Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler in der Bundestagsdebatte zur Internationalisierung von Wissenschaft und Lehre, 21.3.2024:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Fakt ist: Wir leben in einer globalisierten Welt. In einem solchen Umfeld ist Internationalisierung natürlich einer der Hebel, um gegen den Fachkräftemangel in der Wissenschaft anzukommen. Wir brauchen kluge Köpfe aus dem In- und aus dem Ausland, um die Innovationen der Zukunft zum Erfolg zu bringen. Das ist es, worin wir mit den Ampelfraktionen ja auch durchaus übereinstimmen: Globale grenzübergreifende Herausforderungen brauchen kooperative und grenzübergreifende Lösungsansätze. Bei der Antwort auf die Frage, wie das alles vonstattengehen soll, ist es mit der Gemeinsamkeit aber leider auch schon wieder vorbei. Denn aktuell scheitert das Ganze ja viel zu oft an den richtigen Rahmenbedingungen, die wir brauchen, um Deutschland für Fachkräfte aus dem In- und Ausland auch langfristig zum Zielland Nummer eins zu machen.
Viel zu oft wird beklagt, dass sich der Weg hierher für die Wissenschaftler/-innen, für die Forschenden als viel zu kompliziert, viel zu bürokratisch gestaltet und insgesamt komplett unattraktiv ist. Deswegen ist es aus meiner Sicht schlicht unverständlich, dass sich die Ampel immer noch nicht auf einen Kompromiss beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz hat einigen können, damit man es endlich durchs Kabinett bringt – und das, obwohl die aktuellen Zustände natürlich mit dazu beitragen, dass Deutschland international und auch national immer unattraktiver für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird. Die Zahlen dazu sind erschreckend: Laut „Barometer für die Wissenschaft“ geben nur noch 16 Prozent der Promovierenden in Deutschland eine Professur als Karriereziel an. 71 Prozent aller befristet angestellten Postdocs haben in den letzten zwei Jahren ernsthaft darüber nachgedacht, die Wissenschaft zu verlassen.
Das müsste ja eigentlich ein Weckruf für die Regierung sein. Die Talente der Zukunft fühlen sich in unserer deutschen Wissenschaftslandschaft einfach nicht wohl.
Und es ist nun mal so, dass die Wissenschaft nicht konkurrenzlos um die klugen Köpfe buhlt, natürlich nicht. Wirtschaft, Universitäten, Forschungsinstitute im Ausland: Der Bedarf an Fachkräften ist überall enorm. Beispiele gibt es genug, wie zum Beispiel ein Blick auf die Gigafactory vom Batterieproduzenten Northvolt in Schweden zeigt. Dort sucht man händeringend nach Fachkräften mit technischem Hintergrund. Das tun sie übrigens sehr öffentlichkeitswirksam, wie man diese Woche in Deutschland in den Nachrichten sehen konnte. Warum als Forscher, als Fachkraft also nicht nach Schweden ziehen, wenn es bei uns kaum attraktive Perspektiven gibt?
Warum als ausländischer Wissenschaftler gerade nach Deutschland kommen, wenn die berufliche Zukunft hier so ein bisschen in den Sternen steht?
Unser Anspruch in Deutschland muss doch sein, nicht nur qualifizierte und kompetente Fachkräfte in Deutschland auszubilden, sondern sie auch hierzuhalten, um damit unsere Forschungs-, Entwicklungs- und Wirtschaftskraft zu stärken.
Man sollte meinen – Sie bellen jetzt hier so rum –, dass dies allein für die Ampelregierung Ansporn genug sein müsste, sich endlich zusammenzuraufen und die formulierte Absicht aus dem Koalitionsvertrag, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu reformieren, endlich konstruktiv gemeinsam anzugehen. Stattdessen gibt es monatelangen Streit in der Koalition. Dazwischen kamen dann mal Eckpunkte, und dann kamen Referentenentwürfe.
Wenn man sich Ihren Inhalt anschaut, lässt das nicht unbedingt vermuten, dass am Ende etwas dabei herauskommt, was den deutschen Arbeitsmarkt attraktiver für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler macht.
Und am Ende steht dann schon wieder überhaupt kein echter Kompromiss, sondern die Verlagerung der Kompromissfindung vom Kabinett ins Parlament.
Aber noch nicht einmal darüber sind Sie sich am Ende des Tages einig.
Es braucht eine echte, eine zielgerichtete Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Nur leider gibt es die nicht mit der Ampel – nicht nur zum Leidwesen der vielen klugen Köpfe im Wissenschaftsbetrieb, sondern leider eben auch auf Kosten der Innovationskraft in Deutschland.
In Ihrem Antrag führen Sie viele Punkte und Forderungen auf. Aber im Ernst: So umfangreich dieser Antrag ist und so schön die oberflächlichen Forderungen klingen, so schonungslos legt er am Ende des Tages offen, dass Sie nicht wirklich ernsthaft bemüht sind, etwas im Bereich der Internationalisierung zu verbessern. Sonst würden Sie nämlich konkretere Maßnahmen fordern, und Sie würden vor allem im Haushalt die notwendigen Mittel dafür bereitstellen – Stichwort „AvH“.
Insgesamt zeigt der Antrag, dass Sie Ihrem eigenen Anspruch auf dem Gebiet nicht gerecht werden.
Internationale Forschungszusammenarbeit bedeutet, Brücken zu bauen, und dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Die müssen wir jetzt schaffen.
Danke schön.
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