Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner in der Bundestagsdebatte zur Finanzierung der Sozialversicherung, 26.06.2024:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Lieber Herr Kollege Kurth, Sie haben ja gerade den Minister Karl Lauterbach zitiert, und auch ich zitiere ihn. Er hat nämlich formuliert, dass von seiner Krankenhausstrukturreform als Erstes die kleinen Krankenhäuser im ländlichen Raum profitieren. Ich muss Ihnen sagen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Deshalb stimmt das nicht, was Sie hier gerade formuliert haben.

Lieber Herr Kurth, ich habe mich damit auseinandergesetzt. Sie haben verschiedene Statistiken zitiert, und ich zitiere auch hier wieder ein Interview mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vom 28. Mai 2024. Er sei verwundert – so hat er sich geäußert –, dass die Zahl der Pflegebedürftigen explodiert ist. Da sage ich: Ich wundere mich über einen Wissenschaftler, der sich darüber wundert; er hat auch keine Erklärung geliefert.

Er hat gesagt, das sei ein gewisser „Sandwicheffekt“, weil die Babyboomer jetzt in Pflege kämen. Dabei ist das schlicht falsch; denn die ersten Babyboomer sind jetzt 69 Jahre alt. Die Pflegebedürftigkeit tritt mit 75 Jahren ein – das bedeutet, wir haben 2030 einen ersten Schwung – und dann noch mal verstärkt mit 84 Jahren, also 2040. Das sind die knallharten Fakten.

Deswegen kann ich Karl Lauterbach schon beantworten, was der Grund dafür ist, dass die Pflegebedürftigkeit explodiert ist: Wir haben einen Kumulierungseffekt, weil die Menschen zum Glück älter werden. Wir haben es aber auch durch unseren Pflegebedürftigkeitsbegriff – damals zusammen mit der SPD eingeführt, aber auch von den Grünen unterstützt – gut vorbereitet und die Zugänge auch für Menschen mit Demenz erweitert; deswegen kommen da entsprechend zusätzlich Pflegebedürftige hinzu.
Und natürlich haben wir aufgrund der wirtschaftlichen Lage auch eine höhere Inanspruchnahme des Pflegegeldes aus haushaltsökonomischer Sicht, weil es nämlich am Ende des Monats wirklich drückt und die Leute sich die Frage stellen: Was mache ich am Ende des Monats? Das alles kommt auch mit dazu.

Ich möchte Ihnen sagen: Das Papier zur Pflegeversicherung ist ja heute Mittag durchgestochen worden. Es wird nächste Woche im Kabinett behandelt und zeigt das Dilemma dieser Bundesregierung: In diesem durchgestochenen Papier werden nämlich fünf verschiedene Szenarien aufgezeigt, wie man dieses Thema angehen könnte. Und man hat das Dilemma deshalb, weil die einen sagen: „Auf keinen Fall einen Steuerzuschuss!“, und die anderen sagen: „Aber auf keinen Fall eine Erhöhung der Beitragszahlungen!“

Deswegen kann ich Ihnen nur sagen – darum haben wir auch die Große Anfrage gestellt –: Wie Sie sich einigen, müssen Sie schon herausfinden. – Und das fordern wir in der jetzigen prekären Lage auch ein.

Frau Köcher vom Allensbach-Institut, die ja nicht unbedingt immer zwingend der Pflege nahesteht, hat formuliert: Pflege ist die Schicksalsfrage unserer Zeit. – Wenn wir das Thema Pflege nicht lösen – und dazu gehören natürlich auch GKV und SPV –, dann geht Vertrauen in das System verloren, und dann haben wir eine ernsthafte Demokratiekrise.

Deswegen erwarten wir von Ihnen, dass Sie Ihren großen Worten auch Taten folgen lassen.
 

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