Gerda Hasselfeldt im Interview mit dem Straubinger Tagblatt

Straubinger Tagblatt: Frau Hasselfeldt, der frühere Bundesinnenminister und stellvertretende Fraktionschef Hans-Peter Friedrich sorgt sich, der Union könnten die konservativen Wählerschichten abhandenkommen. Sie haben seine Kritik zurückgewiesen. Aber hat Friedrich wirklich so unrecht?

Gerda Hasselfeldt: Ich verstehe die Kritik weder im Inhalt noch vom Zeitpunkt. Seit der Bundestagwahl liegen wir in den Umfragen bei 40 Prozent oder mehr. Deutschland steht wirtschaftlich gut da. Das ist auch der Erfolg unserer Politik. Ich halte die Einteilung in konservative und weniger konservative Wähler heute nicht mehr für zeitgemäß. Unser Ziel muss es sein, so viele Menschen wie möglich zu überzeugen. Das gelingt uns derzeit offenkundig ganz gut. Eine Kursdebatte braucht es deshalb wirklich nicht.

Straubinger Tagblatt: Beim CSU-Parteitag hat der frühere Staatsminister Thomas Goppel kritisiert, die CSU lasse oftmals arg schnell und nahezu ohne Debatte von Grundüberzeugungen ab. Er hat viele Unterstützer für seinen Antrag gefunden. Wie besorgt sind Sie über Standfestigkeit und Berechenbarkeit ihrer Partei?

Gerda Hasselfeldt: Überhaupt nicht. Die CSU sagt klar, was sie will und setzt nach der Wahl das um, was sie vor der Wahl versprochen hat. Das wissen die Menschen zu schätzen. Deshalb haben sie uns bei den letzten Wahlen mit großer Mehrheit das Vertrauen geschenkt. Der CSU darf es nicht darum gehen, am Althergebrachten festzuhalten. Das bedeutet Stillstand. Doch die Welt verändert sich. Wir müssen auf Basis unseres christlich-sozialen Wertekompass‘ Antworten auf die Fragen der Zeit finden. Das 21. Jahrhundert braucht keine Politik von gestern, sondern eine wertorientierte, moderne Volkspartei CSU.

Straubinger Tagblatt: Vonseiten der Wirtschaft kommt heftige Kritik am Kurs der großen Koalition. Diese zielt auf die Verteilung von Wohltaten etwa durch Mindestlohn oder die Rentenpolitik. Wie wollen Sie künftig auf die Wirtschaft zugehen?

Gerda Hasselfeldt: Wir haben einiges beschlossen, was der Union alleine sicher so nicht eingefallen wäre. Das ist der Preis der Demokratie. Unser Auftrag ist es, dem Land, der größten Volkswirtschaft Europas, eine verlässliche Regierung zu stellen. Das tun wir. In Vergessenheit gerät bei aller Kritik aus der Wirtschaft folgendes: Die Union, maßgeblich die CSU, garantiert dafür, dass es bis zur nächsten Wahl keine Steuererhöhungen gibt. Und wir haben die schwarze Null erkämpft und verteidigen dieses Ziel nahezu täglich. Klar ist aber auch: Weitere zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft darf es nicht geben. Darauf gibt die CSU  ihr Wort.

Straubinger Tagblatt: Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer und Margret Suckale, Vorsitzende des Chemiearbeitgeberverbands, werden bei Ihrer Klausurtagung zu Gast sein. Viel Lob werden die beiden sicherlich nicht im Gepäck haben. Was erwarten Sie?

Gerda Hasselfeldt: Uns sind die Belange der Wirtschaft wichtig. Deshalb setzen wir in Kreuth bewusst einen Fokus auf die Wirtschaft. Wir sind das wirtschaftspolitische Korrektiv der Koalition. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung ist die Grundlage für eine gute Entwicklung des Landes. Die Wirtschaft muss allerdings auch verstehen, dass Demokratie immer Kompromiss bedeutet. Da die FDP nicht mehr im Bundestag sitzt, müssen wir diese Kompromisse jetzt mit der SPD schließen. Das ist nicht immer leicht.

Straubinger Tagblatt: Angesprochen auf die AfD sind seitens der Union zumeist Beschwichtigungen zu hören. Doch unter der Decke brodelt es. Wie viel Wasser wird ihnen die AfD in Zukunft abgraben?

