Gastbeitrag für "Straubinger Tagblatt"und "Landshuter Zeitung"

Deutschlands Wirtschaft befindet sich in der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die beschäftigungspolitischen Erfolge der vergangenen drei Jahre dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden. Um das Vertrauen der Verbraucher und der Investoren aufrecht zu erhalten, wird im Rahmen einer antizyklischen Wirtschafts- und Finanzpolitik alles getan, um einen Absturz in eine Depression zu verhindern.

Im Gegensatz zu früheren Einbrüchen stehen wir heute vor einem Nachfrageproblem – insbesondere bei den Ausfuhren, da unsere Wirtschaft in Folge der überdurchschnittlichen Exportabhängigkeit von der globalen Krise besonders getroffen wird. Im Mittelpunkt des neuen Pakets stehen entsprechend den Empfehlungen des Sachverständigenrats Maßnahmen zur Erhöhung öffentlicher Investitionen in Bildungs- und Infrastruktur einerseits und zur Erhöhung der privaten Kaufkraft im Wege einer nachhaltigen Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung andererseits. Der steuerpolitische Teil umfasst eine Erhöhung des Grundfreibetrags, eine Senkung des Einkommenssteuersatzes und eine Verschiebung des Tarifs nach rechts, ergänzt durch eine Senkung des GKV-Beitrags. In 2009 und 2010 führt dies insgesamt zu einer Entlastung der Bürger um 18 Milliarden Euro. Im Gegensatz zum Investitionsteil sind die Entlastungen dauerhaft angelegt.

Die kritischen Einwendungen gegen den steuerpolitischen Teil halten einer seriösen Prüfung nicht stand. Im Gegensatz zu öffentlichen Investitionen wirken Steuer- und Abgabenbelastungen sehr schnell. Entlastet werden vorrangig Gering- und Mittelverdiener, sodass sich das ohnehin überstrapazierte Problem der Verteilungsgerechtigkeit nicht stellt. Selbst wenn die Sparquote aus Vorsichts- und Angstmotiven auf 12 Prozent steigen sollte, stehen immer noch 88 Prozent des Entlastungsvolumens für den privaten Konsum zur Verfügung. Auch der Einwand, die Maßnahmen führten beim Einzelnen nur zu einer marginalen Entlastung, ist wenig überzeugend, denn makroökonomisch entscheidend ist das gesamte Entlastungsvolumen von gut 18 Milliarden. Und dies ist nun wirklich kein Pappenstiel.

Von einmaligen Impulsen mögen kurzfristig positive Effekte ausgehen. Sie führen jedoch meist zu einem bloßen Strohfeuer. Die überwiegende Mehrheit der Menschen richtet ihre effektive Nachfrage am dauerhaft erwarteten Gesamteinkommen aus. Deshalb ist nach meiner Überzeugung eine dauerhafte Rückführung der Steuer- und
Abgabenbelastung ein unverzichtbares, weil erfolgversprechendes Element zur Stärkung der Binnennachfrage.

Die Ökonomenzunft empfiehlt eine „konjunkturgerechte Wachstumspolitik“. Das heißt: eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die kurzfristig die Konjunktur stützt, aber darüberhinaus das Wachstumspotenzial von morgen stärkt. Diesen Anforderungen wird eine gezielte Rückführung der Steuer- und Abgabenbelastung gerecht, denn sie enthält sowohl angebots- als auch nachfrageorientierte Effekte. Niedrigere Steuern und Abgaben stärken die Kaufkraft und damit die Nachfrage. Sie verbessern aber auch gleichzeitig die Angebotsbedingungen, in dem sie die Leistungsanreize verbessern.

Steuer- und Abgabensenkungen sind aber auch unter Gerechtigkeitserwägungen erforderlich, weil vor allem die Gering- und Mittelverdiener den größten Teil der heimlichen, also der inflationsbedingen Steuererhöhungen, die in jedem Progressionstarif zwangsläufig auftreten, tragen müssen. Diese belaufen sich allein im Zeitraum 2006 bis 2009 auf knapp 20 Milliarden Euro. Mit den jetzigen Entlastungsbeschlüssen werden diese heimlichen Steuererhöhungen weitgehend zurückgegeben. Das Problem der so genannten kalten Progression wird dadurch spürbar entschärft. Nicht gelöst ist jedoch das Problem der „heißen Progression“, das heißt des überaus steilen Verlaufs des Tarifs im unteren Bereich. Mittelfristiges Ziel ist es, diesen „Mittelstandsbauch“ bzw. Tarifknick zumindest abzuflachen. Schon aus diesem Grund wird das Thema Steuerreform auf der politischen Agenda der nächsten Legislaturperiode bleiben.

Druckversion