Johannes Singhammer in Debatte: "Freiheit der Religionsausübung ist ein herausragendes Recht."

Die christlich-liberale Koalition hat im Bundestag mit dem Gesetz zur Personensorge bei der Beschneidung von Jungen sichergestellt, dass vor allem jüdisches Leben in Deutschland auch weiterhin unbeschwert möglich bleibt. Mit dem Gesetz wurde eine Lösung gefunden, die eine religiöse Beschneidung von Jungen, die medizinisch fachgerecht und ohne unnötige Schmerzen durchgeführt wird, grundsätzlich ermöglicht. Solange das Kind höchstens sechs Monate alt ist, können nicht nur Ärzte den Eingriff vornehmen, sondern auch ausgebildete Beschneider. Der Koalition und der unionsgeführten Bundesregierung ging es darum, mit hohem Respekt vor den Religionen und auf schnellstmögliche, besonnene und verantwortungsvolle Weise in dieser Frage Rechtssicherheit zu schaffen.

Wenn die Regeln der ärztlichen Kunst befolgt werden, im konkreten Einzelfall das Kindeswohl nicht gefährdet ist und wenn der Eingriff mit einer möglichst effektiven Schmerzbehandlung verbunden wird, dann ist eine Beschneidung von Jungen auch weiterhin erlaubt. Für zwei Religionsgemeinschaften ist die Beschneidung von zentraler religiöser Bedeutung. Im jüdischen Leben ist die Beschneidung ein bindendes Gebot von höchster Bedeutung. Die Beschneidung steht dabei symbolisch für den Bund zwischen Gott und dem jüdischen Volk. Im Islam gehört die Beschneidung zur Glaubensüberzeugung.

Gesetz zur Beschneidung ist eine in Gesetz gegossene Form der praktischen Toleranz

In den Beratungen ging es darum das Kindeswohl, das elterliche Erziehungsrecht und die Religionsfreiheit gegeneinander abzuwägen und miteinander zu vereinbaren. Für die CSU-Landesgruppe hat der stellv. Fraktionsvorsitzende Johannes Singhammer MdB die Entscheidung in der Debatte in einer zum Nachdenken anregenden Rede begründet: „In Deutschland leben viele Menschen, die von ihrer Religion geprägt sind und ihr Leben an ihren religiösen Überzeugungen ausrichten. Für andere in unserem Land spielen religiöse Überzeugungen eine geringe Rolle und manche lehnen religiöse Bekenntnisse ebenso ab wie jede Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft. Manche Menschen in Deutschland und Europa sind überrascht von der Wiederkehr des religiösen. Sie fühlen sich unerwartet von Religion konfrontiert, wo sie doch nicht mehr damit gerechnet haben, weil sie die Welt für säkularisiert und entzaubert gehalten haben. Doch jetzt merken viele Menschen, dass sich ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung über eine Beziehung zu Gott definiert“, erläuterte Johannes Singhammer und betonte: „Alle nur denkbaren Entscheidungen für oder gegen einen Glauben sind in unserem Land möglich und vom Grundgesetz garantiert. Mit dem Ergebnis: Was dem einen fremd erscheinen darf, darf der andere für einen unverzichtbaren Bestandteil seiner religiösen Identität und Heimat in Anspruch nehmen.“

Aus diesem Grund sei „die Freiheit der Religionsausübung ein herausragendes Recht“, so Singhammer. Grundsätzliche unterschiedliche Betrachtungsweisen und Überzeugungen ließen sich jedoch beim Thema Religion weniger durch sonst übliche Kompromisse auflösen: „Sie lassen sich besser durch Toleranz und Respekt bewältigen. Dabei nützt keine theoretische Toleranz, sondern nur die Fähigkeit zur praktischen Toleranz. Das Gesetz zur Beschneidung von Jungen ist eine in Gesetz gegossene Form der praktischen Toleranz“, unterstreicht der stellv. Fraktionsvorsitzende. 

Norbert Geis: Parlamentarische Beratung hat Debatte wesentlich versachlicht

Als Mitglied im Rechtsausschuss hat auch Norbert Geis MdB für die CSU-Landegruppe in der Debatte gesprochen und dabei ergänzend die parlamentarischen Beratungen des Themas gelobt. Sie habe ganz wesentlich zur Versachlichung der Debatte beigetragen.

 

Hintergrund:
Ein Urteil des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012 hat erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik die Rechtmäßigkeit von Beschneidungen aus religiösen Gründen angezweifelt. In diesem Urteil hatte das Gericht die Auffassung vertreten, bei der religiös begründeten, aber nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern vorgenommenen Beschneidung eines minderjährigen Jungen handele es sich um eine rechtswidrige Körperverletzung.

Der Bundestag hatte daraufhin mit Beschluss vom 19. Juli 2012 betont, dass jüdisches und religiöses Leben in Deutschland weiterhin möglich sein müsse. Das Parlament hatte die Bundesregierung mit breiter Mehrheit aufgefordert, "unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist".

Danach hatte auch der Deutsche Ethikrat am 23. August 2012 das Thema Beschneidung aufgegriffen. Einmütig empfahl das 27-köpfige Gremium, rechtliche Standards für eine Beschneidung minderjähriger Jungen aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen zu etablieren.

Auch wenn es sich bei der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen zumeist nicht um einen medizinisch erforderlichen Eingriff handelt, ist sie doch einer der weltweit am meisten durchgeführten chirurgischen Eingriffe. Gerade in den USA wird der Eingriff im Kindesalter häufig zur Förderung der Gesundheit vorgenommen. Es wird geschätzt, dass ca. ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung beschnitten ist.

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