Gerda Hasselfeldt im Interview mit dem Bayernkurier

Für die CSU-Landesgruppenvorsitzende sind neben der Bewältigung der EU-Staatsschuldenkrise eine weiterhin stabile wirtschaftliche Entwicklung und die Energiewende von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Landes. Beim Betreuungsgeld betont Gerda Hasselfeldt die Geschlossenheit der Union: Eine staatlich vorgegebene Betreuung von der Wiege bis zum Pflegeheim halte in der Fraktion niemand für eine gute Idee.

Bayernkurier:
Einerseits gehört die CSU als (letzte echte) Volkspartei sicher zu den Stabilitätsankern von Koalition und Regierung. Arithmetisch hat die Koalition ohne die CSU keine Mehrheit. Andererseits beschleicht uns zum Beispiel beim Betreuungsgeld das Gefühl, dass CDU und FDP die CSU manchmal gern marginalisieren würden. Haben Sie manchmal dasselbe Gefühl?

Gerda Hasselfeldt:
Nein, definitiv nicht. Die CSU-Landesgruppe ist an allen Entscheidungen und Beratungen innerhalb der Koalition und auch im Bundestag maßgeblich beteiligt und gibt oft genug die Richtung vor. Beim Betreuungsgeld steht die Unionsfraktion insgesamt sehr geschlossen da, man darf einzelne Stimmen nicht mit der Meinung der Gesamtfraktion verwechseln. Wir haben in der Union dasselbe moderne Familienbild. Eine staatlich vorgegebene Betreuung von der Wiege bis zum Pflegeheim hält in der Unionsfraktion niemand für eine gute Idee. Man darf sich auch nicht kleiner reden oder schreiben als man ist. Tatsache ist doch: die CSU-Landesgruppe ist stark und breit aufgestellt. Wir haben 44 direkt gewählte Abgeordnete, die tief verwurzelt in ihren Wahlkreisen Politik für Bayern in Berlin machen. An uns kommt keiner vorbei.

Gerda Hasselfeldt im Interview
Foto: David Ausserhofer

Bayernkurier:
Ist die Bundestags-CSU gut gerüstet für das letzte Jahr der Legislaturperiode? Welche großen Themen kommen noch aufs Tapet - abgesehen von der Eurorettung?

Gerda Hasselfeldt:
Auch wenn viele wünschten, mit einer einzelnen Entscheidung, mit einem einzelnen Beschluss wären alle Fragen nach der Stabilität des Euro geklärt: So wird es nicht sein. Das Thema Euro wird uns in den kommenden Wochen und auch in den kommenden Jahren weiterhin beschäftigen. Dabei werden wir uns wie bisher bei jeder Detailfrage gegen Tendenzen stemmen, die zu einer Haftungsunion führen würden. Wir werden alles daran setzen, angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa und weltweit, den Kurs unserer erfolgreichen Wirtschafts- und Sozialpolitik zu halten. Uns geht es um die Menschen in unserem Land und darum, dass die Menschen Arbeit haben. Deshalb ist solide Politik mit Augenmaß gefragt, denn die Stabilität des Euro hängt maßgeblich mit der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands zusammen. Darüber hinaus steht die Umsetzung der Energiewende weiterhin auf der Tagesordnung. Bis Ende des Jahres wird der Deutsche Bundestag den Netzausbauplan verabschieden. Die Opposition blockiert aus parteitaktischem Kalkül einen der wichtigsten Bausteine der Energiewende: die energetische Gebäudesanierung. Hier wird wertvolle Zeit vertan. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Stärkung der Infrastruktur mit Verkehr und Breitband – gerade im ländlichen Raum. Anfang des Jahres haben die Regierungsfraktionen die Projektgruppe „Ländlicher Raum“ eingesetzt. Mittlerweile liegt der Abschlussbericht mit vielen wertvollen Vorschlägen vor, die wir nun umsetzen werden.

Bayernkurier:
Wie stark ist in den letzten Wochen der Vorwahlkampf schon durchgeschlagen? Ist sachorientiertes Arbeiten, etwa mit der Opposition, überhaupt noch möglich, oder geht es mittlerweile hauptsächlich bei Allem um den Öffentlichkeits-Effekt?

