Dr. Peter Ramsauer im Interview mit Beate Tenfelde, Neue Osnabrücker Zeitung

Frage:
Herr Dr. Ramsauer, Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein hat nach der CDU-Wahlschlappe in Hessen gefordert, die CSU müsse ihr soziales Profil schärfen. Richtig?

Dr. Ramsauer:
Ich sehe keinerlei Korrekturbedarf beim Kurs der CSU. Ganz im Gegenteil: Die Ergebnisse von Wiesbaden und Hannover sind für mich der Hinweis, dass sich das bürgerliche Lager in der Union nicht hinreichend wiederfindet. Man muss sehen, dass auch die CDU in Niedersachsen erhebliche Verluste hinnehmen musste - zwar ohne dass wie in Hessen direkt der Boden durchbrach. Für die Union stellt sich daher die Frage: Wie gehen wir mit unseren Leistungsträgern um? Bei den Themen Abgaben und Besteuerung - ganz konkret bei der Erbschaftsteuerreform - werden wir umso härter Kurs halten müssen, damit wir dem bürgerlichen Lager eine klare politische Perspektive geben.

Frage:
Bei der Erbschaftsteuer muss es doch zum Koalitionskrach kommen. Die CSU lehnt die Regelungen für die Betriebsnachfolge strikt ab...

Dr. Ramsauer:
Ganz klar: Die CSU ist nicht zufrieden. Aber auch wenn sich noch wichtige Sachpositionen schwer vereinbar gegenüberstehen, erwarte ich keinen großen Krach. Wir haben ein geordnetes Verfahren, in dem bis zur 1. Lesung des Gesetzes im Bundestag am 15. Februar die eigentliche Hauptarbeit jetzt der Bundesrat leisten muss. Die CSU hat ihre Kritikpunkte in einem von Bayern gestellten, von anderen Ländern unterstützten Antrag an die Länderkammer klar formuliert. Wesentlichen Nachbesserungsbedarf sehen wir bei den Regelungen für die Betriebsnachfolge. Eine weitestgehende Erbschaftsteuer-Befreiung für Familienunternehmen und die Landwirtschaft ist von ganz, ganz großer Bedeutung. Da bewegt sich noch was - dafür steht die CSU ein.

Frage:
Innerhalb der Union bürstet die CSU gegen den Strich, weil sie auf rasche Steuersenkung drängt...

Dr. Ramsauer:
Ich bin dafür, Geringverdiener zu entlasten, sofern es die Haushaltslage erlaubt. Auf der Grundlage des Existenzminimumberichts, der im September kommen soll, werden wir zum 1. 1. 2009 zu einer Korrektur bei den Kinderfreibeträgen kommen. Politisch ist damit eine Erhöhung des Kindergeldes verbunden. Ich könnte mir vorstellen, dass man in dem Zusammenhang prüft, ob man über die Erhöhung der Kinderfreibeträge hinaus auch schon zu einer ersten leichten Anhebung des Grundfreibetrages kommt. Damit schafft man einen ersten Einstieg in eine Entlastung der unteren Einkommensschichten.

Frage:
Ihr Parteikollege, der Münchner Bundesratsminister Markus Söder, sagt, dass die CSU jetzt auch offen sei für Bündnisse mit den Grünen. Sehen Sie das auch so?

Dr. Ramsauer:
Ich frage mich, ob er hier für die bayerische Staatsregierung spricht. Ich halte von Bündnissen mit den Grünen gar nichts - so wie sie sich heute darstellen. Auf ihrem letzten Parteitag haben sie ein 60-Milliarden-Sozialprogramm und die Abkehr von einer pragmatischen Außenpolitik beschlossen. Solche Grüne halte ich auf ganz lange Dauer für uns als Union für koalitionsunfähig.

Frage:
Stichwort Außenpolitik: Verteidigungsminister Franz Josef Jung wünscht von den Bundesbürgern mehr Unterstützung für die Soldaten im Afghanistan-Einsatz. Heißt das auch, dass Bundesbürger Kampfeinsätze gutheißen?

Dr. Ramsauer:
Ich bin vorsichtig mit dem Gebrauch des Begriffes Kampfeinsatz. Die Anforderung der NATO, zusätzlich 250 Soldaten für eine Schnelle Eingreiftruppe bereitzustellen, ist vom derzeitigen Afghanistan-Mandat des Bundestages gedeckt. Durch den hemmungslosen Gebrauch des Begriffs Kampfeinsatz wird von interessierter Seite, besonders von den Linken, ganz bewusst und vorsätzlich der falsche Eindruck erweckt, Deutschland würde einen offenen Krieg führen wollen.

Frage:
Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck benutzt den Begriff Kampfeinsatz...

Dr. Ramsauer:
Auch innerhalb der Koalition gibt es den politisch unfairen Versuch, den Eindruck zu erwecken, dass die Regierung Merkel Deutschland immer mehr in einen Krieg in Afghanistan hineinzieht. Gegen diesen politischen Unterschleif wehre ich mich mit Händen und Füßen. Allerdings richtet die NATO noch höhere Erwartungen an Deutschland. Noch wesentlich mehr Kräfte sind erforderlich, um die von den Taliban befreiten Gebiete in Afghanistan auch zu halten. Aber wir müssen bei alldem immer klar vor Augen haben, dass wir uns solche Auslandseinsätze nur in dem Maße leisten können, wie wir die Unterstützung der deutschen Bevölkerung haben. Wenn es einmal einen Riss gibt, wenn uns die Bürger nicht mehr folgen, dann können wir einpacken.

Frage:
Sie kommen gerade aus Brüssel: Ist die EU-Kommission beim Thema CO2-Reduzierung empfänglich für den Einwand aus Berlin, dass die deutsche Automobilindustrie benachteiligt wird?

Dr. Ramsauer:
Es ist ein ausgesprochen schwieriger Prozess, hier Überzeugungsarbeit zu leisten, dies gilt selbst für deutsche EU-Spitzenbeamte. Im Vergleich zu dem, was die EU-Kommission den Deutschen an einseitiger Belastung ursprünglich zumuten wollte, sind wir auf einem guten Weg zu einem gangbaren Kompromiss. Zeitlich gestreckte, sanftere Übergänge bei den CO2-Vorgaben und geringere Strafzahlungen eröffnen der deutschen Automobilwirtschaft nun Spielräume. Aber es waren knallharte Verhandlungen nötig.

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