Interview im ZDF-Morgenmagazin

Wolfgang Zöller ist gegen ein neues Gutachten zu den Gesundheitsreformkosten für die Länder. Die Verfasser der bisherigen zwei sollten die Differenz klären, meint Zöller im ZDF-Interview. Er vermutet, dass im letzten Gutachten der gesamte Risikostrukturausgleich mit einbezogen ist - und nicht nur die Mehrbelastung

Frage: Wenn eine Reform auf den Weg gebracht ist, und dann Gutachten nach Gutachten folgt, muss man da nicht wieder von vorne anfangen?

Zöller: Nein, aber die Art und Weise, wie momentan die Gutachten an die Öffentlichkeit gespielt werden, ist schon mehr als seltsam. Da hat man vor zwei Monaten vom Bundesversicherungsamt Zahlen errechnet, dann haben die Länder andere Zahlen dagegengestellt. Da wäre es eigentlich logisch gewesen, dass man die beiden an einen Tisch setzt und die sollen ihre Zahlen abgleichen. Dass man jetzt ausgerechnet zwei Tage vor der Bundesratssitzung ein neues Gutachten veröffentlicht, ist etwas verwunderlich, denn das hätte man garantiert auch schon ein paar Monate oder zwei, drei Wochen vorher veröffentlichen können.

Frage: Hier ist noch ein neues Schnellgutachten der Ministerin.

Zöller: Von diesem neuen Gutachten halte ich persönlich überhaupt nichts. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass man die Leute, die die zwei unterschiedlichen Gutachten verfasst haben, und zwar das vom Bundesversicherungsamt und die von den Ländern oder jetzt von dem Institut, an einen Tisch setzt. Dann kann man sehr schnell klären, welche Zahlen stimmen. Wie wollen wir sonst nämlich in die Fraktionen gehen? Da hebt doch niemand die Hand. Also muss es vorher geklärt werden. Ich glaube, das kann man nicht durch ein neues Gutachten klären, sondern da sollte man die zwei an einen Tisch setzen, damit sie klären können, warum sie zu unterschiedlichen Zahlen kommen.

Frage: Ist es nicht problematisch, in die Zukunft zu blicken, wenn so viele Variablen noch nicht bekannt sind?

Zöller: Die Variablen sind nicht so entscheidend, dass es eine Differenz zwischen 50 Millionen und 1,6 Milliarden sein kann. Wir wollen einen Risikostrukturausgleich, bei dem auch die Krankheiten mit eingebunden werden. Das kann man schon ziemlich abschätzen. Genauso kann man den Finanzausgleich abschätzen, der bisher bei 92 Prozent liegt. Der wird auf 100 Prozent hochgezogen. Das ist auch errechenbar. Ich habe die Befürchtung, dass das letzte Gutachten, das veröffentlicht wurde, einen Fehler hat, dass es nämlich den gesamten Risikostrukturausgleich, den Finanzausgleich, der bisher schon von den Ländern geleistet wird, mit einbezogen hat, und nicht nur die Mehrbelastung. Wir müssen ja über die Mehrbelastung sprechen. . .

Frage: . . . die ja auch gedeckelt ist.

Zöller: Ganz genau, und es kann doch niemand annehmen, dass jetzt der Ausgleich, der jetzt schon zwischen den Kassen gezahlt wird, plötzlich außen vor bleibt. Es geht also nur um die Mehrbelastung. Ich habe die Befürchtung, dass die nicht nur die Mehrbelastung, sondern die bisherige Belastung mitgerechnet haben.

Frage: Wie ist intern die Stimmung?

Zöller: Wenn Sie als Verhandlungsführer oder als Verhandlungsteilnehmer jeden Tag von außen mit neuen Zahlen bombardiert werden - und wir sind ja gerade dabei, dass wir versuchen wollen, die Anregungen aus der Anhörung, die Anregungen vom Bundesrat umzusetzen -, ist es mehr als störend, was hier momentan in der Öffentlichkeit läuft.

Frage: Stoiber gehört ein weiteres Mal zu den Kritikern der Reformpläne. Warum eigentlich, denn er war doch bei den Verhandlungen dabei?

Zöller: Da muss man natürlich die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass zwei Tage vor der Bundesratssitzung eine Zahl von 1,6 Milliarden verkündet wurde, und nicht, wie vom Ministerium gesagt, 36 Millionen für Bayern, und gleichzeitig das Bundesversicherungsamt gesagt hat, diese Schutzklausel, die Bayern eingebracht hat, sei nicht umsetzbar. Da kann ich verstehen, dass sie da in Bayern nervös werden.

Frage: Wie groß ist die Sorge, dass die Gesundheitsreform noch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken kippen kann?

Zöller: Im Rechtsausschuss sind die Fragen zusammengestellt worden. Bundesjustizministerium, auch das Innenministerium, das Finanzministerium sind eingeschaltet worden, um genau dazu Stellung zu nehmen, ob das alles verfassungsgemäß ist. Ich gehe davon aus, dass die Fragen positiv beantwortet werden.

Frage: Für wie wahrscheinlich halten Sie es noch, dass die Gesundheitsreform am 1. April 2007 in Kraft tritt?

Zöller: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, wenn die Zahlen der Gutachten sauber analysiert werden.

Die Fragen stellte Cherno Jobatey

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