Interview in Passauer Neue Presse

Rasmus Buchsteiner im Gespräch mit der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Gerda Hasselfeldt

Frage:
Vor einem halben Jahr hat Schwarz-Gelb noch die Atom-Laufzeiten verlängert. Jetzt wird der schnelle Ausstieg zum Schlüsselprojekt der Koalition. Schadet diese Kehrtwende nicht der Glaubwürdigkeit der Union?

Gerda Hasselfeldt:
Wir haben damals beschlossen, dass wir einen schnelleren Einstieg in die erneuerbaren Energien wollen. Und die Kernenergie war für uns damals schon eine Brückentechnologie. Daran knüpfen wir jetzt an und beschleunigen den Umstieg.

Frage:
War die Laufzeitverlängerung ein Fehler?

Gerda Hasselfeldt:
Wir hatten zu jener Zeit eine andere Einschätzung der Sicherheit der Anlagen und der Akzeptanz der Kernenergie in der Bevölkerung. Das sollten wir uns eingestehen. Auch ich beurteile jetzt nach Fukushima die Sicherheitsfrage anders. In der Bevölkerung gibt es eine höhere Bereitschaft, schneller auf erneuerbare Energien umzusteigen. Es geht schließlich auch um den Bau von Stromleitungen, Windrädern und Speichern. Wer den Ausstieg will, darf den Umstieg nicht blockieren. Das gilt besonders für die Grünen.

Frage:
Die FDP ist immer noch gegen ein konkretes Ausstiegsdatum - worauf wird sich die Koalition letztlich festlegen?

Gerda Hasselfeldt:
Darüber werden wir mit der FDP noch reden. Mir war wichtig, nicht gleich zu Beginn der Diskussion um die künftige Energiepolitik abstrakt ein Ausstiegsdatum festzulegen, sondern erst den Weg dorthin abzustecken. Jetzt haben wir einen Fahrplan für die einzelnen Aspekte der Energiewende, unter anderem für Netzausbau, den Bau neuer Gaskraftwerke oder den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Deshalb ist es richtig, im Gesetz ein Datum für die Abschaltung des letzten Kernkraftwerks festzulegen. Denn alle Beteiligten benötigen Planungssicherheit. Und ein gewisser Zeitdruck hilft beim Erreichen der überaus ambitionierten energiepolitischen Ziele sicher auch.

Frage:
Wie wollen Sie die FDP davon überzeugen, dass die so genannte Kernbrennstoffsteuer mit jährlichen Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro abgeschafft gehört?

Gerda Hasselfeldt:
Eine Entscheidung über die Kernbrennstoffsteuer ist noch nicht gefallen.

Frage:
Mehr Windräder und Stromleitungstrassen - das bedeutet Eingriffe ins Landschaftsbild. Haben Sie Verständnis für Vorbehalte und Widerstände?

Gerda Hasselfeldt:
Diese Einwände kann ich nachvollziehen. Hier muss sorgfältig abgewogen werden. Es gibt Wege und Mittel, zu starke Beeinträchtigungen der Natur zu verhindern. Wir sollten schöne Landschaften nicht mit Windrädern vollstellen.

Frage:
Gehört zur Wahrheit nicht auch, dass die Energiewende die Stromkosten steigen lassen wird?

Gerda Hasselfeldt:
Man kann die Preiswirkungen im Einzelnen jetzt nicht endgültig vorhersagen. Klar ist aber, dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif geben wird. Die CSU wird dafür sorgen, dass energieintensive Unternehmen nicht in einem Maße belastet werden, dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Aber wir werden auch darauf achten, dass sich mögliche Preissteigerungen für private Stromkunden im Rahmen halten. Deshalb muss den Themen Energieeffizienz und Einsparungen ein hoher Stellenwert zukommen.

Frage:
Bleibt es beim Nein der CSU zu einer Standortsuche nach einem atomaren Endlager in Bayern?

Gerda Hasselfeldt:
Rot-Grün hat die Erkundung von Gorleben viele Jahre lang verzögert. Damit ist wertvolle Zeit verloren gegangen. Uns geht es darum, Gorleben jetzt zügig auf seine Eignung zu untersuchen.

Frage:
Den Verbrauchern machen zur Zeit nicht nur die Energie-, sondern auch die Spritpreise zu schaffen. Muss die Regierung hart gegen Abzocke an der Zapfsäule vorgehen?

Gerda Hasselfeldt:
Ich habe großes Verständnis für den Unmut der Autofahrer. Auch wenn das Kartellamt keinen Missbrauch feststellen kann: Die Marktmacht der Ölmultis hält die Preise hoch. Wir sollten in der Koalition schnell darüber entscheiden, ob wir uns nicht ein Vorbild an Australien nehmen. Dort dürfen die Spritpreise nur einmal täglich erhöht werden. Und jeder Erhöhungsschritt muss am Tag vorher angekündigt und angemeldet werden.

Frage:
Thema Bundeswehrreform. Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich als Bundesverteidigungsminister mit dem Hinweis verabschiedet, er hinterlasse ein bestelltes Haus. Hat er den Mund da nicht zu voll genommen?

Gerda Hasselfeldt:
Karl-Theodor zu Guttenberg hat den Grundstein für die Reform der Bundeswehr gelegt. Ohne ihn wäre die Aussetzung der Wehrpflicht nicht möglich gewesen. Er hat die Strukturreform angestoßen. Wegen seines Rücktritts ist er nicht mehr dazu gekommen, seine Pläne zu konkretisieren. Die Bundeswehrreform knüpft nun nahtlos an dem an, was Karl-Theodor zu Guttenberg begonnen hat.

Frage:
Zumindest auf dem Papier stehen noch knallharte Sparvorgaben für die Bundeswehr. Droht die Truppe kaputtgespart zu werden?

Gerda Hasselfeldt:
Mit der CSU gibt es keine Sicherheitspolitik nach Kassenlage. Veränderungen und Finanzierung müssen sich nach den sicherheitspolitischen Erfordernissen richten. Die Details werden wir bis zur Sommerpause festlegen.

Frage:
Bayern ist eines der Länder mit den meisten Bundeswehr-Standorten. Wird es auch bei den Standortschließungen am stärksten betroffen sein?

Gerda Hasselfeldt:
Natürlich wird die Reduzierung der Truppenstärke Auswirkungen auf die Standorte haben, auch in Bayern. Uns kommt es darauf an, dass die Bundeswehr in der Fläche erhalten bleibt und sich nicht auf wenige Großstandorte zurückzieht. Für uns ist wichtig, dass es klare Kriterien für die Standortentscheidungen gibt und die Verankerung der Bundeswehr vor Ort berücksichtigt wird. Dafür werden wir kämpfen.

Frage:
Droht der Bundeswehr mit dem faktischen Ende der Wehrpflicht nicht ein dramatisches Nachwuchsproblem?

Gerda Hasselfeldt:
Nein. Das denke ich nicht, denn der Dienst als Freiwilliger, als Zeit- oder Berufssoldat ist attraktiv. Dabei ist der freiwillige Wehrdienst genauso wertvoll wie ein freiwilliger Sozialdienst. Es ist ein Einsatz für die Gesellschaft, bei dem man aber auch für sich selbst etwas gewinnen kann. Wir starten mit 5000 Freiwilligen. Das ist eine realistische Zielmarke.

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