Gerda Hasselfeldt im großen WELT-Interview

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt spricht mit der WELT über den Umgang mit der AfD, die PKW-Maut und über die morgigen Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg.

WELT:Frau Hasselfeldt, wären am Sonntag nicht Wahlen in Thüringen und Brandenburg, sondern in Bayern – bekäme die CSU noch die absolute Mehrheit?

Hasselfeldt: Ich kann nur die Stimmung wiedergeben, die ich in Bayern bei den Veranstaltungen erlebe. Und da spüre ich eine große Unterstützung für die Politik der CSU.

WELT: Der Albtraum von Franz-Josef Strauß ist wahr geworden: Rechts von der CSU ist eine Partei entstanden, die AfD. Die CDU setzt darauf, die Konkurrenz zu ignorieren. Welche Strategie empfehlen Sie der CSU?

Hasselfeldt: Erstens will ich die AfD nicht rechts von uns sehen...

WELT: ...sondern links?

Hasselfeldt: Die AfD ist eine sehr heterogene Partei. Man kann sie nicht auf ein Rechts-Links-Schema zurückführen. Und was die Strategie angeht: Ich halte es für notwendig, dass sich die CSU mit den Inhalten und Personen der AfD auseinandersetzt. Eine Partei, die zum Beispiel Grundideen Europas ablehnt, muss man mit Argumenten bekämpfen.

WELT: Können Sie sich Bündnisse mit der AfD vorstellen?

Hasselfeldt: Ich sehe inhaltlich überhaupt keine Basis für eine Koalition mit der AfD – weder im Bund noch in den Ländern.

WELT: Die AfD holt auch Stimmen mit Themen wie Grenzkriminalität und Angst vor Fremden – eigentlich CSU-Terrain.

Hasselfeldt: Die innere Sicherheit steht bei uns immer oben auf der Agenda. Mittlerweile hat das Thema auch bei der Bevölkerung wieder einen höheren Stellenwert. Da geht es um Grenzkriminalität, aber auch um die Gefahr, die von Islamisten in Deutschland ausgeht. Die selbst ernannten Sittenwächter der „Scharia-Polizei“ müssen die volle Härte des Rechtsstaats erfahren. Solche Leute haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Eine weitere Frage ist der Umgang mit denen, die in einem Terrorcamp waren oder für den Dschihad werben. 

WELT: Es gibt Überlegungen in der Koalition, Islamisten die Ausreise zu verbieten – und ihre Personalausweise zu markieren.

Hasselfeldt: Man sollte prüfen, was wirksam und rechtlich möglich ist. Das kann auch eine Markierung von Personalausweisen sein. Wenn sich herausstellt, dass die jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten gegen Islamisten nicht ausreichen, muss man über gesetzliche Änderungen nachdenken. Wir gehen gegen diese Leute mit allem vor, was der Rechtsstaat zu bieten hat.

WELT: Was den Umgang mit Flüchtlingen angeht, scheint gerade Bayern überfordert. Sogar in Zelten werden die Menschen untergebracht, und es breiten sich Krankheiten aus. Können Sie das ändern?

Hasselfeldt: Der enorme Flüchtlingszustrom macht allen Bundesländern zu schaffen, nicht nur Bayern. Ich habe mich in meinem Wahlkreis selbst darum gekümmert, dass Flüchtlinge in einer Liegenschaft der Bundeswehr untergebracht werden können. Vor allem kommt es aber darauf an, den Zustrom zu begrenzen. Wir haben im Bundestag ein Gesetz verabschiedet, dass die drei Westbalkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien als sichere Herkunftsstaaten einstuft. Leider haben wir dazu noch nicht die Zustimmung des Bundesrats. Ich hoffe sehr, dass die Grünen einsehen, wie notwendig dieses Gesetz ist. Allein aus diesen drei Ländern kommen 20 Prozent der Asylbewerber - und die Anerkennungsquote liegt nahezu bei null. Wir müssen unsere Kräfte auf die konzentrieren, die sie am meisten brauchen.

WELT: Die CSU würde am liebsten wieder Grenzkontrollen einführen. Zeugt es nicht von einfältiger Konfliktlösung, wenn man die Probleme bei den Nachbarn ablädt? 

Hasselfeldt: Wir laden nichts bei irgendjemandem ab. Wir dringen nur darauf, dass sich alle an die vereinbarten Regeln halten. Das scheint in Italien was die Registrierung von Flüchtlingen angeht, nicht der Fall zu sein. Damit verstoßen die Italiener gegen europäisches Recht. Im Ergebnis nimmt Deutschland weit mehr Asylbewerber auf als Italien und die meisten anderen europäischen Länder. Wenn Rom sich nicht an das hält, was vereinbart wurde, muss man in der Tat als ultima ratio auch darüber sprechen, befristet im Rahmen des Schengener-Abkommens wieder Grenzkontrollen einzuführen  Wir können nicht alle Probleme bei uns lösen.

