat es damals gewusst?“ dreht die Beweislast um. Sie waren in der Pflicht, zu beweisen, dass die Maßnahmen das bringen, was Sie sagen, und Sie konnten es nicht beweisen. Wenn Sie die Frage an uns richten: „Wer hat es damals gewusst?“, dann ist die Antwort: Wir haben es damals gewusst.
Stephan Pilsinger (CDU/CSU):
Frau von Storch, mir ist ja durchaus bekannt, dass Sie eine Lebensschützerin sind. Deswegen verwundert mich jetzt Ihre Position in dieser Frage. Ich muss Ihnen eins sagen: Wenn man die Wahl hat, ein Menschenleben zu retten, und dafür auch in Kauf nehmen muss, dass man falsch liegt, dann ist es besser, das Menschenleben zu retten, als nichts zu tun und dadurch Menschenleben zu gefährden.
In der damaligen Situation, als wir international Tausende von Toten in Mailand und in anderen Teilen von Italien gesehen haben, da glaube ich nicht, dass Sie es mit Ihrem Gewissen hätten vereinbaren können – wenn Sie tief in sich gehen –, zu sagen: Ich opfere im Zweifel Tausende wie in Italien, nur um hier ein Experiment zu wagen. Wir haben keine Experimente mit Menschenleben zugelassen, und dazu stehe ich hier als Christ.
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte zeigt wieder, wie ideologisch aufgeladen die Diskussion ist. Ich möchte aber einfach mal auf die Argumente eingehen, die hier heute genannt worden sind.
Ich habe mir Ihren Antrag durchgelesen, Frau von Storch. Sie haben hier heute dazwischengerufen: Wir zitieren den Vertragstext und lassen die Leute selber denken. – Ich habe mir mal die Zitate in Ihrem Antrag angeschaut. Sie behaupten ja, dass der Pandemievertrag dazu führt, dass die WHO Freiheits- und Souveränitäts-rechte der Bundesrepublik Deutschland erhält und damit Freiheitseinschränkungen in Deutschland gegen den Deutschen Bundestag und gegen die Bundesregierung durchsetzen kann.
Ich habe mir das mal genau angeschaut. Sie zitieren nirgendwo die entsprechenden Textpassagen, sondern Sie zitieren nur allgemein den WHO-Vertrag. Deswegen muss ich Ihnen schon sagen: Wenn Sie hier solche Anschuldigungen erheben, dann sind Sie in der Beweislast. Sie können hier nicht einfach irgendwas behaupten, ohne entsprechende Beweise vorzulegen. Das müssten Sie als Juristin eigentlich wissen.
Meine Damen und Herren, die Forderung, Widerspruch gegen die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften zu erheben, ist auch ein Teil des AfD-Antrags. Im Kern bezieht sich der Antrag ja auf vorliegende Änderungsvorschläge, die unsere Souveränitätsrechte einschränken sollen, weil sie rechtlich bindend wären.
Wir als Union haben deswegen mal gefragt, wie die Bundesregierung zu dieser Frage steht. Und ich danke der Bundesregierung für die Antwort auf unsere Einzelfrage. Die Staatssekretärin Dittmar hat auf die Frage, die wir gestellt haben, wie sie sich zu den Änderungsanträgen verhält, die von diversen Staaten zu dem WHO-Pandemievertrag gestellt worden sind, geantwortet:
„Einzelne eingebrachte Änderungsvorschläge der Vertragsstaaten sehen die Änderung der nicht verbindlichen zeitlich befristeten Empfehlungen in rechtlich verbindliche Empfehlungen vor.“ Das zitieren Sie.
„Dies wurde bereits vom Prüfungsausschuss zu den Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften als nicht empfehlenswert und nicht umsetzbar eingestuft … In den Verhandlungen haben diese Änderungsvorschläge bis jetzt keine breite Zustimmung gefunden. Die Bundesregierung trägt Änderungsvorschläge in diese Richtung nicht mit.“
Ich möchte Ihnen die Empfehlung geben: Bevor Sie solche Mutmaßungen anstellen, sollten Sie doch einfach vorher an die Bundesregierung, um ihre Positionierung zu klären, eine Einzelfrage richten. Wir können Ihnen gerne Tipps geben, wie man eine Einzelfrage stellt, um solche Probleme zu lösen. Aber einfach die Anschuldigung zu erheben, dass die Bundesregierung solche Änderungsanträge der einzelnen Staaten unterstützt, ist grob falsch. Das müssen wir zurückweisen. Die Souveränitätsrechte der einzelnen Staaten werden weiterhin bei diesen bleiben und nicht an irgendwelche anderen Organisationen übertragen.
Meine Damen und Herren, in dem AfD-Antrag wird auch darüber gesprochen, wie die Finanzierung der WHO sein sollte. Da muss man aber auch ehrlich sagen, Frau von Storch: Wenn die Finanzierung nicht mehr über private Dritte wie Bill Gates geschehen soll – das nennen Sie ja zu Recht –, dann muss man fragen, wie man das zukünftig regeln möchte.
In der Vergangenheit war es so, dass das entsprechend über Pflichtbeiträge der Staaten geregelt worden ist. Das wurde dann aufgrund von Einwänden der USA und an-derer Staaten eingefroren. Das hat auch aufgrund der Inflation dazu geführt, dass der Anteil der privaten Spenden immer weiter ansteigen musste, um die Aufgaben der WHO entsprechend zu regeln.
Deswegen: Wenn Sie als AfD damit Probleme haben, dann müssen Sie auch ehrlich sagen, wie Sie es anders lösen möchten, wenn Sie wollen, dass die WHO weiterhin Aufgaben übernimmt. Dann müssen Sie auch sagen, dass dann die Beiträge der einzelnen Staaten mindestens verfünffacht werden müssen. Das ist die Wahrheit. Ich hätte von Ihnen erwartet – Sie sagen immer: Mut zur Wahrheit! –, dass Sie diese Wahrheit dem Bürger am Ende auch erklären.
Meine Damen und Herren, ich habe es gesagt: Eine andere Regelung des Pandemievertrags ist notwendig, weil wir die Quintessenz aus den Problemen der Coronapandemie ziehen müssen und weil klar ist: In einer internationalen Gesellschaft können sich solche Pandemien wiederholen.
Und, Herr Sichert, eine Sache habe ich nicht ganz verstanden: Sie kritisieren, wie es in China gelaufen ist, und zwar zu Recht; denn es ist schlecht gelaufen in China. Man hat in China nicht genau nachschauen können, wie es gelaufen ist, wo das Virus herkommt, wie die ganze Situation überhaupt ist. China hat sich abgeschottet, und deswegen war unklar, wie sich die Pandemie ausgebreitet hat. Gerade deswegen ändern wir doch den Pandemievertrag, damit sich solche Sachen nicht wiederholen.
Wenn Sie konkrete Änderungswünsche an den Pandemievertrag hätten äußern wollen, dann hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie in Ihrem Antrag, der uns allen vorliegt, solche konkreten Änderungsvorschläge auch unterbreiten. Sie sind der Meinung, dass man Änderungen vornehmen muss, um eine Situation, wie wir sie damals bei Corona hatten, zu verhindern.
Deswegen, meine Damen und Herren, bitte stimmen Sie unserem Antrag zu. Wir brauchen eine Evaluation und Neuordnung des Pandemievertrags für die Gesundheit der Menschen in Deutschland und in der Welt.
Vielen Dank.