In Vorfeld des heutigen Treffens der Parteichefs zur Flüchtlingskrise betont CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt die Wichtigkeit des Prinzips von Transitzonen. "Wir wollen vor der Einreise nach Deutschland die Unterscheidung zwischen Schutzbedürftigen und Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive", sagte Hasselfeldt im Interview mit der Zeitung "Die Welt". Das komplette Interview im Wortlaut:

Die Welt: Frau Hasselfeldt, geht es heute beim Treffen der Parteichefs zur Flüchtlingskrise ums Ganze?

Gerda Hasselfeldt: Es ist ein sehr wichtiges Treffen. Es besteht hoher Handlungsdruck. Ich hoffe, dass das auch bei der SPD so gesehen wird. Ich setze auf Einsicht und Vernunft bei der SPD.

Wie sieht das Ergebnis aus, auf dem die CSU beharrt?

Das Wichtigste ist: Die Maßnahmen müssen dazu führen, dass die Flüchtlingszahlen sinken. Dazu gehört, dass diejenigen, die beispielsweise aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, die schon mal da waren oder nicht bereit sind, an der Registrierung mitzuwirken, zügig zurückgeschickt werden. Am effizientesten wäre es, wenn diese Verfahren in Grenznähe abgewickelt würden. Bisher hat ein Flüchtling Vorteile davon, wenn er über seine Identität täuscht oder seine Herkunft verbirgt. Dieses Prinzip müssen wir dringend umkehren. Einen Pass mitzuführen, ist keine vermessene Forderung. Der ein oder andere mag seine Dokumente tatsächlich ohne Vorsatz verloren haben, aber viele zerstören oder „vergessen“ sie eben auch absichtlich. 

Was heißt zügig zurückschicken?

Die Verfahren sollen so schnell wie möglich abgewickelt werden: Ziel muss es sein, dass innerhalb einer Woche die Verwaltungsentscheidung getroffen ist, dann muss es die Möglichkeit des Rechtsschutzes geben. Dafür stehen dann maximal weitere drei Wochen zur Verfügung. Das ganze  Verfahren soll vier Wochen nicht überschreiten. Neben der Reduzierung des Zustroms geht es der CSU auch um das Signal: Deutschland ist kein Land, das zur Einwanderung einlädt.

Den Begriff Transitzentrum haben Sie nun vermieden. Ist das schon ein Kompromissangebot an die SPD, die das Konzept ablehnt?

Für uns ist das Prinzip der Transitzonen wichtig. Wie man sie nennt, ist nicht entscheidend. Der Vorschlag der SPD, die Asylbewerber in Einreisezentren im Land lediglich zu registrieren, geht nicht weit genug. Wir wollen vor der Einreise nach Deutschland die Unterscheidung zwischen Schutzbedürftigen und Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive. Das ist für uns der entscheidende Punkt.

Die SPD möchte, dass die Menschen in den Zonen nicht festgehalten werden können. Sie setzen dagegen auf Zwang?

Es hat ja keinen Sinn, wenn wir die Zonen einrichten und dann nicht darauf bestehen, dass die Leute ihre rechtsstaatlichen Verfahren abwarten. Dazu müssen sie präsent sein. Die Menschen können natürlich jederzeit ausreisen, allerdings nur zurück in ihre Heimat oder in das Land, aus dem sie nach Deutschland einreisen wollten. Niemand wird in Transitzonen inhaftiert.

Anders als noch vor einem Jahr stammen nur noch etwa drei Prozent der Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern. Lohnt der ganze Aufwand für diese Gruppe?

Die gleichen Leute, die sagen, es seien nur drei Prozent betroffen, werfen uns vor, Haftanstalten für Zigtausende zu schaffen. Das ist keine seriöse Kritik. Die Zentren alleine lösen das Problem natürlich nicht, das ist uns auch klar, aber sie sind ein wichtiger Baustein zur Reduzierung des Zustroms. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir ein Stufenverfahren definieren: also zunächst mit einer Gruppe wie den Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten beginnen.

In der Vereinbarung zwischen CDU und CSU ist von der Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre die Rede. Ist das christlich? Passt der erzwungene Verzicht auf Ehepartner und Kinder  zur Christlich Sozialen Union?

Wir können den Familiennachzug in der derzeitigen Form nicht schultern. Das betrifft die Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft ebenso wie den Arbeitsmarkt oder den Wohnungsmarkt. Um uns nicht zu überfordern, muss der Familiennachzug zeitweise ausgesetzt werden. Neben der faktischen Entlastung ist auch das ein Signal in die Herkunftsländer und deshalb von entscheidender Bedeutung.

Das Gebot der christlichen Nächstenliebe muss für ein Signal hintanstehen?

Das ist eine Frage der Machbarkeit. Früher war der Nachzug für die betreffende Gruppe der subsidiär Schutzbedürftigen – etwa viele Afghanen, die nicht abgeschoben werden können, weil sie sich in ihrer Heimat bedroht fühlen – stark beschränkt. Das wurde erst vor Kurzem geändert.