Gerda Hasselfeldt:
Bei den verschiedenen Treffen im Kanzleramt zum ESM- und Fiskalpakt haben wir mit der Opposition zielführend und in der Sache diskutiert. Allerdings empfand ich es als sehr unglücklich, wie die SPD mit ihren kategorischen öffentlichen Forderungen zum Wachstumspakt die deutsche Verhandlungspositionen in Europa geschwächt hat. Entscheidend war jedoch, dass wir die von der Opposition geforderten schuldenfinanzierten Ausgaben-Programme verhindert haben. Klar ist, dass die SPD auf Zeit gespielt hat und ihre Zustimmung inszeniert hat. Ungut war das Beharren der Grünen auf einen Schuldentilgungsfonds, der nichts anderes ist als eine Vergemeinschaftung von Haftung und somit letztlich ein Angriff auf deutsche Steuergelder. Die Grünen haben ihr wahres Gesicht gezeigt und bewiesen, dass sie keinerlei Staatsräson besitzen und dass sie lieber das hart erarbeitete Geld deutscher Arbeitnehmer in ein Fass ohne Boden schütten als es zu schützen.

Bayernkurier:
Wir denken gerade an die Obstruktionstaktik der Opposition vor drei Wochen, als die rot-rot-grünen Abgeordneten feixend an der Tür stehenblieben und die Sitzung aufgehoben wurde - war das mutmaßlich nur Wahlkampf, wollte Rot-Rot-Grün "nur" die CSU blamieren, oder steckte noch etwas anderes dahinter?

Gerda Hasselfeldt:
Ja, das war in der Tat ein Tiefpunkt parlamentarischen Handelns. Es war beschämend, dass die Opposition mit Geschäftsordnungstricks eine wichtige familienpolitische Debatte im Bundestag verhindert hat. Seit Wochen hatten SPD und Grüne in Talkshows eine Kampagne geführt und dann im Bundestag die Diskussion verweigert. Unabhängig davon, welche Ansichten man in der Familienpolitik vertritt, muss es möglich sein, diese im gewählten Parlament auszutauschen. Wer das Wesen der Demokratie so mit Füßen tritt, disqualifiziert sich für die Aufgabe als Abgeordneter.

Bayernkurier:
Mit dem Abstand einiger Wochen bewertet: Gehören solche Dreistigkeiten eigentlich zur mehr oder weniger legitimen Trickkiste von Fraktions-Geschäftsführern der Opposition oder ist das schon ein besonderer Affront?

Gerda Hasselfeldt:
Aus meiner Sicht war das schon eine einmalige Sache. Ich bin nun seit 25 Jahren Abgeordnete im Deutschen Bundestag und habe ein solch erbärmliches Spiel noch nie erlebt. Die Opposition war auf den schnellen Effekt aus und hat damit in unhaltbarer Weise dem Ansehen der Politik und des Parlaments geschadet. Wer auch nur ein bisschen Anstand im Leibe hat, wird den Deutschen Bundestag nicht noch einmal derartig beschädigen. Das haben die Menschen nicht verdient.

Bayernkurier:
Früher hieß es immer, mindestens bis zum Wahlkampf sollte das Regierungshandeln möglichst geräuscharm erfolgen, ohne Reibungsverluste. Doch nun gibt es doch erhebliche Nebengeräusche – nicht nur, dass alle durcheinanderreden. Auch die Abstimmung, das interne Management innerhalb der Koalition, zwischen den Ministerien sowie zwischen Bund und Ländern lässt offensichtlich erheblich zu wünschen übrig...

Gerda Hasselfeldt:
Streit in den eigenen Reihen lässt sich immer besser vermarkten als geräuschlose, solide Politik. Das muss man wissen und da sollte man sich auch nicht von greller Berichterstattung in die Irre führen lassen. Manche – auch Politiker – befeuern ja gerne Streitereien, um sie für eigene Interessen zu nutzen. Aus meinem Bereich kann ich jedoch sagen, dass die Abstimmungen mit meinen Kollegen Volker Kauder und Rainer Brüderle reibungslos, offen und ehrlich verlaufen. Wir treffen uns mindestens einmal pro Woche und schlagen Pflöcke ein für die parlamentarische Arbeit innerhalb der Koalition. Man sollte wirklich nicht alles schlecht reden. Immerhin steht Deutschland wirtschaftlich sehr stark da: Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten, wir sind stärker aus der Finanzmarktkrise hervorgegangen als wir hineingegangen sind. Dank des Sparpakets und einer positiven Entwicklung der Steuereinnahmen sind wir bei der Haushaltskonsolidierung ein entscheidendes Stück vorangekommen. Der Bund wird voraussichtlich schon 2013 die Vorgaben der Schuldenbremse mit einem maximalen strukturellen Defizit von 0,35 Prozent des BIP einhalten. Das sind alles positive Zahlen und Fakten, die das Ergebnis von guter Politik der christlich-liberalen Koalition ist. 

