Interview der CSU-Landesgruppenvorsitzenden mit der Neuen Osnabrücker Zeitung
Betreuungsgeld und Griechenland-Wahl stehen im Mittelpunkt des Interviews mit der Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt.
Neue Osnabrücker Zeitung:
Frau Hasselfeldt, die Bundestagssitzung ist gestern wegen Beschlussunfähigkeit geplatzt und damit auch der Zeitplan für die Verabschiedung des von der CSU gewollten Betreuungsgeldes. Hatte die CSU denn alle Abgeordneten an Bord?
Gerda Hasselfeldt:
Der Bundestag hat den gesamten Vormittag getagt und war sichtbar beschlussfähig. Die Opposition hat sich hinter den Türen versteckt und somit eine Beschlussunfähigkeit des gesamten Hauses herbeigeführt. Das ist nicht nur ein mieses Spiel, sondern ein grobes Foul an der Demokratie. Es zeigt, dass sich SPD, Grüne und Linke einer politischen Debatte entziehen und den Griff in die Trickkiste vorziehen. Wir sind vom Betreuungsgeld überzeugt und werden für die Wahlfreiheit von Familien kämpfen. Von einer Opposition, die mit Geschäftsordnungstricks eine wichtige familienpolitische Debatte im Bundestag verhindert, lassen wir uns nicht abhalten.
NOZ:
Gibt es Reue in der CSU, mit dem Betreuungsgeld einen Spaltpilz in die Koalition gepflanzt zu haben?
Gerda Hasselfeldt:
Im Gegenteil: Die öffentliche Diskussion ist wichtig, um Skeptiker davon zu überzeugen, dass diese Leistung für Eltern, die keinen staatlich geförderten Krippenplatz in Anspruch nehmen, richtig ist. Hier wird von der Opposition ein ideologischer Kampf geführt. Das ist nicht das Anliegen der CSU. Wir wollen Wahlfreiheit schaffen und verhindern, dass der Staat einseitig Kita-Betreuung fördert. Was mich in der gegenwärtigen Debatte sehr stört, ist die Haltung der Präsidenten der Arbeitgeberverbände und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Sie lehnen das Betreuungsgeld ab, weil sie angesichts des Fachkräftemangels Mütter in Berufstätigkeit holen wollen. Sie sollen die Lücken schließen, und der Staat soll deshalb Kitas bauen. Diese Ökonomisierung der Mütter ist inakzeptabel und diskriminierend. Sie dient allein dem Profit, nicht aber jungen Familien. So unwürdig darf sich die Wirtschaft nicht aus der Verantwortung stehlen.
NOZ:
Über 30 Abgeordnete von Union und FDP haben in den Fraktionen gegen das Betreuungsgeld votiert. Im Bundestag kann sich die Koalition nur 19 Neinstimmen erlauben. Ist die CSU zu Korrektur bereit?
Gerda Hasselfeldt:
Der Kern des Betreuungsgeldes darf nicht angetastet werden – und der Kern ist die Förderung von Erziehungsleistungen außerhalb einer staatlichen Betreuung. Die Anliegen, die Pflicht zur Vorsorgeuntersuchung gesetzlich zu verankern und die Anrechnung der Erziehungszeiten in der Rente zu verbessern, sind berechtigt – sollten aber außerhalb des Betreuungsgeldgesetzes geregelt werden. Und was die Zustimmung zum Gesetz anbelangt: Ich gehe fest davon aus, dass die Vernunft siegt und die Zahl der Kritiker bis zur endgültigen Abstimmung noch deutlich schrumpfen wird.
NOZ:
CDU-Ministerin Ursula von der Leyen lehnt das Betreuungsgeld ab.
Gerda Hasselfeldt:
Das verwundert mich in der Tat. Ursula von der Leyen hat dem Kabinettsbeschluss zugestimmt und steht damit beim Betreuungsgeld in der Verantwortung.
NOZ:
Was sagen Sie zu der Forderung der Arbeitsministerin, die 11000 arbeitslosen Schlecker-Frauen als Erzieherinnen einzusetzen?
Gerda Hasselfeldt:
Fakt ist, dass bis 2013, wenn es den Kita-Rechtsanspruch gibt, voraussichtlich 14000 Erzieherinnen und 16000 Tagesmütter fehlen. Das ist eine große Herausforderung für die zuständigen Länder. Aber es braucht selbstverständlich qualifizierte Kräfte. Ich halte nichts davon, aus Mitarbeiterinnen einer Drogeriekette mal eben Erzieherinnen zu machen. Das will auch ernstlich niemand. Ich war früher einmal in der Berufsberatung tätig und weiß daher: Einen guten Job macht der, der nach seinen Fähigkeiten und Talenten eingesetzt wird. Wenn unter den Schlecker-Mitarbeiterinnen Frauen sind, die nach einer entsprechenden Ausbildung ihre Berufung in der Kinderbetreuung sehen und dafür geeignet sind, ist das in Ordnung.
NOZ:
Nach der Griechenland-Wahl droht dem Land wegen unklarer Mehrheiten das Chaos. Zeit für ein Euro-Ausstiegsszenario?
Gerda Hasselfeldt:
Wir haben mit Griechenland viel Solidarität gezeigt. Jetzt sind die Griechen selbst am Zug. Sie müssen vor der Wahl an diesem Wochenende wissen: Hilfen aus Deutschland und aus der EU gibt es nur dann, wenn die griechische Regierung ihre Zusagen einhält. Ohne Sparmaßnahmen, ohne Reformen auf dem Arbeitsmarkt, bei den Sozialleistungen und speziell in der Steuerverwaltung wird kein Geld mehr fließen. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Ich hoffe sehr, dass sich die Bevölkerung am Wahlsonntag dieser Tatsache bewusst ist. Mit dem Begriff Ausstiegsszenario sollte man sorgsam umgehen. Denn letztlich können nicht wir über einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro entscheiden, sondern nur das Land selbst. Das ist rechtlich so verankert.
NOZ:
Erwarten Sie einen Aufstand der Europa-Kritiker in Ihren Reihen?
Gerda Hasselfeldt:
Es ist doch klar, dass wir die Entwicklung auch mit Sorge betrachten – das gilt nicht nur für meine Partei. Ich gehe fest davon aus, dass CDU und CSU am 29. Juni im Bundestag bei der Abstimmung über den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM weitgehend geschlossen mit Ja votieren. Der Kreis der Kritiker wird sich meines Erachtens nicht erweitern.
NOZ:
Wie lange hält die Kanzlerin den Forderungen nach Euro-Bonds noch stand?
Gerda Hasselfeldt:
Ich bin froh, dass die Kanzlerin so fest bei ihrem „Nein“ bleibt. Sie hat unsere volle Rückendeckung. Denn Euro-Bonds bedeuten nichts anderes als die Enteignung deutscher Steuerzahler. Auch die SPD ist einsichtig und schwenkt jetzt auf diesen Kurs um.