Gerda Hasselfeldt: Die AfD zerlegt sich gerade selber. Von daher bin ich ganz entspannt. Wir machen weiter gute Politik und versuchen, so viele Menschen wie möglich für uns zu gewinnen. Das beste Rezept gegen AfD und Konsorten sind gute Argumente. Die europafeindliche Haltung der AfD ist schädlich für Deutschland.

Straubinger Tagblatt: Wie wollen Sie mit der Pegida-Bewegung umgehen? Darin zeigt sich doch die Unzufriedenheit auch mit ihrer Politik.

Gerda Hasselfeldt: Die Gründe, sich an den Demonstrationen zu beteiligen, sind sehr unterschiedlich, häufig diffus. Das macht den Umgang so schwierig. Wichtig ist deshalb eine differenzierte Betrachtung. Wir müssen unterscheiden zwischen denen, die berechtigte Sorgen umtreiben, und denen, die rechtes Gedankengut verbreiten, Ängste der Menschen instrumentalisieren und gegen Ausländer hetzen. Diesen Leuten müssen wir die Stirn bieten. Es besteht allerdings auch kein Grund, wegen Pegida hysterisch zu werden. Wir müssen selbstbewusst unsere Politik vertreten und nicht müde werden, sie immer wieder zu erklären. Den diffusen Sorgen der Menschen stellen wir konkrete Fakten gegenüber.

Straubinger Tagblatt: Welche Impulse zur Zuwanderung und zum Umgang mit Flüchtlingen erwarten Sie von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)?

Gerda Hasselfeldt: Das Wichtigste ist, die beiden Themen nicht in einen Topf zu werfen. Asyl ist das eine, ein grundgesetzlich garantiertes Recht, Zuwanderung ist etwas anderes. In Sachen Zuwanderung gilt: Wer zum Arbeiten nach Deutschland kommt und langfristig seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten kann, ist uns willkommen. Ebenso klar ist unsere Position in der Asylpolitik und da stehen an der Seite des Innenminister: Wer vor Krieg und Gewalt flieht, braucht unsere Hilfe und bekommt sie auch. Die Lasten müssen allerdings in Europa gerecht verteilt werden und alle Staaten müssen sich an geltendes europäisches Recht halten. Italien kann nicht einfach Flüchtlinge unregistriert nach Norden schicken. Hier stärken wir den Innenminister den Rücken, dies in Europa unmissverständlich einzufordern.

Straubinger Tagblatt: Die Landesgruppe fordert eine Beschleunigung der Asylverfahren. Wie soll diese Beschleunigung konkret aussehen?

Gerda Hasselfeldt: Bisher dauern Asylverfahren im Schnitt mehr als acht Monate. Das ist viel zu lang. Wir wollen zügig Rechtssicherheit im Sinne der Asylbewerber und im Sinne der Kommunen, die für die Unterbringung der Flüchtlinge verantwortlich sind. Im ersten Schritt haben wir für mehr Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gesorgt. Jetzt wollen wir die Verfahren stärker systematisieren und dadurch effizienter machen. Bei einfach gelagerten Fällen, wenn Asylbewerber zum Beispiel aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, sollen die Verfahren in den ersten sechs Wochen rechtskräftig abgeschlossen werden. So können wir unsere Kräfte auf die konzentrieren, die sie am nötigsten brauchen.

Straubinger Tagblatt: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird ebenfalls nach Wildbad Kreuth kommen. Wie beurteilen Sie den derzeitigen Kurs des Westens gegenüber Russland?

Gerda Hasselfeldt: Wir akzeptieren es nicht, wenn Völkerrecht gebrochen wird. Das müssen wir immer wieder unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Die Sanktionen gegen Russland sind deshalb unausweichlich. Es ist gut und richtig, dass Europa hier eng zusammen steht. Ebenso klar muss uns aber auch sein: Ein gutes Verhältnis zu Russland ist zur Lösung vieler globaler Probleme unerlässlich und muss deshalb in unserem Interesse sein. Deshalb dürfen wir den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen.

Straubinger Tagblatt: Wie sollte die EU denn mit dem Westkurs des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko umgehen, wenn man Moskau nicht noch weiter gegen sich aufbringen will?

Gerda Hasselfeldt: Es gilt das Selbstbestimmungsrecht der Staaten. Deshalb unterstützen wir die von der Ukraine gewollte Assoziierung mit der EU. Die Frage nach einem EU- oder Nato-Beitritt der Ukraine stellt sich derzeit allerdings nicht. Deshalb sollte man das auch nicht immer in den Mittelpunkt stellen.

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