Nachhaltigkeit gelingt mit Innovationen, nicht mit Verboten. In der BamS erklärt unser Vorsitzender, Alexander Dobrindt, wie man Leidenschaft für Ökologie, gesunde Ernährung und Klimaschutz entfacht.

Herr Dobrindt, neuerdings trinken Sie Smoothies statt Cola und essen öfter mal vegetarisch. Was ist passiert?

Öko muss Spaß machen. Dazu gehören Innovationen auch bei Lebensmitteln. Mehr Nachhaltigkeit gelingt mit Innovationen, nicht mit Verboten. Nur spannende neue Produkte, die die Menschen begeistern, werden auch angenommen.

Gibt es bei Ihnen bald nur noch Tofu-Weißwürste?

Jeder soll essen dürfen, was er möchte. Fleisch ist gesund. Aber wenn wir wollen, dass eine Mehrheit ab und zu auch mal zu einer Alternative greift, kann es eben gerade nicht die Tofu-Weißwurst sein, die nicht hält, was sie verspricht. Ich war gerade erst im Silicon Valley bei einem Unternehmen, das Burger auf pflanzlicher Basis herstellt. Die sehen nicht nur aus wie Fleisch, die fühlen sich auch so an und schmecken genau so, sind aber komplett vegetarisch. Das ist ein wirklich starkes Produkt, das Spaß macht und eine echte Herausforderung angeht. Denn angesichts der wachsenden Weltbevölkerung müssen wir uns natürlich auch über Alternativen zum Fleisch Gedanken machen, mit denen wir große Mengen an CO2 und Wasser einsparen.

Sind Sie jetzt etwa auch für einen Veggie-Day?

Nein, auf gar keinen Fall. Wenn wir Ökologie weiter in die Breite tragen wollen, muss das Thema raus aus der grünen Verbotsecke. Wir müssen den Menschen Lust auf innovative Produkte machen, statt Veggie Days anzuordnen oder Verbote zu verhängen. Das gilt übrigens nicht nur bei der Ernährung, sondern auch in den Bereich Elektromobilität oder Energieversorgung. Öko muss mehr Schwarzenegger sein und weniger Hofreiter.

Ihr Parteichef Markus Söder sagt neuerdings, die CSU müsse nicht nur christlich und sozial sein, sondern auch ökologisch. Wie Grün wird die weiß-blaue Partei?

Markus Söder hat Recht, wir müssen auch wieder mehr über Ökologie sprechen. Die Bewahrung der Schöpfung und der Naturschutz sind geradezu der Kern einer christlichen, bürgerlichen Politik. Aber wir ergrünen nicht, das würde bedeuten, dass wir die Ideologie vor die Vernunft stellen. Die ökologische Weiterentwicklung der Energieversorgung und der Wirtschaft treibt die CSU stark voran. Im vergangenen Jahr kamen damit zum ersten Mal über 40 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Ein Ziel, das man früher erreicht hat als vorgesehen – durch gezielte Innovationspolitik.

Geht es Ihnen in Wahrheit nicht darum, die 170 000 CSU-Wähler, die bei der Landtagswahl zu den Grünen abgewandert sind, zurückzugewinnen?

Es geht um deutlich mehr: Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir ökologisch noch innovativer werden. Das geht aber nur mit der Wirtschaft als Partner, nicht als Gegner, wie es die Grünen tun. Wer Ökologie und Ökonomie gegeneinander ausspielt, kann am Ende nur eines von beidem haben – wenn überhaupt. Damit verbunden ist für mich die klare Erwartung an die Wirtschaft, dass sie den Öko-Trend in der Gesellschaft erkennt und umsetzt. Deutschland hat das Potenzial, seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz zu einem Innovationssiegel für Ökologie, Natur- und Klimaschutz auszubauen und als Vorteil im international Wettbewerb zu nutzen. Diese Chance sollten wir ergreifen.

FDP-Chef Lindner sagt, beim Klimaschutz müssten Profis ran. Was sagen Sie?

Total falsch. Beim Klimaschutz geht es nicht nur um Zahlen, sondern auch um Emotionen. Deshalb ist Klimaschutz kein Thema ausschließlich für Mathematiker und Eliten, sondern für alle Teile der Gesellschaft.

Was halten Sie von den Schülerprotesten?

Ich finde es gut, wenn eine Generation laut auf ihre Bedürfnisse aufmerksam macht. Das kann auch mal an einem Freitagvormittag sein. Zur Bildung gehört schließlich auch ökologische Bildung. Wenn die Demos aber zur Dauereinrichtung werden, sollten sie besser am Freitagnachmittag stattfinden.

Der Erfolg des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ in Bayern hat die CSU kalt erwischt. Wie groß ist Ihr Nachholbedarf bei Umweltthemen?

Die CSU schützt die Bienen, aber auch die Bauern. Nur wenn es beiden gut geht, können wir eine nachhaltige Landwirtschaft und natürlich Lebensgrundlagen sicherstellen. In diesem Geist wollen wir mit den Bürgerinitiativen und den Landwirten zusammenarbeiten.

Sie haben in Kalifornien auch Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger getroffen. Was kann Deutschland vom Terminator lernen?

Arnold Schwarzenegger ist eine starke bürgerliche Stimme für mehr Nachhaltigkeit. Er hat Kalifornien zum Maßstab in Sachen Umwelt- und Naturschutz gemacht und gezeigt, wie man Ökonomie und Ökologie zusammenbringt.