Bayernkurier:
Wenn wir schon mal den Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2013 wagen: Wird das eine große Richtungsentscheidung - christlich-freiheitliche Bürgerlichkeit hier gegen links-staatsgläubigen Interventionismus dort? Oder sind - wie viele Kommentatoren meinen - die Unterschiede zwischen den Parteien so stark abgeschliffen, dass nur noch Nuancen entscheiden?

Gerda Hasselfeldt:
Entscheidend ist, dass die CSU in Bayern und für den Bund mit einem starken Ergebnis aus den Wahlen hervorgeht. Das ist unser erstes und wichtigstes Ziel. Die CSU war immer dann stark, wenn wir uns gemeinsam auf den politischen Gegner konzentriert haben, wenn wir geschlossen marschiert sind und wenn wir uns nicht gegenseitig das Leben schwer gemacht haben. Die christlich-liberale Regierung hat trotz aller Hindernisse solide regiert und die richtigen Weichen gestellt. Grundlage unserer Politik ist die christliche Wertorientierung. Dazu gehört die Orientierung an der Familie, dazu gehört Wahlfreiheit ohne staatliche Bevormundung, dazu gehört eine solide Wirtschaftspolitik, die auch den Einzelnen nicht aus dem Auge verliert, dazu gehört eine Steuerpolitik, die nicht nach dem Geld der Menschen greift, um es umzuverteilen, dazu gehört eine strikte Sicherheitspolitik, die wehrhaft ist gegen rechtsextremen, linksextremen und islamistischen Terror, dazu gehört eine gute Portion an Bürgerlichkeit – alles Eigenschaften, die unserem politischen Gegner abgehen. 

Im Gespräch mit Gerda Hasselfeldt
Foto: Henning Schacht

Bayernkurier:
Hofft die Union nach den eher chaotischen Erfahrungen mit der FDP heimlich wieder auf eine Große Koalition mit der SPD, wie manchmal zu lesen ist?

Gerda Hasselfeldt:
Eine Große Koalition ist immer eine Ausnahme. Das sollte sie weiterhin bleiben. Wir wollen auch über den Herbst 2013 hinaus eine bürgerliche Perspektive bieten. Angesichts der Ergebnisse in der Wirtschafts- und Sozialpolitik muss jeder zugeben, dass unsere christlich-liberale Koalition sehr erfolgreich ist. Deutschland ist ein Hort der Stabilität und des Wachstums in Europa. Das möchte ich jedem ins Bewusstsein rufen. Denn viel zu oft wird nur auf die strittigen Themen geschaut. Für Wahlen gilt natürlich: Jeder muss für sich selbst ein optimales Ergebnis anstreben.

Bayernkurier:
Meinen Sie, dass wir noch in dieser Legislatur die Dauer-Peinlichkeit der Nicht-Einigung bei der Vorratsdatenspeicherung vom Tisch kriegen? Die FDP-Bundesjustizministerin kommt den deutschen Steuerzahler ja sehr teuer zu stehen mittlerweile, nachdem die EU Klage erhoben hat wegen Vertragsverletzung...

Gerda Hasselfeldt:
Offenbar ist Frau Leutheusser-Schnarrenberger bereit dazu, mutwillig Steuergelder zu verschleudern. Allerdings wären die Bußgelder frühestens nach der Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofs im kommenden Jahr fällig. Es ist unerträglich, dass die Ministerin immer noch kein Gesetz vorlegt, das der EU-Richtlinie entspricht. Hier geht es nicht um einen Konflikt zwischen dem Justiz- und dem Innenressort, sondern um einen Konflikt der Bundesjustizministerin mit dem EU-Recht. Von jedem Bürger erwarten wir Rechtstreue, das gilt umso mehr für die zuständige Ministerin. Für Strafverfolgungsbehörden ist die Vorratsdatenspeicherung unverzichtbar. Es geht darum, die Menschen in unserem Lande gegen Kriminelle zu schützen, da dürfen wir nicht wackeln.

