Gastbeitrag von Hartmut Koschyk für den Tagesspiegel

Erst vor wenigen Tagen hat die Integrationsstudie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung einige bestürzende Ergebnisse geliefert. Danach zeigen sich insbesondere im Bereich der türkischen Zuwanderer - aber auch bei einigen anderen Gruppen - gravierende Integrationsdefizite. Demgegenüber sind Aussiedler und Spätaussiedler bei ihren Integrationsbemühungen offenbar deutlich erfolgreicher. Jenseits der Frage nach den Gründen und Konsequenzen dieses Befunds ist schon der von der Studie gewählte Ansatz von Interesse: Es wurden nicht nur Menschen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit betrachtet, sondern darüber hinaus auch Deutsche mit Migrationshintergrund. Dies war nur deshalb möglich, weil die Daten des so genannten Mikrozensus - eine Art „kleiner Volkszählung“ - seit 2005 eine Identifikation der Personen mit Migrationshintergrund ermöglichen.

Die Betrachtung des Migrationshintergrundes jenseits der schlichten Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit ist notwendig, weil der Besitz des deutschen Passes nicht zwingend etwas über den Grad der Integration aussagt. So erhalten in Deutschland geborene Kinder von Ausländern seit dem 1. Januar 2000 neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern zunächst auch die deutsche Staatsangehörigkeit, unabhängig von der Erfüllung irgendwelcher „Integrationskriterien“. Die Integrationsstudie des Berlin-Instituts zeigt aber gerade bei türkischstämmigen Zuwanderern gravierende Integrationsdefizite auch in der Generation der in Deutschland Geborenen. Würde die Studie nur nach der Staatsangehörigkeit unterscheiden, blieben diese wichtigen, aufrüttelnden Erkenntnisse verborgen.

Eine sachgerechte Analyse des Ist-Standes bei der Integration ist auf eine aussagekräftige Datengrundlage angewiesen. Mit gutem Grund hat die Bundesregierung bereits im Sommer 2008 die Notwendigkeit einer laufenden Messung der Integration von Zuwanderern im Wege eines Integrationsmonitoring betont. Aus meiner Sicht gehören auch Angaben zur Kriminalitätshäufigkeit zu denjenigen Befunden, die in diesem Zusammenhang von Interesse sind und die gegebenenfalls Anlass für verstärkte und spezifischere Bemühungen sein müssen, Abhilfe zu schaffen.

Kriminalität ist häufig ein Anzeichen für problematische Lebensumstände und eine schlechte soziale Integration. Damit gehört Straffälligkeit zu denjenigen Kriterien, die - sicher neben einer Vielzahl anderer Faktoren - als Indikatoren zur Messung von Integration grundsätzlich geeignet sind. Da Integrationsdefizite keine Frage der Staatsangehörigkeit sind, erschließt es sich, dass eine Erfassung des Migrationshintergrundes auch in der Kriminalstatistik einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn für das Bemühen um bessere Integration bringen kann. Denn die so gewonnenen Daten können ihrerseits als Anknüpfungspunkt für spezifische Integrations- und Präventionsmaßnahmen dienen.

Diese realistische Einschätzung scheint im Übrigen auch beim rot-roten Berliner Senat bis vor kurzem geherrscht zu haben, hat doch die Berliner Polizei zu Jahresbeginn auf Anfrage mitgeteilt, seit Oktober 2008 bei Tatverdächtigen auch den Migrationshintergrund zu erfassen. Nachdem diese Tatsache publik wurde, beschränkt Berlin dies nurmehr auf die Gruppe von jungen Gewalttätern. Unabhängig für die Gründe dieser jüngsten Einschränkung verspricht man sich in Berlin von dieser Erfassung somit zumindest in bestimmten Bereichen nach wie vor einen Erkenntnisgewinn.

Integration ist eine der zentralen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen für unser Land. Sie wird nur gelingen, wenn wir die Tatsachen unverstellt in den Blick nehmen. Eine aussagekräftige, valide Datenbasis ist hierfür die erste Voraussetzung. Die nun begonnene Diskussion verspricht spannend zu werden.

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