Interview mit Gerda Hasselfeldt

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt äußert sich im Interview mit den Nürnberger Nachrichten zu den durchgesetzten Forderungen der CSU gegen Sozialmissbrauch, zur PKW-Maut und zu den Waffenlieferungen in den Irak.

Nürnberger Nachrichten: In Bayern herrscht derzeit der Asylnotstadt: Die Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf ist völlig überfüllt, Menschen müssen in Zelten leben, es herrscht ein teilweiser Aufnahmestopp. Hat der Freistaat versagt?

Gerda Hasselfeldt: Die Situation ist in allen anderen Bundesländern genauso. Das Problem ist doch: Wir haben eine enorme Zunahme an Asylbewerbern, davon etwa 25 Prozent aus dem Westbalkan, bei einer Anerkennungsquote von ca. 0,1 Prozent. Trotzdem müssen diese Menschen ein langwieriges Verfahren durchlaufen, blockieren dadurch die Mitarbeiter im Bundesmigrationsamt hier in Nürnberg und nehmen auch Plätze in den Unterkünften weg. Deshalb haben wir im Bundestag ein Gesetz beschlossen, mit dem die drei Westbalkanländer Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Dazu brauchen wir die Zustimmung des Bundesrates, die die Grünen bislang leider verweigern.

Nürnberger Nachrichten: Verstehe ich sie richtig: Wenn wir nur die Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer deklarieren, werden wir bei den Aufnahmezahlen wieder im grünen Bereich sein?

Gerda Hasselfeldt: Dann wäre zumindest ein großer Teil der Plätze, der jetzt besetzt ist, wieder frei für diejenigen, die tatsächlich verfolgt sind. Das heißt nicht, dass es für die Menschen, die aus den Balkanstaaten kommen, kein Asylverfahren in Deutschland mehr gibt. Es ändert sich nur die Beweislast: Die Asylbewerber müssen beweisen, dass sie politisch verfolgt sind. Die Verfahren wären einfacher und schneller. Das fordert im Übrigen auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Nürnberger Nachrichten: Die Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, Margarete Bause, hat Ministerpräsident Seehofer aufgefordert das Asylproblem zu Chefsache zu machen. Hat Seehofer  das Thema zu lange verdrängt?

Gerda Hasselfeldt: Ich würde mir eher wünschen, dass Frau Bause Einfluss auf ihre Parteifreunde im ganzen Bundesgebiet nimmt. Es wäre viel geholfen, wenn wir die Zustimmung der Grünen im Bundesrat für die Erweiterung der sicheren Herkunftsländer bekämen.

Nürnberger Nachrichten: Diese Woche hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Bekämpfung der Armutsmigration verabschiedet — ein Herzensthema der CSU. Auf der anderen Seite muss die Bundesregierung jetzt eingestehen, dass „die bei weitem überwiegende Mehrzahl der EU- Bürger“, die nach Deutschland ziehen, keinen Missbrauch von Sozialleistungen begeht. Ein Gesetz für ein Problem, das gar nicht existiert?

Gerda Hasselfeldt: Wir haben nie von einem massenhaften Missbrauch gesprochen. Vielmehr hat eine ganze Reihe von Kommunen um Hilfe gerufen, weil sie mit dem Problem nicht mehr zurechtgekommen sind. Das haben wir ernst genommen. Noch in diesem Jahr stellen wir den besonders betroffenen Kommunen zusätzlich 25 Millionen Euro bereit. Und wir haben jetzt rechtliche Möglichkeiten, den Missbrauch zu bekämpfen.

Nürnberger Nachrichten: Aber die gab es doch vorher auch schon.

Gerda Hasselfeldt: Nein, die hatten wir eben nicht. Die Wiedereinreisesperren hatten wir beispielsweise nur, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder Gesundheit gefährdet war. Nur in diesen Fällen und nicht bei Betrug, also beispielsweise, wenn falsche Dokumente vorgelegt wurden. Jetzt kann bereits beim ersten Betrugsfall eine Wiedereinreisesperre verhängt werden, bei wiederholten Fällen soll sie in Zukunft verhängt werden.

Nürnberger Nacrichten: Immer mehr CDU-Landesverbände wollen das Maut-Konzept ihres Parteifreunds Dobrindt nicht mittragen. Wie lange will die CSU dieses tote Pferd noch reiten?

Gerda Hasselfeldt: Wir haben die parlamentarischen Beratungen zu diesem Thema ja noch gar nicht begonnen. Momentan erarbeitet der Verkehrsminister einen Gesetzentwurf und wenn der steht, werden wir diskutieren. Wir werden auch alle Argumente bewerten und uns intensiv mit ihnen auseinandersetzen. Unbestritten ist aber, dass wir mehr Geld für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur brauchen und unbestritten ist auch, dass wir in Europa eine Gerechtigkeitslücke haben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Koalitionsvereinbarung zum Thema Maut umsetzen werden.

Nürnberger Nachrichten: Am Sonntag will die Regierung Waffenlieferungen in den Nordirak beschließen, am Montag soll der Bundestag darüber abstimmen. Sind die Exporte tatsächlich alternativlos?

Gerda Hasselfeldt: Ich nehme diese Entscheidung ausgesprochen ernst. Und jedem von uns gehen die Bilder, die wir aus dem Irak sehen, sehr nahe. Waffenlieferungen sind meines Erachtens nur in einer Ausnahmesituation zu rechtfertigen - und diese Notsituation haben wir jetzt.  

Nürnberger Nachrichten: Dennoch: Wieso verträgt der Grundsatz der deutschen Politik „keine Waffen in Krisengebiet“, in diesem Fall plötzlich eine Ausnahme?

Gerda Hasselfeldt: An diesem Grundsatz halten wir auch fest. Aber die Alternative wäre, einfach zuzuschauen, wie Andersgläubige, Christen, Jesiden brutal getötet und verletzt werden. In so einer Notsituation — das sagen ja auch die Vertreter der Kirchen — kann man nicht einfach zuschauen und muss mit den Mitteln helfen, die man hat — ohne eigene Kampftruppen zu schicken. 

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