Interview im ARD-Morgenmagazin

Johannes Singhammer plädiert im ARD-Interview für ein Anreizsystem zu vorbeugenden Kinderuntersuchungen. Zwar sei Kinderschutz Ländersache; jedoch dürfe der Bund nichts unterlassen, was dem Kinderschutz dient

Frage: Die Bundesregierung debattiert über das schwierige Problem des Kinderschutzes. Was kann der Bundestag überhaupt tun, denn Kindesschutz ist überwiegend Ländersache?
 
Singhammer: Er ist Ländersache, es ist aber klar, es darf nicht an Kompetenzgerangel scheitern. Ziel ist, Bund, Länder und Kommunen zusammenzubringen. Wir werden ein 37-Punkte-Programm verabschieden, das zum Ziel hat, dass alle zusammen ein Netz für Kinder knüpfen.
 
Frage: Aber umsetzen müssen es die Länder und vor allem und die Kommunen.
 
Singhammer: Umsetzen müssen es die Länder und Kommunen, aber auch der Bund kann einiges an Rahmenbedingungen verbessern. Er darf nichts unterlassen, was dem Kinderschutz dient und die Sache besser machen kann.
 
Frage: Wenn man sich anschaut, was diskutiert wird, kommt heraus, verpflichtende, vorbeugende Kinderuntersuchungen. Ist das wirklich das Mittel?
 
Singhammer: Es sind eine Vielzahl von Maßnahmen. Ich glaube, es gibt keinen Königsweg. Wichtig ist zunächst mal, die Familien zu stärken – intakte und starke Familien sind der beste Kinderschutz – dann alle Behörden, alle mit Kindern Beschäftigte an einen Tisch zu bringen, letztendlich dann die Vorsorgeuntersuchungen zu verbessern, weiter zu entwickeln. Das heißt, dass diese Vorsorgeuntersuchungen auch so konzipiert werden, dass man genau hinschaut, gibt es irgendwas was in Richtung auf Kindesvernachlässigung deutet und die Versuchungsintervalle etwas verdichtet und letztlich Maßnahmen ergreift, damit wirklich alle Eltern diese geschenkte, bezahlte Untersuchung für die Kinder auch wahrnehmen.
 
Frage: Muss hier Zwang eingeführt werden oder reicht es, wenn man an die Eltern appelliert?
 
Singhammer: Wir schlagen ein Anreizsystem vor. Es soll den Eltern ein Bonus gegeben werden, damit sie alle ihre Kinder hinschicken. Darüber hinaus haben die Länder die Möglichkeit, auch Verpflichtungen auszusprechen. Das hat beispielsweise Bayern schon getan und arbeitet auch mit einem Verpflichtungs-Anreiz-System. Da gibt es Landeserziehungsgeld nur, wenn auch der Nachweis der Untersuchungen erfolgt.
 
Frage: SPD-Vorsitzender Kurt Beck hat gestern angeregt, man möge den Kinderschutz ins Grundgesetz einfügen. Würden Sie dem zustimmen wollen?
 
Singhammer: Es kommt vor allem darauf an, dass wir konkrete Hilfe anbieten. Die Frage ist, nützt es, wenn wir im Grundgesetz Kinderrechte verankern, nützt es den Kindern, die vielleicht in einer ganz schwierigen, gefährlichen Situation sind? Darüber kann man diskutieren. Wir wollen heute vor allem konkrete Maßnahmen beschließen. Das ist jetzt notwendig.
 
Frage: War das jetzt eine ausweichende Antwort?
 
Singhammer: Es ist eine ausweichende Antwort, weil wir vermeiden müssen, nur mit Anträgen, die eine gewisse Richtung signalisieren, den Eindruck zu erwecken, wir hätten damit das Problem gelöst. Das Problem lösen wir dann, wenn wir die Jugendämter gut ausstatten, die Eltern ertüchtigen, die Elternkompetenz steigern. Das ist wichtiger als im Grundgesetz einen neuen Artikel zu verankern.
 
Die Fragen stellte Werner Sonne
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