Aber nun ist es geändert. Biegen sie sich die Gesetze zurecht?

Das waren andere Zeiten. Wir müssen Antworten auf aktuelle Herausforderungen geben.

Die Umfragen gehen sowohl für CDU als auch für CSU zurück. Hat daran nicht auch ihr Parteichef mit seinem Streit mit Merkel schuld?

Die Menschen messen uns daran, ob das Problem gelöst wird. Wir stehen in einer für die Bundesrepublik historischen Herausforderung. Einfache Lösungen gibt es nicht. Zum Teil muss hart um den richtigen Weg gerungen werden. Das haben wir getan – in Verantwortung für unser Land.

Sollte Horst Seehofer etwas mehr Geduld aufbringen?

Der Druck, der von Bayern und der CSU ausgegangen ist, war notwendig und hilfreich. Sonst wären wir nicht so weit, wie wir sind.

Also nicht bei 36 Prozent in den Umfragen? Muss man diese Differenzen wirklich öffentlich austragen?

Da wird oft zu viel hineininterpretiert. Die Gespräche zwischen den beiden Schwesterparteien waren immer von Respekt getragen. Das Grundvertrauen in das Gegenüber ist weiterhin da.

Also ist der Schaden geringer als der Nutzen?

Wo ist der Schaden?

Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio prüft Bayerns Verfassungsklage. Sollte man von diesem Plan nach der Einigung mit der Kanzlerin nicht Abstand nehmen?

Die Prüfung aller rechtlichen Mittel ist legitim und vernünftig. Das wird die Zusammenarbeit von CDU und CSU nicht beschädigen.

Bayern hält den Kasten mit den Folterinstrumenten offen.

Das sind keine Folterinstrumente. Das ist eine ganz normale rechtliche Prüfung, die wir nüchtern bewerten sollten. Sie ist nicht nur legitim, sondern auch politisch geboten. 

Sollte Pegida durch den Verfassungsschutz beobachtet werden? Zwei Drittel der Deutschen sind dafür.

Ich bin dafür, dass wir uns politisch mit aller Klarheit und Härte mit der Pegida-Bewegung auseinandersetzen. Was sich hier an verbalen Entgleisungen zeigt, ist unerträglich. Aber ich plädiere für eine politische Auseinandersetzung.

Von außen hat man den Eindruck, der Streit zwischen CSU und CDU entzündete sich auch an ganz grundsätzlichen Fragen. Wollen Sie eine andere Republik als Bundeskanzlerin Merkel?

Den Eindruck habe ich nicht. CDU und CSU stehen auf dem gleichen Wertefundament, wir wollen kein Multikulti, wir wollen keine Parallelgesellschaften, Grundlage jeder Integration in Deutschland sind unsere deutschen Leitwerte. Darin sind wir uns vollkommen einig. Da musste keiner den anderen überzeugen.

Passen die Hunderttausenden Muslime, die neu nach Deutschland kommen, zu unserem Land?

Natürlich ist das eine große Herausforderung. Eine größere, als wenn die Menschen aus einem Land mit christlicher Tradition kämen. Doch auch das müssen wir bewältigen. Richtig ist, dass uns diese Aufgabe aber erst noch bevorsteht und uns viel Kraft kosten wird.

Eigentlich überraschend, dass kaum einer Merkels Politik der bereitwilligen Flüchtlingsaufnahme auf ihre Erfahrungen als Bürgerin eines Staates hinter Zäunen zurückführt. Erkennen Sie darin ein Motiv der Kanzlerin? Sie kennen sie seit 25 Jahren.

Ich kann natürlich nicht in ihre Seele blicken. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass dies ein wesentliches Motiv für ihr Handeln ist. Angela Merkel ist mit der Realität im Land bestens vertraut und geht Probleme analytisch an. Sie will – wie wir alle - bestmöglich diese große Herausforderung meistern. Biografische Erfahrungen spielen da keine Rolle.

Man muss der Türkei für ihr Entgegenkommen ja etwas geben. Springt die CSU über ihren Schatten und akzeptiert, dass das Land in die EU kommt?

Wir brauchen die Türkei zur Eindämmung der Flüchtlingswelle. Über die Türkei kommen die meisten Flüchtlinge nach Europa. Es ist deshalb ein wichtiges Ziel, dass die Türkei die Flüchtlinge wieder zurücknimmt –  etwa die Syrer – , die aus der Türkei zu uns fliehen. Das muss man realpolitisch sehen. Aber ein EU-Beitritt steht für die CSU nicht auf der Tagesordnung.

Dennoch sollen neue Beitrittskapitel eröffnet werden. Das ist doch absurd?

Die Eröffnung von Verhandlungen über Beitrittskapitel sagt nichts darüber aus, ob ein Beitritt am Ende erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Türkei je die Voraussetzungen dafür erfüllt. Die Türkei ist weit weg davon, in die EU zu können. Für uns bleibt der Weg der privilegierten Partnerschaft maßgeblich. Mehr geht nicht.

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