Dr. Peter Ramsauer im Gespräch mit Bettina Jehne, Reutlinger General-Anzeiger, über Farbenspiele und die Krise des Koalitionspartners

»Ohne die CSU geht in Berlin nichts«, wird Peter Ramsauer auf einer Homepage der Christsozialen zitiert. Als Landesgruppenchef sorgt der 54-jährige Vater von vier Töchtern seit Herbst 2005 höchstselbst dafür, dass die Kraft der »kleinen Schwester der CDU« an der Spree auch genügend gewürdigt wird. Doch was geht überhaupt noch, seit die Parteienlandschaft durch die Wahlerfolge der Linken gründlich durcheinandergewirbelt worden ist? In der Großen Koalition wird gestritten, Hessen liegt lahm, auch die CSU schwächelt.

GEA:
Herr Ramsauer, in Hechingen durfte man Sie jüngst als Redner auf einem Starkbierfest erleben. Worüber plaudern Sie bei einer solchen Festivität besonders gern?

Peter Ramsauer:
Ich plaudere gern aus dem Nähkästchen. Und da sind die Leute immer bass erstaunt, wenn ich erzähle, warum ich mit Peter Struck von der SPD so gut zusammenarbeite. Als ich angefangen habe vor 18 Jahren, damals noch als einfacher Bundestagsabgeordneter, bin ich gleichzeitig in die Abgeordneten-Fußballmannschaft eingestiegen. Ich war im Tor, Peter Struck der Vorstopper. Und zwischen Torwart und Vorstopper gibt es ja bekanntermaßen immer ein ausgesprochenes Vertrauensverhältnis. Das ist bis heute geblieben.

GEA:
Die SPD ist allerdings ziemlich angeschlagen. Empfinden Sie etwas Mitleid mit dem Koalitionspartner?

Ramsauer:
Mitleid wäre alles andere als angebracht. Die SPD ist nicht ganz un-schuldig an ihrem Dilemma. Anstatt sich radikal von den Linken abzugrenzen und sie politisch auszugrenzen, hat die SPD die Zusammenarbeit mit der Linksparteigesucht. Ich sage dazu: auf die abschüssige Bahn gekommen, ausgerutscht und auf die Nase gefallen.

GEA:
Was raten Sie Roland Koch in Hessen?

Ramsauer:
Nerven bewahren, das Land vor einer linken Regierung bewahren, versuchen, kurzfristig eine unionsgeführte parlamentarische Mehrheit zustande zu bringen. Wenn das nicht gelingt, muss er die Möglichkeit der hessischen Landesverfassung nützen und solange im Amt bleiben, bis sich andere Lösungen auftun.»Wir hätten nochstärker mahnen müssen vor der Linken«Die Linke hat die Menschen eingesammelt, bei denen der Aufschwung nicht ankam.

GEA:
Hat da auch die Union etwas übersehen?

Ramsauer:
Sicher. Wir hätten noch stärker mahnen müssen vor der Linken. Und wir hätten die Themen stärker aufgreifen müssen, bei denen jetzt die Linken Fragen aufwerfen. Soziale Notlagen etwa, Probleme, die die Globalisierung hervorbringt. Das Bekenntnis, dass ein sozial Schwacher nicht am Wegrand liegen bleiben darf - trotz aller weltwirtschaftlicher Verflechtungen -, das müssen wir mehr in den Vordergrund rücken. Und es dürfen nicht nur Bekenntnisse sein, es müssen auch Taten folgen.

GEA:
Bundestagswahl 2009: Welche Farbenspiele sind für Sie denkbar?

Ramsauer:
Wenn es zu keiner absoluten Mehrheit kommt, dann wäre für die CSU und sicher auch die CDU die Wunsch-Konstellation Schwarz-Gelb. Was völlig ausgeschlossen ist: ein Bündnis unter Beteiligung der Linken. Was ich heute nicht ausschließen kann, ist eine Neu-Auflage der Großen Koalition. Was ich nach Lage der Dinge für ausgeschlossen halte - aus jetziger Sicht und bei der jetzigen programmatischen Beschaffenheit- ist eine Koalition aus Union und Grünen oder auch zusammen mit der FDP, also eine Jamaika-Koalition.

GEA:
Finden Sie es in Ordnung, dass FDP-Chef Guido Westerwelle die Treue zur Union aufgekündigt hat?

Ramsauer:
Ich habe ein gewisses Verständnis. Solange wie heute war die FDP noch nie in der Opposition. Von Westerwelle wird erwartet, dass er die FDP in die Regierungsverantwortung führt. So, wie sich die Parteienkonstellationen gerade wandeln, bekommt er natürlich Schwierigkeiten, wenn er sich völlig einseitig auf ein Bündnis mit der Union festlegt. Sein Bekenntnis zur Union ist genauso wie unseres im Hinblick auf die FDP zu sehen: Wir wollen eine bürgerliche Mehrheit. Aber es ergibt sich aus den Ergebnissen von Wahlen vielleicht eine Lage, in der nichts anderes übrigbleibt, als auch nach anderen Partnern zuschauen.

GEA:
In Bayern hat die CSU bei den Kommunalwahlen nicht ganz so glanzvoll angeschnitten. Woran lag’s?

Ramsauer:
Man muss immer schauen, in welchem Umfeld die vorhergehenden Wahlen stattgefunden haben. 2002, da war der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber gerade als Kanzlerkandidat ausgerufen worden und es herrschte eine extreme anti-rot-grüne Stimmung. Das hat uns damals begünstigt - auch beider Landtagswahl, wo die CSU auf über60 Prozent kam. Die Wahlergebnisse vom März liegen in der Größenordnung von 1990. Aber natürlich war das Ergebnis auch die Aufforderung, unsere Politik zu verbessern und besser zu erläutern.

GEA:
Was sagen Sie zur Lockerung des Rauchverbots? Soll das bei der Landtagswahl im September der CSU zu einem besseren Ergebnis verhelfen?

Ramsauer:
Das sind landespolitische Dinge, in die ich mich als Bundespolitiker der CSU ungern einmische. Aber ich warne vor der Einschätzung, dass die Frage »Rauchen oder nicht im Bierzelt«der entscheidende Grund für das nichtganz so glanzvolle Abschneiden bei den Kommunalwahlen war.

GEA:
Vermissen Sie Edmund Stoiber?

Ramsauer:
Ja, ganz klar. Aber die CSU würde einen schweren Fehler machen, jetzt nachzutrauern und das Rad zurückdrehen zu wollen. Sondern sie wird Wahlen nur gewinnen, wenn sie tatkräftig nach vorne schaut. Aber daran haben ich bei unserem neuen Führungsduo Günther Beckstein und Erwin Huber nicht den geringsten Zweifel.

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