Dr. Peter Ramsauer im Interview mit Alexander Kain und Ernst Fuchs, Passauer Neue Presse

„Die Bremsfaktoren für die CSU werden schwächer“, stellt Landesgruppenchef Peter Ramsauer fest. Er geht davon aus, dass seine Partei ihr Ergebnis der Europawahl von 48 Prozent bei der Bundestagswahl weiter steigern kann.

Frage:
Es gibt Affären-Gerüchte um Horst Seehofer. Alle sind beunruhigt. Sie auch?

Ramsauer:
Ich betreibe seriöse Politik. Wenn die Boulevard-Presse unseriöse Behauptungen in die Welt setzt, beteilige ich mich nicht daran. An diese Linie halte ich mich konsequent.

Frage:
Das entspricht der Linie von Herrn Seehofer, der sagt, dass er dazu nichts sagt.

Ramsauer:
Und dieser Linie schließt sich der stellvertretende Parteivorsitzende und Landesgruppenchef Peter Ramsauer vollumfänglich an.

Frage:
Glauben Sie, dass das Schweigen durchhaltbar ist?

Ramsauer:
Es ist leider Bestandteil der deutschen Medienkultur, dass solche Themen gespielt werden. Echte Medienkultur wäre indes, wenn man Gerüchte Gerüchte sein ließe. Weder Politiker noch Journalisten sollten über jedes Stöckchen springen, das ihnen vom Boulevard hingehalten wird.

Frage:
Sie sind CSU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl. Hat Ihnen die Europawahl Rückenwind gegeben? Und mit welchem Ergebnis rechnen Sie? 2005 waren es 49 Prozent, etwa so viel wie jetzt bei der Europawahl. Ist das das Potenzial?

Ramsauer:
Unser Potenzial liegt viel höher. Wir wissen, warum wir 2005 das Potenzial nicht ausschöpfen konnten, was uns in den letzten vier Jahren runtergezogen hat. Ich muss jetzt keine Namen nennen. 2009 haben wir über die Europa- und Bundestagswahl hinweg einen großen Wahlkampf angelegt, weil man die Themen nicht mit dem Seziermesser voneinander trennen kann. Der Türkeibeitritt etwa war nicht nur bei der Europawahl Thema, sondern wird es auch bei der Bundestagswahl sein. Der Wahlkampf 2009 hat drei Stufen: Bundespräsidentenwahl - Europawahl - Bundestagswahl. Bei den ersten beiden Wahlen haben wir die Zielmarken zu 100 Prozent erreicht. Das ist ein enormer Motivationsschub für die Partei - und die halbe Miete für die Bundestags-wahl. Das Wahlergebnis von 48 Prozent bei der Europawahl ist ein guter Zwischenschritt – aber ausbaufähig. Ich setze da vor allem auf die, die beim letzten Mal nicht wählen gegangen sind.

Frage:
Was macht Sie optimistisch?

Ramsauer:
Die CSU hat 48 Prozent trotz der Bremsfaktoren erreicht, die es da und dort gab. Aber diese Bremsfaktoren lassen nach.

Frage:
Beispiel?

Ramsauer:
Wir haben in der Landwirtschaft die schwierigste Gemengelage, die es je gab. Aber wir rackern und kämpfen für die bäuerliche Landwirtschaft. Das merken mittlerweile auch Bauernverband und BDM. Obwohl wir nicht überall das erreichen können, was die Landwirte zu Recht gerne hätten, sind wir doch der entschlossenste Anwalt der bäuerlichen Familienbetriebe. Ein anderer Bremsfaktor war das Gesundheitswesen. So unterschiedlich die Interessen von Haus- und Fachärzten sein mögen – alle merken, dass wir den negativen Auswirkungen der von SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zu verantwortenden Reform mit aller Kraft entgegensteuern und das in Ordnung bringen wollen. Die Anti-CSU-Haltung bei Stammwählern wie den Landwirten und Multiplikatoren wie Ärzten lässt Monat für
Monat nach. Außerdem entfalten einige Projekte, die ganz klar die Handschrift der CSU tragen, nach und nach ihre Wirkung: Höheres Kindergeld und –freibetrag sowie Lohn- und Einkommensteuersenkung zum Jahresbeginn, niedrigerer Arbeitslosen- und Krankenversicherungsbeitrag, Rückerstattung bei der Pendlerpauschale, Rentenerhöhung zur Jahresmitte. Und mit dem Bürgerentlastungsgesetz, das wir vor der Sommerpause noch auf den Weg bringen, tut sich noch etwas.

Frage:
Also 52 + X für die CSU?

Ramsauer:
Ich bin gegen Übertreibung und jeden Ansatz von Übermut. Aber ich glaube, dass wir auf das Ergebnis der Europawahl schon noch mal ein Tüpfelchen drauflegen können.

Frage:
Entscheidend wird das Unionswahlprogramm. Tritt die CSU nach dem Europawahlergebnis wieder kraftvoller auf? Ist man wieder wer?

