Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt vor dem Koalitionsgipfel im Interview mit FOCUS Online

Vor dem Treffen des Koalitionsausschusses am 4. November 2012 spricht die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt über den anstehenden Gipfel, die bisherige Bilanz der christlich-liberalen Koalition und warum die Koalition den Bundesrat trotz rot/grüner-Totalblockade nicht aus der gemeinsamen Verantwortung für die Steuerpolitik entlassen kann. Das Interview führte Martina Fietz (FOCUS online).

Focus Online: Wie wichtig ist für die CSU, dass am Sonntag im Koalitionsausschuss endgültig grünes Licht für das Betreuungsgeld gegeben wird?

Gerda Hasselfeldt: Wir haben innerhalb der christlich-liberalen Koalition bereits ausführlich und intensiv über das Betreuungsgeld debattiert. Im Übrigen haben wir es auch schon bei einem der vergangenen Treffen des Koalitionsausschusses gemeinsam mit anderen Themen beschlossen. Jetzt wird es höchste Zeit, dass es auch umgesetzt wird. Ich vertraue auf die Aussage des Fraktionsvorsitzenden der FDP, Rainer Brüderle, der gesagt hat, die FDP sei vertragstreu. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir am Sonntag beim Betreuungsgeld grünes Licht haben werden.

Focus Online: Welche Elemente werden damit verbunden sein? Barauszahlung, Renten-Vorsorge plus Bildungssparen?

Gerda Hasselfeldt: Wir sind vom Betreuungsgeld überzeugt, da es Entscheidungsfreiheit für junge Familien möglich macht. Daran muss sich alles Weitere messen. Der Kompromiss, den wir innerhalb der Union finden konnten, sieht eine Barauszahlung oder eine Möglichkeit für das Riester-Sparen vor. Ob es zusätzliche Komponenten gibt, wird die Diskussion am Sonntag zeigen.

Focus Online: Wie sehr haben die Eskapaden der FDP bei diesem Thema Ihre Geduld auf die Probe gestellt?

Gerda Hasselfeldt: In der Tat, manches erschwert die Arbeit innerhalb der Koalition. Das Thema bindet unnötig Kräfte, dabei ist das Betreuungsgeld bereits von der Regierung im Kabinett beschlossen und dann im parlamentarischen Verfahren ergänzt worden. Die FDP war zu den abschließenden Beratungen in der Unionsfraktion eingeladen, hat dies aber nicht wahrgenommen. Dennoch: Am Ende zählt das Ergebnis und das wird ein gutes sein.

Focus Online: Die Union erklärt, auch nach der Bundestagwahl 2013 die Koalition mit der FDP fortsetzen zu wollen. Glauben Sie ernsthaft, das ist für Wähler ein attraktives Angebot?

Gerda Hasselfeldt: Die Wähler werden sich die Bilanz anschauen: Seit der Wiedervereinigung mussten noch nie so wenige Menschen unter Arbeitslosigkeit leiden, die Beschäftigtenzahl ist auf Rekordhoch, die Konjunktur ist trotz des schwierigen Umfelds der europäischen Staatsschuldenkrise stabil, wir haben viele weitreichende Entscheidungen für Europa richtig getroffen und was nun ansteht, ist auch lösbar. Wir regieren erfolgreich, den Menschen in Deutschland geht es gut. Das sollte bei allen kontroversen Debatten nicht vergessen werden. Außerdem sind die inhaltlichen Schnittmengen mit der FDP größer als mit jeder anderen Partei. Nach meinem Geschmack könnte vieles deutlich schneller und geräuschärmer gehen. Die FDP ist allerdings in einer besonderen Situation, bei der ich durchaus Verständnis für eine gewisse Nervosität aufbringe. Da braucht es Geduld.

Focus Online: Geduld vor allem mit FDP-Chef Rösler?

Gerda Hasselfeldt: Ich werde mich nicht in parteiinterne Angelegenheiten der FDP einmischen.

Focus Online: Welches Signal muss vom Koalitionsgipfel am Sonntag ausgehen?

