Gerda Hasselfeldt im Interview mit dem Bayernkurier

Bayernkurier:
Ist mit Einrichtung des Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) – plakativ gefragt – die Euro-Krise erledigt? Oder dürfen wir bald wieder über Hilfspakete für Griechenland diskutieren?

Gerda Hasselfeldt:
Die Krise in der Eurozone hat ihre Ursache in der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit und Haushaltsdisziplin einiger Mitgliedsländer. Hilfen aus den Eurorettungsschirmen verschaffen den Empfängerländern Zeit, um dringend notwendige Strukturreformen umzusetzen. Hilfen beseitigen aber nicht die Ursachen der Krise. Diese müssen die Länder selbst angehen – indem sie ihre öffentlichen Finanzen sanieren und die Strukturen in Wirtschaft und Verwaltung reformieren. Für uns steht fest: Finanzhilfen aus den Rettungsschirmen müssen stets an Konditionen geknüpft und befristet sein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Länder Hilfen aus den Rettungsschirmen in Anspruch nehmen müssen. Ich warne aber vor Spekulationen. Dies gilt auch im Fall Griechenland. Wir stehen zu unseren Zusagen, aber auch zu unseren strikten Vorgaben. Griechenland muss die von der Troika festgelegten Konditionen einhalten.

Bayernkurier:
Ist der Spruch des Verfassungsgerichtes nicht eine Bestätigung der klassischen CSU-Position „Solidarität ja, Überforderung nein“ – nur mit anderen Worten?

Gerda Hasselfeldt:
Das Bundesverfassungsgericht hat den von uns eingeschlagenen Kurs in vollem Umfang bestätigt. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro für Deutschland. Gleichzeitig hat das Gericht die herausgehobene Verantwortung und Stellung des Gesetzgebers bei haushaltsrelevanten Entscheidungen sowie bei den Informationsrechten noch einmal hervorgehoben.

Bayernkurier:
Der Beschluss der EZB, unbegrenzt Euro-Staatsanleihen aufzukaufen, sorgt für große Aufregung. Muss da nicht die Bundesregierung als größter Anteilseigner dagegen einschreiten, damit nicht die Inflationsgefahr wächst?

Gerda Hasselfeldt:
Wir stehen zur gerade von Deutschland hart erkämpften Unabhängigkeit der EZB – auch bei Entscheidungen, die uns im ersten Moment Unbehagen bereiten. Anleihekäufe sollen nur dann erfolgen, wenn sich das betreffende Land unter einen Rettungsschirm begeben hat. Um Inflation vorzubeugen, hat die EZB Anleihekäufe stets durch eine Reduzierung der Geldmenge neutralisiert. So lag die Inflationsrate seit der Einführung des Euro durchschnittlich unter derjenigen zu Zeiten der D-Mark. Angesichts der Rolle der EZB bei der Eurostabilisierung und mit Blick auf ihre künftige Tätigkeit bei der Bankenaufsicht plädiere ich aber generell dafür, das Gewicht der Mitgliedstaaten mit den größten Kapitalanteilen innerhalb der EZB zu stärken. Nach den derzeitigen Entscheidungsstrukturen sind die Geberländer der Eurorettungsschirme stets in der Minderheit.

Bayernkurier:
Müssen die Märkte diese EZB-Ankündigung nicht in der Art falsch verstehen, dass unsere Geldpolitik nur noch vom Maximal-Ausstoß der Gelddruckmaschinen bestimmt wird?

Gerda Hasselfeldt:
Die Ankündigung der EZB ist keine Lizenz zum Gelddrucken. Entscheidend sind für mich drei Punkte: Erstens, ein Eingreifen der EZB setzt ein Hilfsprogramm mit den damit verbundenen Auflagen voraus. Zweitens, die EZB will, wenn überhaupt, nur Anleihen mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren kaufen. Dies hält den Reformdruck auf die betroffenen Staaten aufrecht. Drittens, der Deutsche Bundestag hat auch nach der Ankündigung der EZB das letzte Wort über Hilfen für Eurostaaten.

Bayernkurier:
Die Landesgruppe hat ein neues Europa-Papier vorgelegt. Bedeutet das Papier einen neuen Europakurs der CSU oder eine Bestätigung des bisherigen?

Gerda Hasselfeldt:
Unser Europapapier ist ein Diskussionspapier, das anknüpft an die Beschlüsse der vergangenen Klausurtagung in Kreuth. Neben der aktuellen Krisenbewältigung geht es uns darum, an einer weiteren Perspektive für die Europäische Union mitzuwirken. So muss mittelfristig etwa die Rolle der Kommission reformiert und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt werden. Außerdem gilt es die Regelungsdichte auf europäischer Ebene zu reduzieren. In einigen Bereichen wie etwa im Umwelt- und Verbraucherschutz können meines Erachtens Kompetenzen auf die Nationalstaaten rückübertragen werden. Grundsätzlich wollen wir, dass die deutsche Stabilitätskultur ein Vorbild für Europa ist. Das gelingt nur, wenn wir unsere Führungsrolle in Europa wahrnehmen – und zwar konstruktiv, nicht destruktiv. Die CSU soll prägende Kraft in Europa bleiben.

Druckversion