Peter Ramsauer im Interview mit Jochen Spengler, Deutschlandfunk

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, glaubt, dass der Spielraum für die im Wahlprogramm verankerten Steuererleichterungen in Höhe von rund 15 Milliarden Euro in den nächsten Jahren vorhanden sei. Dies habe die jüngste Steuerschätzung ergeben.

Frage:
Geht es nach der Union, dann wird es in den kommenden vier Jahren unter ihrer Regentschaft zu Steuersenkungen kommen. Heute wird die Union ihr Regierungsprogramm für Deutschland verabschieden. Darin wird versprochen, den Eingangssteuersatz von 14 auf 12 Prozent zu senken und - Stichwort kalte Progression - den Steuersatzverlauf arbeitnehmerfreundlicher zu machen. - Am Telefon begrüße ich Peter Ramsauer, den Chef der CSU-Gruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Ramsauer.

Peter Ramsauer:
Guten Morgen!

Frage:
Die Zeitungskommentare sind eindeutig. Vor der Wahl versprechen die Unionsparteien Steuersenkungen und nachher wird der Bürger zur Kasse gebeten. Hat die Union nichts gelernt?

Peter Ramsauer:
Wir haben viel aus dieser Krise gelernt. Vor allen Dingen haben wir gelernt, dass wir umso besser aus dieser Krise herauskommen, je stärker wir jetzt in die Zukunft investieren, in die Zukunft in Form von mehr Bildungsausgaben, Forschungsausgaben, Infrastrukturausgaben, aber auch in Form von Steuersenkungen. Eine der besten Zukunftsinvestitionen ist, die Leistungsträger in unserer Gesellschaft, diejenigen, die den ganzen Kuchen erwirtschaften, der in unserem Land verteilt wird, sie zu motivieren, und dazu gehören Steuersenkungen. Unser Steuerkonzept beinhaltet für die Dauer der kommenden Legislaturperiode, die Steuererhöhungen durch die Hintertür - oder ein anderes Wort: kalte Progression - dem Steuerzahler zu erlassen. Das heißt, wenn wir umgekehrt nichts täten, gäbe es diese Steuererhöhungen. Den Spielraum dazu haben wir, das haben uns die Steuerschätzungen vor vier Wochen erwiesen.

Frage:
Herr Ramsauer, warum sollen wir Ihnen glauben? Auf die von Helmut Kohl versprochene Abschaffung des Soli warten wir heute noch.

Peter Ramsauer:
Das ist ganz einfach. Wir haben mit den Steuersenkungen ja schon begonnen. Wir machen das ja nicht nur nach der Bundestagswahl. Wir haben den ersten Schritt rückwirkend zum 1. Januar 2009 ja schon getan durch eine erste Absenkung der Einkommenssteuer. Der nächste Schritt erfolgt am 1. Januar 2010 in einem zweistelligen Milliardenumfang und da ist es nur logisch, dass wir in den Folgejahren mit dieser Absenkung weitermachen. Die ersten Schritte sind vor der Bundestagswahl bereits getan worden!

Frage:
Es wäre auch in Ihren Augen Wählerbetrug, wenn es dann am Ende keine Senkungen gäbe?

Peter Ramsauer:
Das wäre ein Nichteinhalten von Wahlversprechen, aber wie gesagt: Wir haben ja mit dem Absenken bereits begonnen und ich nehme jede Gelegenheit, darauf hinzuweisen, denn das wird gemeinhin immer verschwiegen.

Frage:
Sie haben begonnen, aber Sie wollen ja fortsetzen.

Peter Ramsauer:
So ist es.

Frage:
Und das Versprechen bezieht sich auf die Fortsetzung?

Peter Ramsauer:
Ja. Es ist ja eine ganz logische Entwicklung. Schauen Sie, wir hatten bis Ende letzten Jahres noch einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent. Der ist jetzt auf 14 bereits herunten. Wir haben jetzt schon den ganzen Tarifverlauf nach rechts verschoben. In diesen Tagen und Wochen erhalten die Bürger bereits die ersten Steuerrückzahlungen für die Absenkungen, die ja rückwirkend in Kraft getreten sind. Zum 1. Januar haben wir die nächsten Erleichterungen bei der Lohn- und Einkommenssteuer bereits beschlossen, das kommt fest auf uns zu, und die nächsten Schritte werden folgen.

Frage:
Sie wollten ja ein konkretes Darum als CSU nennen, die CDU nicht und die hat sich durchgesetzt. Wirkt das auf Sie nicht auch wie ein Hintertürchen, dass sich die Schwesterpartei da offenhält?

Peter Ramsauer:
Völlig klar ist, in welchen zwei großen Schritten wir bei dieser Steuerreform vorgehen werden. Wir werden als CSU Wert darauf legen, dies in der logischen Folge der Jahreszahlen fortzusetzen. Das heißt, so wie wir im Jahr 2009 den ersten Schritt getan haben, im Jahr 2010 den zweiten Schritt, möchten wir, dass wir in den Jahren 2011 und 2012 mit diesen weiteren beiden Schritten weitermachen.