Auf kalifornischen Highways gilt zum Beispiel ein striktes Tempolimit.

Das hat andere Gründe. Fakt ist: Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen trägt so gut wie gar nicht zur CO2-Reduzierung bei, bedeutet aber eine Beschränkung von Wirtschaft und Freiheit. Das ist Ideologie statt Ökologie. Viel sinnvoller ist die Entwicklung innovativer Antriebstechnologien.

Sie haben als Verkehrsminister vergeblich versucht, dem E-Auto zum Durchbruch zu verhelfen. Wann wird "Made in Germany" grün?

Stimmt nicht. Ich habe den Ausbau der Ladeinfrastruktur auf allen Autobahnen durchgesetzt, das E-Kennzeichen und damit die rechtlichen Grundlagen für Elektro- und Hybridfahrzeuge geschaffen und die steuerliche Privilegierung für die E-Dienstfahrzeuge verhandelt, die gerade jetzt für das Steigen der Verkaufszahlen mitverantwortlich ist. Jetzt müssen wir mit alternativen Antrieben unsere technologische Vorreiterschaft im Automobilsektor behaupten. Wir brauchen Lust auf Ökologie. Da ist in der Vergangenheit von der Auto-Industrie einiges verschlafen worden. Die Aufholjagd muss beginnen.

Warum hat ausgerechnet der kalifornische Autobauer Tesla den Elektroantrieb zum Weltschlager gemacht?

Da ist das Marketing besser als das Produkt. In Deutschland ist es - gerade bei ökologischen Themen - oft umgekehrt.

Bei der CDU und den Grünen trauern viele einer Jamaika-Koalition nach. Sie auch?

Das Scheitern von Jamaika war ein Ergebnis der Debatten der damaligen Zeit. Heute würden alle Beteiligten möglicherweise zu einem anderen Ergebnis kommen. Und es ist nicht auszuschließen, dass sich diese Frage auch irgendwann einmal wieder stellt.

Also wäre Jamaika eine Option, wenn die SPD die Groko verlässt?

Das ist eine unnötige Gespensterdebatte, die von der SPD losgetreten wurde. Mein Rat an die SPD lautet: Raus aus der Sinnkrise, zurück in den Regierungsmodus. Die CSU jedenfalls hat den festen Willen, bis 2021 in dieser Koalition erfolgreich zu regieren.

SPD-Finanzminister Olaf Scholz sagt, die fetten Jahre sind vorbei. Wo muss gespart werden?

Solche Aussagen sind brandgefährlich und das falsche Signal bei einer sich abschwächenden Wirtschaftslage. Gerade jetzt muss Politik gezielt Wachstumsimpulse setzen. Die SPD fordert stattdessen weitere Umverteilungsmaßnahmen. Wir brauchen aber keine Sozialstaatsdebatte sondern eine Wachstumsdebatte. Ein starker Sozialstaat ist dauerhaft nur leistbar, wenn es eine hohe Zahl von Beschäftigten und eine wachsende Wirtschaft gibt. Jetzt ist die Stunde der Wirtschaftskompetenz.

In der GroKo wird um Geld für den Haushalt 2020 gestritten. Wo muss aus Ihrer Sicht nachverhandelt werden?

Der Haushalt 2020 braucht Investitionen – in die Innovationen, in die Infrastruktur, in die Digitalisierung, in die Verteidigung. Das haben wir als CSU deutlich eingefordert. Wir müssen jetzt gezielt Impulse setzen, um die Konjunktur wieder zu dynamisieren. Dazu gehört auch der weitere Ausbau der Gigabit-Netze und des Mobilfunks, insbesondere in den weißen Flecken. Da, wo der Markt nicht funktioniert, müssen wir das staatlich anpacken mit einer neuen Infrastrukturgesellschaft Mobilfunk, die Funkmasten errichtet. Außerdem müssen wir in Deutschland Innovationsführerschaft übernehmen bei Zukunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz. Auch diese Aufgabe muss sich im Haushalt abbilden. Mit dem Vorschlag der SPD, bei der Grundrente keine Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen, würden wir zukünftig zusätzlich zehnmal so viel Geld in neue Sozialausgaben stecken wie in die Forschung an künstlicher Intelligenz. Das wäre keine Politik, die unseren Wohlstand für die Zukunft sichert.

Abgewickelt und eingestellt wird das einstige Zukunftsprojekt Airbus A380. War das eine richtige Entscheidung?

Die Gründung von Airbus war einer der mutigsten Schritte unserer Wirtschaftsgeschichte. Damals ging es darum, das Unmögliche möglich zu machen, ein wirtschaftspolitisches Leuchtturmprojekt zu starten und erfolgreich in den internationalen Wettbewerb einer Zukunftsbranche einzusteigen. Heute erleben wir im Flugverkehr ein Rekordwachstum. Damit gibt es Bedarf für große Passagierflugzeuge. Wenn der A380 trotzdem am Markt nicht zündet, dann wäre die richtige Antwort, das Flugzeug besser, noch moderner und ökologischer zu machen, um Akzeptanz herzustellen, anstatt es vom Markt zu nehmen. Das muss unser Anspruch sein in Europa. Ich bedauere die Entscheidung von Airbus ausdrücklich.

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12.03.2018, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz zeigen im Paul-Löbe-Haus den unterzeichneten Koalitionsvertrag. V.l. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles, Olaf Scholz, Angela Merkel, Horst Seehofer der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
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