WELT: Überhaupt tritt die CSU in dieser Phase nicht durch Kreativität hervor. Außer der Pkw-Maut nimmt die Öffentlichkeit wenig wahr – und da eskaliert der Streit mit der Schwesterpartei. Haben Sie einen Ausweg?

Hasselfeldt: Wir sollten jetzt mal dem Verkehrsminister die Gelegenheit geben, auf der Basis seines Konzepts und der Vereinbarungen in der Koalition in Ruhe einen Gesetzentwurf  zu erarbeiten. Das wird er bis Oktober tun. Dann beginnt die parlamentarische Arbeit. Wir nehmen all das, was an Bedenken in der Bevölkerung und von den CDU-Kollegen geäußert wurde, ernst. Wir werden ein Gesetz für eine Pkw-Maut hinbekommen, das alle zufrieden stellt. Ich gebe zu, dass der Ton gerade zwischen CDU und CSU in den letzten Tagen ein bisschen heftig war. Ich habe mich daran nicht beteiligt, sondern sachlich argumentiert.   

WELT: Wann hätten Sie den Gesetzentwurf gerne in der Hand?

Hasselfeldt: Sobald er ausgereift ist. Eine Woche früher oder später ist für mich nicht das Thema. Der Verkehrsminister hat angekündigt, dass er den Gesetzentwurf im Oktober vorlegen wird.

WELT: CSU-Chef Seehofer mutmaßt, Finanzminister Schäuble wolle die Maut sabotieren. Haben Sie auch diesen Eindruck?

Hasselfeldt: Ich habe keinen Anlass, Kabinettsmitgliedern irgendetwas zu unterstellen. Ich erwarte, dass sich alle Beteiligten konstruktiv und fair mit dem Thema auseinandersetzen. Beschlüsse gegen die Maut, deren Ausgestaltung im Detail noch niemand kennt, wie sie die NRW-Landesgruppe gefasst hat, hätte es nicht gebraucht. Das ist nicht hilfreich.

WELT: Verliert die CSU in Berlin an Respekt?

Hasselfeldt: Diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht – weder für mich persönlich noch für die CSU-Landesgruppe. Wir sind konstruktiver und verlässlicher Partner in dieser Regierung.

WELT: Nach den Landtagswahlen am Sonntag will Seehofer andere Saiten aufziehen. Dann sei „die politische Schonzeit“ für die Maut-Mäkler vorbei. Worauf dürfen sich die Koalitionspartner einstellen?

Hasselfeldt: Ich habe großes Verständnis dafür, dass der Parteivorsitzende bei den Querschüssen gerade aus der nordrhein-westfälischen CDU klare Worte gesprochen hat. Ich bin sicher: Nach den Wahlen haben alle wieder bessere Nerven.

WELT: Seehofer gab zu bedenken: „Wir sind nicht die FDP.“ Eine schlaue Formulierung?

Hasselfeldt: Ich habe das zur Kenntnis genommen. Der Satz ist inhaltlich nicht falsch. Ich würde aber nicht auf die Idee kommen, die CSU mit einer Partei zu vergleichen, die in einer sehr schwierigen Situation ist.  Die CSU ist eine super Partei. Ich bin stolz auf diese großartige Volkspartei.

WELT: Was trauen Sie der CDU am Sonntag in Thüringen und Brandenburg zu?

Hasselfeldt: Die thüringische Regierung mit Frau Lieberknecht hat eine gute Politik gemacht. Das Land steht gut da, deshalb bin ich zuversichtlich, dass sie ihre Arbeit weiterführen kann. In Brandenburg zeigt die CDU trotz der schwierigen Ausgangslage eine aufsteigende Tendenz. Ich beobachte den Wahlsonntag mit Interesse und einer gewissen Zuversicht.

WELT: In Thüringen erwägt die SPD, einen Politiker der Linkspartei zum Ministerpräsidenten zu wählen. Wäre das eine Belastung für die große Koalition im Bund?

Hasselfeldt: Ich hätte Probleme, das zu akzeptieren. Die SPD müsste einen völlig anderen Kurs mittragen als bisher.

WELT: Der linke Spitzenkandidat Ramelow stammt aus Westdeutschland und wird, was den Politikertypus angeht, gelegentlich mit Seehofer verglichen...

Hasselfeldt: Es geht nicht um die Person, es geht um linke Politik. Wenn man Freiraum will für diejenigen, die für Investitionen sorgen, muss man verhindern, dass die Linkspartei ein Land regiert.

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