Frage:
Und Sie werden diese niedrigere Einkommenssteuer nicht durch eine höhere Mehrwertsteuer finanzieren?

Peter Ramsauer:
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Frage:
Sie brauchen ja Geld!

Peter Ramsauer:
Wir haben klar gemacht, dass es für uns eine Mehrwertsteuererhöhung nicht gibt. Das war eine Diskussion in den letzten Tagen, die wie eine Phantomdiskussion vom Berliner Himmel gefallen ist. Noch mal zu den Steuerschätzungen von vor vier Wochen: Diese durchaus pessimistischen Schätzungen haben aber dennoch ergeben, dass wir im Jahr 2013 um fast 50 Milliarden Euro mehr gesamtstaatliche Steuereinnahmen haben werden, und diese zusätzlichen knapp 50 Milliarden wollen wir zu etwa einem Drittel dazu verwenden, die heimlichen Steuererhöhungen den Steuerbürgern zurückzugeben. Das heißt, der Spielraum für solche Steuersenkungen ist vorhanden.

Frage:
Wenn man denn sie auf Pump finanziert?

Peter Ramsauer:
Nein, sie werden nicht auf Pump finanziert. Ich habe gerade gesagt, wir werden höhere Steuereinnahmen haben im Jahr 2013, das heißt am Ende der nächsten Legislaturperiode, Geld, was zusätzlich den Bürgern abgenommen würde, davon bleibt ein Drittel in den Geldbeuteln der Steuerbürger drinnen.

Frage:
Bis zu diesem Zeitpunkt 2013 haben wir aber auch 300 Milliarden mehr neue Schulden.

Peter Ramsauer:
Diese Schulden sind in Zukunftsprojekte heute schon investiert beziehungsweise werden in den nächsten Jahren hineininvestiert. Wenn man sich betrachtet, was in den beiden Konjunkturpaketen I und II vorhanden ist, dann sind das echte Zukunftsinvestitionen.

Frage:
Herr Ramsauer, die Konjunkturpakete kennen wir. Ich möchte noch mal auf die Mehrwertsteuererhöhung, die ja nicht von einem Phantom, sondern von Herrn Oettinger in die Diskussion gebracht worden ist, zurückkommen. Ist Herr Oettinger der Ehrliche, oder ist er der Dumme? 

Peter Ramsauer:
Er war vor allem derjenige, der gestern bei diesen Programmgesprächen und Beschlüssen nicht da war, und diejenigen, die da waren, nämlich die beiden Parteivorstände von CSU und CDU, haben dieses Programm einstimmig beschlossen und dieses Programm lehnt Mehrwertsteuererhöhungen ab.

Frage:
Also ist er ehrlich oder dumm? 

Peter Ramsauer:
Da fragen Sie ihn am besten selbst.

Frage:
Machen wir. - Bezieht sich Ihr Versprechen "keine Steuererhöhungen", Herr Peter Peter Ramsauer, eigentlich auf alle Steuern? 

Peter Ramsauer:
Das steht so im Wahlprogramm drin und das bezieht sich natürlich generell auf alle Steuererhöhungen.

Frage:
Also keine höhere Mineralölsteuer, Tabaksteuer, Alkohol? 

Peter Ramsauer:
Das ist nicht vorgesehen, das steht so nicht drinnen und dabei bleibt es auch.

Frage:
Ich möchte noch einen anderen letzten Punkt ansprechen, Herr Ramsauer. Es gibt in der Großen Koalition Streit um das Wahlrecht. Das ist in seiner jetzigen Form verfassungswidrig, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. 

Peter Ramsauer:
Entschuldigung, es ist nicht verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat nur einige Punkte beanstandet. Das ist etwas anderes als Verfassungswidrigkeit.

Frage:
Aber es hat den Politikern Zeit gegeben, bis 2011 Korrekturen vorzunehmen. Jetzt sagt die SPD, wir würden es gerne vor der Wahl korrigieren, weil die Überhangmandatsregelung die Union bevorzugt. 

Peter Ramsauer:
Das Bundesverfassungsgericht hat noch mal nichts für verfassungswidrig erklärt, sondern vor allen Dingen die Frage der Überhangmandate beanstandet, und hat hinzugefügt, diese Überprüfung ist extrem kompliziert, und das Gericht hat uns als Gesetzgeber bis Ende 2010 Zeit gegeben, es zu korrigieren, hat also deutlich gesagt, ihr könnt mit der Korrektur über die Bundestagswahlen hinausgehen. Deswegen ist es verfassungsrechtlich vollkommen korrekt, dass die nächste Bundestagswahl auf der Basis des gegebenen Wahlrechts stattfindet.

Frage:
Letzte Frage. Wenn die SPD jetzt am Freitag für einen Antrag der Grünen stimmt und damit den Koalitionsvertrag bräche, welche Folgen hätte das? 

Peter Ramsauer:
Ich würde mir das als SPD sehr genau überlegen, denn mit einem solchen Schritt begäbe sich ja die SPD bereits knapp drei Monate vor der Bundestagswahl in die Opposition und müsste dann sozusagen aus der Opposition heraus die Bundestagswahl bestreiten. Ob ihr das zugute käme, ist die große Frage.

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