Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Ulrich Lange in der Bundestagsdebatte zur Neuaufstellung der Deutschen Bahn AG am 22.6.2023:

Einen schönen guten Morgen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Bald endet das Schuljahr, und diese Bundesregierung steht vor dem Zwischenzeugnis. Beim Thema „Deutsche Bahn“ muss man sagen: Versetzung gefährdet oder nicht geschafft. 

Auch eine Vielzahl blauer Briefe an den Konzern über Jahre – ich will bald sagen: Jahrzehnte – hat wohl nichts bewirkt. Trotz sehr viel Geld in den letzten Jahren – ich nenne die Eigenkapitalerhöhung, das 1.000-Bahnhöfe- Programm, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen I, II, III und vieles mehr, was gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD auf den Weg gebracht wurde – hat sich nicht wirklich etwas bewegt, auch nicht bei den handelnden Personen im Bahnvorstand, deren Boni so wie die anderen Zahlungen wachsen, aber nicht die Pünktlichkeit der Bahn. Sehr bedenklich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das erlauben Sie mir am Anfang einer solchen grundlegenden Debatte über eine neue Aufstellung der Bahn: Es braucht hier niemand mit dem Finger darauf zu zeigen, wer über wie viele Jahre wo mitregiert oder regiert hat. Ich erinnere: Bahnreform der 1990er-Jahre: nicht vollendet. Unter Rot-Grün einen Börsengang begonnen: nicht zum Abschluss gebracht – zum Glück. FDP und Grüne haben noch in den Wahlprogrammen groß davon gesprochen, dass es einer grundsätzlichen Reform unseres Schienenwesens bedarf – jetzt die Kehrtwende; nichts davon zu sehen.

Die Schulnoten sind verteilt. Pünktlichkeit: sechs, Zuverlässigkeit: sechs, Haushaltsführung im Konzern: sechs, Investitionen an der richtigen Stelle: fünf. Da kann man sich nur wundern, wenn man jetzt aus dem Konzern hört, es beginnt die große Modernisierung des Netzes und von 1 800 Bahnhöfen bis 2030. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Folien und diese Luftnummern aus der Konzernzentrale kennen alle hier. Wir haben massive Defizite in allen Bereichen. Deswegen bedarf es einer grundlegenden strukturellen Neuaufstellung. Davon sind wir nach vielen Jahren mit diesem Konzern in dieser Zusammensetzung überzeugt.

Reform nötig, die Strukturen verändert

Dafür brauchen wir eine Reform, die Strukturen verändert, und nicht einen Konzern, der über die Presse verlauten lässt: „Wir wollen so wenig wie möglich ändern“, oder einen Chef der EVG, Martin Burkert, der Mitglied der SPD ist und sagt, die Erwartungen seien viel zu hoch, „da es sich nicht um eine Bahnreform handelt“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen haben wir vor einigen Wochen grundsätzliche Vorschläge zur Veränderung der Struktur der Deutschen Bahn vorgelegt. Diese Vorschläge haben große positive Resonanz bei den Verbänden, auch bei Gewerkschaften mit Ausnahme der EVG, beim Bundesrechnungshof und bei der Monopolkommission – sie berät ja nicht uns, sondern Sie – gefunden.

Deswegen sollten Sie sich doch die Mühe machen, sich mal mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen: Auflösung der Holding, Trennung des Infrastruktur- und Transportbereiches für mehr Fairness und mehr Wettbewerb, eine Schieneninfrastruktur GmbH mit stärkerem Zugriff des Bundes, eine transparente Verwendung der Mittel aus GVFG, LuFV und den Töpfen, die wir geschaffen haben, um immer wieder Anreize zu setzen, ohne dass was passiert ist. DB Schenker wollen wir logistisch bei uns behalten, und den Schienengüterverkehr wollen wir durch ein richtiges Hub-System stärken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zur Wahrheit gehört bei all den Debatten ja auch – das wird jetzt sicher spannend –: Lieber Kollege Gastel, bei aller Freundschaft, Sie haben noch bei tagesschau.de geäußert: „Wissing droht mit seinen Vorschlägen deutlich zu kurz zu springen und zentrale Reformziele zu verfehlen.“ Und Kollege Herbst aus der FDP hat vor wenigen Wochen hier im Plenum noch groß getönt: In diesem Jahr findet „die größte Bahninfrastrukturreform aller Zeiten“ statt, und diese tritt nächstes Jahr in Kraft. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, davon sehen wir bis heute nichts.

Und Sie, lieber Herr Minister, haben auch nur Eckpunkte zu InfraGo angekündigt: bis Weihnachten, Ostern, bis zur Sommerpause. Wir sehen bis heute nichts. Das Einzige, was angeblich steht, ist ein Datum: 1. Januar 2024. Es bleibt alles unter dem Dach des Konzerns. Ob das Parlament beteiligt wird oder nicht, wissen wir auch nicht.

Wir geben Ihnen allen mit unseren Punkten die Chance, sich wirklich mit der Bahn auseinanderzusetzen und eine echte Reform zu schaffen. Eine Reform am Parlament vorbei kann doch nicht Ihr Ernst sein. Die Schiene hat Zukunft, wenn wir sie gemeinsam gestalten wollen.

Danke schön.

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