Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Dr. Volker Ullrich in der Bundestagsdebatte zum Schutz vor sexuellem Missbrauch und IP-Adressenspeicherung, 20.9.2023:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
In einer Debatte zu einem Zwischenbericht im Plenum über die Arbeit im Rechtsausschuss wird zunächst einmal auch über parlamentarisches Verständnis diskutiert. Ich finde, wir sollten uns im Deutschen Bundestag – auch die Regierungsfraktionen – nicht kleiner machen, als wir sind. Ein wichtiges Thema im Rechtsausschuss 15-mal zu vertagen ohne inhaltliche Debatte, das wird der Aktualität und der Brisanz dieses Themas nicht gerecht und ist auch vor dem Hintergrund unserer Selbstverantwortung respektlos, meine Damen und Herren.
Sie haben angeführt, dass die kommende Anhörung in der Nähe von zwei Wahlterminen liegt. Aber es lag ja nicht an uns, dass die Anhörung auf den 11. Oktober fällt. Wir hätten diese Anhörung bereits im Winter letzten Jahres oder im Frühjahr dieses Jahres haben können.
Und ich füge hinzu: Wir hätten diese Anhörung auch zu diesem Zeitpunkt haben müssen; denn seit diesem Zeitpunkt sind 20 000 Fälle eingestellt worden – und nicht etwa irgendwelche Fälle, sondern schwerste Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern.
Es darf uns und diesen Rechtsstaat nicht ruhen lassen, diese Fälle aufzuklären und abzuurteilen. Das ist unsere Verpflichtung. Diese Verpflichtung gilt vor allen Dingen auch am Weltkindertag. Nun sind in dieser Debatte einige Nebelkerzen geworfen worden.
Es geht nicht mehr um eine allgemeine anlasslose Verkehrsdatenspeicherung. Hier sind in der Vergangenheit viele unterschiedliche juristische Aspekte erörtert worden. Aber die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist klar, und diese respektieren wir auch. Der Europäische Gerichtshof hat auch ganz klar und deutlich gesagt, dass es eine Möglichkeit gibt, zumindest für einen überschaubaren, begrenzten Zeitraum eine Speicherung von IP-Adressen vorzunehmen, weil die Eingriffstiefe bei IP-Adressen weniger stark ist als bei der allgemeinen Verkehrsdatenspeicherung und weil sie trotzdem noch ein tauglicher Ermittlungsansatz beim Kampf gegen die Verbreitung von Bildern von sexuellem Missbrauch von Kindern ist.
Ich meine: Wenn der Staat einen Schutzauftrag hat und wir im Rahmen dieses Schutzauftrags eine Abwägung von Grundrechten vornehmen müssen, dann ist das Wohl und das Weh von Kindern im Rahmen dieses Abwägungsauftrages doch zumindest ein so hohes Gut, dass wir eine begrenzte Speicherung von IP-Adressen im Rechtsstaat in Kauf nehmen müssen.
Sie, Frau Kollegin Wegge, haben einige politische Vorhaben erwähnt, die Sie umsetzen wollen. Da frage ich mich, warum Sie bei diesem Thema nicht Ihre eigene SPD-Bundesinnenministerin unterstützen, die seit vielen Monaten durch das Land zieht und auch im hessischen Wahlkampf deutlich macht, dass sie eine Speicherung von IP-Adressen für notwendig hält, und zwar zur Aufklärung von schwersten Straftaten gegen Kinder. Also, Sie müssen hier schon klar und deutlich sagen, ob Sie Ihre eigene Innenministerin unterstützen wollen, auch in der Auseinandersetzung innerhalb der Koalition. Oder wollen Sie klarmachen, dass selbst dieser begrenzte Punkt des Schutzes von Kindern Ihnen nicht wichtig genug erscheint?
Ich kann Ihnen nur raten und zurufen – und da haben Sie sogar die Unterstützung der Union –: Legen Sie einen Gesetzentwurf vor, bei dem die begrenzte Speicherung der IP-Adressen gemäß der Vorgabe des EuGH möglich und notwendig erscheint!
Und wenn die Koalition, so wie die Reden von den Kollegen von Grünen und SPD das nahegelegt haben, nicht bereit ist, zumindest dieses Mindestmaß an Schutzniveau gesetzlich zu verankern, dann sagen Sie das doch den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes ganz eindeutig. Sagen Sie das auch den Ermittlern, die uns zurufen: Gebt uns zumindest dieses Ermittlungsinstrumentarium!
Wenn Sie es nicht tun, werden wir nach wie vor darauf hinwirken, dass eines Tages diese IP-Adressen-Speicherung umgesetzt wird, weil es ein wichtiger Baustein ist, um die Rechte von missbrauchten Kindern zu schützen, und da werden wir nicht lockerlassen.
Herzlichen Dank.