Vor dem CSU-Parteitag mahnt die Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Rheinischen Post, dass die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft begrenzt sei.

Hier das Interview mit der Rheinischen Post im Wortlaut:

Werden Sie in diesem Jahr unbeschwert wie immer auf ihren Lieblings-Weihnachtsmarkt gehen?

Hasselfeldt: Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, das ist ja genau das, was die Terroristen wollen. Es ist aber erhöhte Wachsamkeit erforderlich. Ich vertraue auf die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden und gehe deshalb auch auf den Weihnachtsmarkt oder ins Konzert, wenn meine Zeit es erlaubt.

Brauchte die CSU für ihren Parteitag auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen?

Hasselfeldt: Ich gehe davon aus, dass die Sicherheitsmaßnahmen etwas intensiver gestaltet werden als bei früheren Parteitagen. Das ist aber Sache der Polizei.

Muss man die Kanzlerin vor der CSU schützen?

Hasselfeldt: Auch wenn die Stimmung aufgrund des großen Flüchtlingszustroms aufgewühlt ist, wird die CSU die Bundeskanzlerin anständig und respektvoll empfangen. Wir sind dankbar, dass sie sich die Zeit nimmt, zu uns zu kommen.

Keine Buh-Rufe?

Hasselfeldt: Kann ich mir nicht vorstellen.

Welche Signale zur Flüchtlingspolitik erwarten Sie denn von der Kanzlerin?

Hasselfeldt: Es ist nötig, dass sie die Maßnahmen erklärt, die sie auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene eingeleitet hat. Ich hoffe auf ein Signal, dass wir eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen brauchen. So steht es ja auch im gemeinsamen Beschluss von CDU und CSU.

Noch gehen die Flüchtlingszahlen nicht signifikant zurück. Wie lange schaffen wir das noch?

Hasselfeldt: Es bleibt natürlich vieles zu tun, aber wir haben in den vergangenen Wochen auch bereits Wichtiges auf den Weg gebracht. Das dürfen wir nicht völlig außer Acht lassen. Durch die Einstufung weiterer Staaten des westlichen Balkans als sichere Herkunftsstaaten beispielsweise ist die Zahl der Flüchtlinge vom Westbalkan deutlich zurückgegangen. Nun gilt es, auch in anderen Bereichen, umzusetzen, was wir vereinbart haben. Es geht nicht, dass einige Bundesländer sich weigern, künftig ohne Ankündigung zurückzuführen, so wie es die Koalition beschlossen hat, oder es weiterhin Taschengeld  statt Sachleistungen gibt. An die gemeinsamen Beschlüsse müssen sich alle halten – auch NRW und Niedersachen.

Bis wann muss Deutschland die Wende geschafft haben?

Hasselfeldt: Ein konkretes Datum ist da nicht zielführend. Klar ist: Wir müssen bald zu einer spürbaren Entlastung kommen. Dazu sind auch die Unterstützung von Flüchtlingslagern in den Herkunftsregionen, die Sicherung der EU-Außengrenzen und Hotspots an diesen Grenzen nötig. In Deutschland sind die haupt- und ehrenamtlichen Kräfte jedenfalls an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen, in Bayern ist die Grenze vielerorts weit überschritten. Die psychische und zeitliche Belastung der Helfer ist nicht mehr zu steigern. Um die Entwicklung genau zu beobachten, aktuelle Schlüsse zu ziehen und zügig Fortschritte zu erreichen, treffen wir uns mit den Spitzen von CSU und CDU alle 14 Tage.

Der Vizekanzler wollte die Deutschen darauf vorbereiten, sich auf Dauer auf eine halbe Million Flüchtlinge einzustellen. Unterstützen Sie ihn dabei?

Hasselfeldt: Ich möchte keine Zahl nennen. Das kann dann gleich wieder als Einladung missverstanden werden. Unbestritten ist für mich, dass wir die Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft im Auge behalten müssen und sie nicht überstrapazieren dürfen. Die Integrationskraft ist nicht unbegrenzt.

Wie gut arbeitet eine Koalition zusammen, wenn ein Teil, also die CSU über ihre bayerische Staatsregierung, eine Klage gegen die eigene Regierung vorbereitet?

