Fremde Federn: Johannes Singhammer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Die Ehe ist für Johannes Singhammer, familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, immer noch das Leitbild und Fundament der Familie. Dabei ist er offen für Veränderungen: Familiensplitting, Unterhaltsrecht, Betreuung und Wahlfreiheit sind Stichworte einer Debatte, die er mitgestalten will.

Nach Regionen und Zeiträumen unterschiedlich werden bis zu sechzig Prozent aller Kinder in den neuen Bundesländern nichtehelich geboren, die Halbwertzeiten von Ehen sinken. Patchwork-Familien gelten manchen als zeitgeistgemäß und zukunftsträchtig. Konservative Familienpolitiker werden bedrängt: wann sie denn endlich gedächten, sich den neuen Wirklichkeiten anzupassen und ihre angebliche Verzopftheit aufzugeben.
Aber lautstarke Wiederholungen schaffen keinen neuen Erkenntnisgewinn, und anpasserisches Nachvollziehen von "Realitäten" führt zum Verzicht auf Gestaltung und politische Prägekraft. Die Höchststrafe in der Politik, der Entzug von Wählerstimmen, droht den Parteien nicht so sehr, weil sie die Wirklichkeiten verleugneten, sondern sie nicht überzeugend die Richtung bestimmen. Deutschland muss Leitbilder formulieren.
 
Die Ehe als Leitbild und Fundament der Familie bedeutet, dass sich Eltern zu ihrer Verantwortung bekennen und ihren Kindern Geborgenheit und Orientierung geben. Verheiratete übernehmen eine besondere Verpflichtung für ihren Ehepartner. Ein solches Leitbild ist klar und diskriminiert ebenso wenig wie Artikel 6 des Grundgesetzes ("Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung") andere Lebensformen. Das Bekenntnis zu diesem Leitbild schließt die besondere Solidarität zum Beispiel mit Alleinerziehenden und ihren schwierigen Lebensumständen ausdrücklich ein.
 
Dieses Leitbild wirkt in den anstehenden Entscheidungen zur Familienpolitik wie ein Kompass:
 
Das Ehegattensplitting steht nicht zur Disposition. Als Ausdruck der Wahlfreiheit ermöglicht das Ehegattensplitting den Ehegatten die freie persönliche Entscheidung darüber, ob nun ein Ehepartner einen möglichst hohen Beitrag zum Familieneinkommen erwirtschaften will oder ob beide sich sowohl Haushalt als auch Erwerbstätigkeit teilen wollen, ohne dass eine ertragsteuerliche Schlechterstellung zu befürchten ist. Eine Erweiterung des Ehegattensplittings in Richtung eines Familiensplittings, so wie es in Frankreich seit Jahrzehnten mit Erfolg gehandhabt wird, ist nichts Schlechtes. Allerdings muss das Familiensplitting an die Ehe gekoppelt bleiben. Würde Familiensplitting ausschließlich an die Voraussetzung geknüpft werden, dass Kinder in einer wie auch immer zusammengesetzten Erwerbsgemeinschaft leben, dann wäre die Nivellierung des Ehegattenprivilegs vollendet. Genau hier werden die Wurzeln einer C-Partei offengelegt, Rütteln gilt nicht. Das immer wieder dagegen verwendete Argument des Kindeswohls überzeugt hier nicht. Selbstverständlich müssen Kinder gleich gerecht, unabhängig vom Trauschein ihrer Eltern, gefördert werden. Dafür gibt es aber eine Reihe bewährter Instrumente. Das Kindergeld etwa wird unabhängig vom Vorliegen eines Trauscheines den Erziehungsberechtigten gezahlt. Wem das Kindeswohl am Herzen liegt, der also sollte nicht eine längere Durststrecke bei Kindergelderhöhung oder gar eine Kürzung des Kindergeldes verlangen.
 
Bei der anstehenden Novelle des Unterhaltsrechts darf eine zuvor lange bestehende Ehe nicht nachträglich zugunsten einer neuen Beziehung einschneidend entwertet werden. Geschiedene, kindererziehende frühere Ehepartner dürfen ihren Unterhaltsanspruch nicht zur Hälfte verlieren, wie dies ein Entwurf des Justizressorts gerade vorsieht. Der Aufbau der notwendigen Betreuungseinrichtungen darf nicht in die Wahlfreiheit der Eltern eingreifen, wie sie ihre Kinder betreuen und erziehen wollen. Die Eltern, die sich für die Einverdienerfamilie im traditionellen Sinn entschieden haben, offen oder versteckt finanziell zu benachteiligen wäre höchst ungerecht. Die Unionsfraktion hat deshalb 2006 darauf bestanden, die deutlich erhöhten steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Kinderbetreuung auch der Einverdienerfamilie zu gewähren, und zwar auch als Anerkennung für diese Lebensentscheidung.
 
Generell gilt: Durch die Halbierung der Geburtenzahlen der Deutschen seit 1964, den Prozess des dynamischen Aussterbens, haben alle öffentlichen Haushalte einen Konsolidierungsbeitrag erhalten. Allein für die vorschulische Betreuung schätzt das Deutsche Jugendinstitut die Einsparungen der Kommunen auf 3,6 Milliarden Euro jährlich von 2010 an. Familienpolitiker brauchen deshalb nicht mit gebeugtem Kopf mehr Geld für die Familien zu erbetteln, sondern können verlangen, was Eltern und Kinder schon früher hatten.
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