Ramsauer:
Die CDU blickt mit großem Respekt auf das CSU Wahlergebnis. Ihr ist klar geworden, dass man nur mit klarer bürgerlicher Politik, die auch die Stammwähler anspricht, die eigene politische Zukunft sichert. Die CDU ist in den ganzen Programmgesprächen deutlich auf die CSU zugegangen. Es zeigt sich immer wieder, dass auch innerhalb der CDU die CSU die Stammwähler am besten anspricht.

Frage:
Was haben Sie der CDU am Sonntag Abend so alles reinverhandelt?

Ramsauer:
Bei der Gesundheitspolitik war bereits in Vorverhandlungen alles in unserem Sinne geregelt worden. Im Hinblick auf Landwirtschaft haben wir ein deutlicheres Zeichen setzen können: Im Hinblick auf die weltwirtschaftliche Entwicklung muss es zu einer Überprüfung der EU-Milchmengenpolitik kommen. Der Strukturwandel muss sauber abgesichert sein, in erster Linie durch Europa. Aber wir müssen natürlich dafür kämpfen, dass wir uns nationale Freiräume erhalten. Auch die steuerliche Erleichterung beim Agrardiesel ist allein der CSU zu verdanken. Es ist uns gelungen, bei der Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer so starke Senkungen festzuschreiben, dass es für die Dauer der nächsten Legislaturperiode faktisch keine kalte Progression geben wird. Davon wird vor allem der bürgerliche Mittelstand profitieren - die Leistungsträger, diejenigen, die den ganzen Karren ziehen, die rackern und sich an die Regeln halten. Auch bei der Mehrwertsteuer ist die CDU auf unseren Kurs eingeschwenkt. Offen ist noch die Erbschaftssteuer, wo wir uns gut vorstellen können, dass die Bundesländer selbst entscheiden. Aber hier schießen noch einige CDU-Ministerpräsidenten quer, die befürchten, dass sie den Wettbewerb nicht bestehen würden und sich das Kapital in Richtung Bayern in Bewegung setzt. Das muss noch geklärt werden.

Frage:
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, erwartet 2010 fünf Millionen Arbeitslose. Muss man das in Kauf nehmen oder kann man dies abbremsen?

Ramsauer:
Dieser Experte hat sich auch schon oft geirrt. Ich halte nichts von diesen Horrormeldungen. Wir haben alles Erforderliche gemacht, was konjunkturpolitisch verantwortbar und haushaltspolitisch verkraftbar ist. Ich warne eindringlich vor einem dritten Konjunkturpaket. Vieles vom ersten Konjunkturpaket beginnt gerade erst zu wirken. Und der Kern des zweiten Konjunkturpakets hat sich noch gar nicht entfaltet, das wird erst in den kommenden Monaten geschehen. Das führt soweit, dass in der Baubranche sogar Überhitzungen drohen. Bei der Kurzarbeit haben wir mit einer Verlängerung auf 24 Monate getan, was verantwortbar ist – zumal der Arbeitsmarkt bisher erstaunlich robust ist. „Die Grünen haben das ThemaÖkologie von uns gestohlen“

Frage:
Über welche Koalitionen muss man sich nach der Bundestagswahl Gedanken machen?

Ramsauer:
Ich setze schwer auf Schwarz-Gelb. Sollte das nicht reichen, kann man vieles nicht ausschließen. Deshalb warne ich die potenziellen Unionswähler ausdrücklich vor einer Leihstimme für die FDP. Denn wenn sich die FDP zum Steigbügelhalter einer Ampel macht, verhelfen sie damit der SPD mit grüner Begleitung ins Kanzleramt. Außerdem nehmen die Hemmnisse in der SPD gegen eine Koalition mit den Linken rasant ab. Wer heute SPD wählt, muss sich klar darüber sein, dass er sich mittelfristig Rot-Rot-Grün einhandelt.
Ich schließe nicht einmal aus, dass die SPD dafür sogar während der Legislaturperiode eine Koalition mit der FDP oder eine Große Koalition unter einem Vorwand platzen lassen würde.

Frage:
Ist eine Koalition mit den Grünen für Sie eine Phantomdiskussion oder eine Option?

Ramsauer:
Wenn es um Ökologie geht, braucht niemand die Grünen – das Bewahren der Schöpfung, nachhaltiges Wirtschaften und der Einklang von Ökonomie und Ökologie ist Markenkern von CDU und CSU. Den haben sich die Grünen Ende der 70er Jahre von uns gestohlen, weil wir das Thema damals zu wenig beachtet haben. Das ändert aber nichts daran, dass dies eines unserer Grundanliegen ist. Auseinandersetzen werden wir uns dort, wo es um gesellschaftspolitische Inhalte geht, die für uns Gift sind. Etwa die zügellose Einwanderungspolitik der Grünen, die Abkehr von christlich-abendländischen Werten und stattdessen die Hinwendung zu Multikulti.

Frage:
Eine Koalition mit den Grünen schließen Sie aus?

Ramsauer:
Ja.

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