Gerda Hasselfeldt: Diese Koalition handelt geschlossen und bringt auch weiter gute Ergebnisse.

Focus Online: Was erwarten Sie: Wird die Praxisgebühr fallen?

Gerda Hasselfeldt: Hier können sie exemplarisch ablesen: Dass wir ein Polster bei den Renten- und Krankenversicherungen haben, ist ebenfalls ein Ergebnis guter Politik der vergangenen Jahre. Die Praxisgebühr wurde als eine Form der Eigenbeteiligung der Versicherten eingeführt, durchaus mit steuernder Wirkung. Daher halte ich die Praxisgebühr durchaus für sinnvoll und ich meine wir sollten am Prinzip der Eigenbeteiligung nicht grundsätzlich rütteln. Stattdessen wollen wir in diesen guten Zeiten den Versicherten einen Teil ihrer Beiträge über Beitragssenkungen zurückgeben. Die Beitragszahler haben mehr eingezahlt als nötig, deshalb ist aus meiner Sicht die richtige Konsequenz, den Beitragssatz zu senken. Für beide Beides gibt es Vor- und Nachteile.

Focus Online: Müssen sich die Frauen in der Union endgültig darauf einstellen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine Anerkennung der Erziehungszeiten für Frauen, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, geben wird?

Gerda Hasselfeldt: Uns in der CSU geht es vor allem auch um Versicherungszeiten von Frauen, die Kinder erzogen haben und deshalb eine geringere Rente bekommen. Es liegen zur Rente mehrere Vorschläge auf dem Tisch, unter anderem die Zuschussrente von Frau von der Leyen. Die Gruppe der Arbeitnehmer in der Union hat eine Rente nach Mindesteinkommen vorgeschlagen, die jungen Kollegen wollen die eigene Rentenvorsorge ausbauen. Wir werden im Koalitionsausschuss über all dies sprechen.

Focus Online: Aber rund sechs Milliarden jährlich, die die Anerkennung der Erziehungszeiten mindestens kostet, sind nicht zu finanzieren.

Gerda Hasselfeldt: Möglich sind hier auch Teillösungen.

Focus Online: Die Koalition hat sich die Abflachung des Mittelstandsbauchs zum Ziel gesetzt. Wenn Rot-Grün weiter über den Bundesrat blockiert, ist mit anderen Entlastungen der Bürger zu rechnen?

Gerda Hasselfeldt: In der Steuerpolitik tragen Bundestag und Bundesrat gemeinsam Verantwortung und wir können Rot/Grün nicht überall aus dieser Verantwortung entlassen. Die SPD stellt sich mit der Totalblockade des Abbaus der Kalten Progression gegen die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Es ist wirklich abstrus, dass ausgerechnet die Parteien, die stets und sehr laut das Soziale im Munde führen, den Menschen immer mehr von ihrem hart erarbeiteten Geld wegnehmen wollen. Gibt die SPD im Bundesrat ihre Blockade auf, können inflationsbedingte Steuermehreinnahmen in zwei Schritten, zum 1. Januar 2013 und zum 1. Januar 2014, an die Bürger zurückgegeben werden. Wir könnten damit die Menschen am Ende um sechs Milliarden Euro entlasten. Das wäre ein großer Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit.

Focus Online: Ist eine Senkung des Soli denkbar?

Gerda Hasselfeldt: Dabei wäre das Problem des Mittelstandsbauchs und der kalten Progression nicht gelöst. Was wir brauchen sind Steueränderungen, die zu mehr Gerechtigkeit für kleine und mittlere Einkommen führen.

Focus Online: Sollte der Koalitionsausschuss öfter tagen?

Gerda Hasselfeldt: Volker Kauder, Rainer Brüderle und ich treffen uns jeden Dienstagmorgen einer Sitzungswoche und besprechen alle wichtigen Themen. Wir arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen. Insofern halte ich einen engeren Takt des Koalitionsausschusses nicht zwingend für nötig.

Druckversion