Hasselfeldt: Es ist das legitime Recht jedes einzelnen Landes, zu prüfen, was leistbar und was rechtlich tragbar ist. Das Ergebnis dieser Prüfung haben wir noch nicht. Es gehört aber zur Wahrheit, dass wir an Grenzen stoßen angesichts von täglich 7.000 bis 10.000 Menschen, die über die bayerische Grenze kommen. Die Verteilung auf die anderen Länder funktioniert mal und mal nicht. Da können wir nicht so tun, als gäbe es keine Probleme.

Hängen die Themen Flüchtlinge und Terror zusammen?

Hasselfeldt: Das sind zwei große Herausforderungen, die getrennt voneinander zu bewältigen sind.

Wäre beiden geholfen, wenn die EU-Außengrenzen besser gesichert wären?

Hasselfeldt: Die Sicherung der EU-Außengrenzen ist von zentraler Bedeutung. Deshalb dringen wir ja schon seit Monaten drauf – also lange vor den Anschlägen von Paris.

Mit welchem Ergebnis kann Parteichef Seehofer bei seiner Wiederwahl rechnen?

Hasselfeldt: Mit einem sehr guten. Er wird einen großen Vertrauensbeweis bekommen, der ihm den Rücken stärkt in einer nicht einfachen Zeit. Die Delegierten wissen, dass Geschlossenheit ein hohes Gut ist.

Ist das Vertrauen so groß, dass man sich wünscht, er möge weitermachen auch über 2017/18 hinaus?

Hasselfeldt: Er ist sowohl als Parteivorsitzender als auch als Ministerpräsident völlig unbestritten. Die Aufgeregtheit über die Frage, ob er weiter macht, ist außerhalb der Partei offenbar größer als innerhalb.

Wären Sie überrascht, wenn er sich entschlösse, weiter zu machen?

Hasselfeldt: Da bin ich ganz gelassen. Ich bin in einem Alter, in dem mich selten etwas überrascht. Ich nehme es, wie es kommt.

Und die potenziellen Nachfolger? Wird man aus den Ergebnissen für Markus Söder und Ilse Aigner etwas ablesen können?

Hasselfeldt: Ich glaube nicht, dass sich jetzt schon Rückschlüsse ziehen lassen für Positionen, die erst in einigen Jahren vergeben werden. Das ist eine Sammelabstimmung, der sich beide als Bezirksvorsitzende stellen.

Aber man kann dem Einen oder der Anderen die Stimme verweigern.

Hasselfeldt: Ich würde das nicht überbewerten. Entscheidend sind Leistung und Rückhalt, wenn es so weit ist. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Isar runter. Und wer weiß, ob es bei zwei möglichen Nachfolgekandidaten bleibt oder noch weitere Kandidaten im Rennen sein werden?

Hat sich Söder mit seinem „Paris-ändert-alles“-Tweet ins Abseits manövriert?

Hasselfeldt: Er hat dafür zumindest keine große Zustimmung bekommen. Der Parteivorstand hat sich eindeutig gegen eine Vermischung der Themen ausgesprochen. Die Trennung ist richtig und notwendig: auf der einen Seite die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität, auf der anderen Seite die Reduzierung des Flüchtlingszustroms.

Ist die Strategie der absoluten Mehrheit noch eine Option für 2017?

Hasselfeldt: Es geht immer darum, so viele Stimmen wir nur irgend möglich auf die Union zu vereinen. Das ist kein Selbstläufer. Bei der letzten Bundestagswahl waren wir knapp an der absoluten Mehrheit. Das Ziel liegt also nicht in Utopia. Aber da haben wir natürlich noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns – in Demut vor dem Wähler.

Haben Sie auch Demut vor den Ergebnissen der Sonntagsfragen, nach denen die AfD so viel zugewinnt wie die Union verliert?

Hasselfeldt: Der Blick auf die Umfragen zeigt, dass das Thema die Menschen sehr bewegt. Wir müssen die Ängste und Sorgen ernst nehmen. Dabei schielen wir nicht ständig auf die Umfragen, unser Auftrag ist, das Problem zu lösen. Wir tragen da eine doppelte Verantwortung: gegenüber den Flüchtlingen, die wir menschenwürdig behandeln müssen, und der heimischen Bevölkerung, die nicht überfordert werden darf.

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