Bayernkurier:
Was droht Deutschland, wenn es tatsächlich zu Rot-Grün kommt? Eurobonds? Claudia Roth als Außenministerin, Jürgen Trittin als Finanzminister?

Gerda Hasselfeldt:
Die Opposition macht es sich leicht. Wäre es nach Rot-Grün gegangen, hätte Griechenland ohne Auflagen Hilfsmittel erhalten, in Europa gäbe es Eurobonds und einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds. Unsere Sparer und Steuerzahler müssten das finanzieren und im Gegenzug hier in Deutschland Verzicht leisten. Die christlich-liberale Koalition verteidigt die Bürger vor dem ungehinderten Zugriff durch die Schuldenstaaten. Und wir schützen sie vor dem ungehinderten Zugriff von Rot-Grün auf ihre Portemonnaies. Die von Rot-Grün geplanten Steuererhöhungen sind keine Antwort auf die Krise. Sie entspringen dem allgegenwärtigen Glauben an die höhere Weisheit des Staates. Dieser Irrglaube wird auch in der Debatte um das Betreuungsgeld deutlich: Nach Rot-Grün kann offenbar keiner Kinder besser erziehen als der Staat. Das ist ein unerträgliches Misstrauensvotum gegen Eltern. Bei Rot-Grün gibt es den Hang zu staatlicher Bevormundung, den Hang, Menschen in die Taschen zu greifen und das Ergriffene nach eigenem Gutdünken zu verteilen. Die Menschen wissen aber selbst am besten, was gut für sie ist. Wir werden alles tun, damit unsere Bürger weiter die Freiheit haben, selbst zu entscheiden.

Bayernkurier:
Wie kommen wir aus der Euro-Krise heraus? Warum ist die CSU ebenso wie Bundeskanzlerin Merkel so entschieden gegen Eurobonds?

Gerda Hasselfeldt:
Deutschland muss seine Interessen gegen zwei Seiten verteidigen: Gegen Rot-Grün zu Hause und die von Frankreichs sozialistischem Präsidenten angeführte europäische Allianz von Krisenländern. Eine Gemeinschaftshaftung durch Eurobonds würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik in den Schuldenstaaten völlig untergraben. Und uns, die wir solide gewirtschaftet haben, würden sie höhere Zinsen bescheren. Das wäre ein Verrat an deutschen Steuerzahlern. Daher lehnen wir Eurobonds entschieden ab. Die Verabschiedung des Gesetzespakets zum Fiskalvertrag und zum Rettungsschirm ESM durch Bundestag und Bundesrat stellt ein starkes Signal für Europa dar. Beide Verträge zusammen schaffen die Grundlage für eine dauerhafte Stabilitätsarchitektur im Euroraum. Dies durchgesetzt zu haben, ist ein großer Erfolg der unionsgeführten Bundesregierung und der christlich-liberalen Koalition. Wir tun dies für die Sparer und Steuerzahler in Deutschland.

Bayernkurier:
Wo liegen die Grenzen der deutschen Solidarität?

Gerda Hasselfeldt:
Deutschland hat wie kein anderes Land der Wirtschaftskrise getrotzt und ist ein Stabilitätsanker in Europa. Wir haben bereits einen erheblichen Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet. Jetzt kommt es darauf an, dass jedes Land seine Hausaufgaben macht. So wie die Menschen in Deutschland und die Politik der letzten Jahre ihre Hausaufgaben gemacht haben, während woanders noch Party gefeiert wurde. Wer Finanzhilfen in Anspruch nehmen möchte, muss konsequent seine Haushalte konsolidieren, Strukturreformen durchführen und Wachstum ermöglichen. Es ist niemandem geholfen, wenn man den Schwachen hilft, aber die Starken dadurch schwächt. Wir lassen nicht zu, dass die hart erarbeitete wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands überfordert wird.

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