Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler in der Bundestagsdebatte zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, 13.6.2024:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir hätten uns eigentlich gefreut, heute mal zu hören, was die Ministerin zu dieser BAföG-Reform sagt. Sie verweigert sich aber leider erneut der Debatte hier, was schade ist. Das wäre mal ganz spannend gewesen.
Die Novelle ist ja durchaus ziemlich lang und zu Recht auch vollmundig ambitioniert angekündigt worden. Im Koalitionsvertrag hat man lesen können, dass Sie mit „einem grundlegend reformierten BAföG“ einen „Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen“ legen wollen. Bei dem Ergebnis, das uns heute auf dem Tisch liegt, ist es dann vielleicht aber auch verständlich, dass die Ministerin lieber darauf verzichtet, darüber zu sprechen.
Denn das Fazit nach fast einem halben Jahr der Beratungen und der finalen Beschlussvorlage, die wir heute auf dem Tisch haben, ist leider, dass genau das, was Sie so groß angekündigt haben, mit dieser Novelle einfach nicht geschieht.
Seit dem ersten Referentenentwurf steht die Novelle auf allen Seiten massiv, scharf in der Kritik. Von Anfang an haben Sie die hohen Erwartungen, die Sie selber geschürt haben, einfach nicht erfüllen können. Mittlerweile haben Sie sich nach monatelangem Streit innerhalb der Koalitionsfraktionen zwar zusammengerauft; aber den großen Wurf beraten wir heute irgendwie nicht.
Das, was Sie uns vorlegen, ist keine ernsthafte strukturelle BAföG-Reform, sondern das sind primär marginale Nachbesserungen. Auf den Weg gebracht wurde das alles nach einer Sachverständigenanhörung; Sie haben gerade davon gesprochen, Kollegin Schröder. In der letzten Woche hat parallel dazu im Kabinett eine Abstimmung zu dem stattgefunden, was man an Änderungen auf den Weg bringen will. Dass das Ganze parallel stattfand, ist für sich genommen schon mehr als fragwürdig.
Sie sollten sich auch mal Gedanken darüber machen, warum wir Sachverständige benennen, wie wir sie benennen. Wir benennen sie, weil wir es für richtig halten. Wir hatten keinen Vertreter des RCDS benannt, wie Sie sich es vielleicht gewünscht haben. Ich weiß nicht, warum Sie sich das gewünscht haben; denn der hätte auch nichts anderes gesagt. Sie sollten sich aber bitte mal bewusst machen, dass diese parallele Abstimmung schon ein Stück weit von geringem Respekt gegenüber dem parlamentarischen Beratungsverfahren zeugt und ehrlicherweise auch gegenüber der Sachkompetenz der Experten, die in der Sachverständigenanhörung geladen waren.
Eins zeigt das Vorgehen natürlich schon, nämlich wie eilig Sie es gehabt haben, dieses Gesetzesvorhaben doch noch vor der Sommerpause durchs Parlament zu peitschen, ganz im Sinne von: Egal was drinsteht, Hauptsache die Änderungen treten noch wie versprochen zum Wintersemester in Kraft. Ich muss mich schon fragen, ob Sie sich eigentlich mal die Frage gestellt haben oder einen Moment darüber nachgedacht haben, was das jetzt für die BAföG-Ämter heißt. Also, die kriegen jetzt im Juli den Beschluss des Bundesrats vor die Füße gekippt und müssen schauen, wie sie das unter dem hohen Druck und mit dem ohnehin wenigen Personal, das sie zur Verfügung haben, irgendwie noch umsetzen, obwohl sie überhaupt keine Zeit mehr dafür haben. Gedacht hat bei Ihnen aus der sogenannten Fortschrittskoalition offensichtlich auch niemand daran, dass man endlich mal die Bürokratie im BAföG-Beantragungsverfahren abbauen könnte.
Stattdessen packen Sie jetzt noch eine Schippe drauf, nämlich die Studienstarthilfe, die zukünftig ein eigenes Antragsverfahren haben wird. Statt diese zusätzliche Unterstützungsleistung einfach in den Beantragungsprozess des BAföGs zu integrieren und einzugliedern, kommt jetzt noch zusätzlich ein zweites Verfahren obendrauf. Dabei dürften ja wohl – ich glaube, da sind wir uns einig – ohnehin alle Studierenden, die einen Anspruch auf die Studienstarthilfe haben, auch den Anspruch auf Förderung durchs BAföG haben. Also warum sollte man die beiden Anträge trennen?
Dazu muss man wissen, dass natürlich auch der Aufbau dieser zweiten neuen Plattform – sie wird digital sein – Ressourcen bindet. Die Digitalisierung des eigentlichen BAföG-Antragsverfahrens wird sich dadurch um weitere Monate verzögern, sehr zum Schaden der Studierenden, die ohnehin schon viel zu lange darauf warten. Schade, dass Sie in Sachen Digitalisierung offensichtlich so visionslos unterwegs sind.
Das BAföG braucht die angekündigte Strukturreform. Es braucht sie wirklich, damit es weiterhin als Instrument der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem wahr-genommen werden kann. Die Weichen dafür haben wir als GroKo in der letzten Legislaturperiode gestellt, und zwar gerade mit der Digitalisierung der Beantragung. Diesen Weg hätte man jetzt weitergehen müssen. Aber aufgrund Ihrer Weigerung oder Ihres Unvermögens – man weiß es nicht –, sich innerhalb der Koalition auf die wirklich wichtigen Kernpunkte zu einigen, verschlafen Sie es, das BAföG basierend auf dem, was wir angefangen haben, jetzt weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu machen. Das ist eine Bankrotterklärung für die Fortschrittskoalition.
Wie es besser gegangen wäre, haben wir in unserem Änderungsantrag deutlich gemacht. Darin zeigen wir, wie eine umfassende Reform des BAföGs an der Stelle hätte aussehen können und ehrlicherweise auch hätte aussehen müssen. Es ist bedauerlich, dass Sie offensichtlich weder die Kraft noch den Ehrgeiz dazu gehabt haben, die notwendigen Reformen einfach mal anzugehen. Am Ende bleibt: Qualität schlägt Quantität. Die Qualität dieses Gesetzentwurfs reicht einfach nicht aus. Deswegen lehnen wir ihn ab.
Danke schön.