Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, 5.9.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin!

Wenn man Ihnen so zuhört, dann drängt sich der Eindruck auf, in der aktuellen Bundesregierung läuft alles wie geschmiert, und man könnte meinen, dass das Bundesministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz am laufenden Band Gesetze produziert, die unser Land und den Umweltschutz im Einklang mit der Wirtschaft und den Menschen wirklich voranbringen. Die Wahrheit ist aber: Im Getriebe der Ampelkoalition knirscht es gewaltig. Kaum ein Gesetz erblickt das Licht der Welt, ohne dass es nicht zuvor bereits zwischen den Fronten in der Koalition zerrieben wurde. Viele Ihrer Gesetze sind rundweg abzulehnen, und die Verfahren dazu sind absolut unterirdisch, Stichwort „Heizungsgesetz“.

Die Zeitenwende ist abgesagt. Wir haben es nicht mit einer Fortschrittskoalition zu tun, sondern mit einer Abstiegskoalition, meine Damen und Herren. Und wenn Sie jetzt wieder fragen: „Wo sind denn Ihre Vorschläge?“, dann muss ich Ihnen einfach sagen – ich habe es mir heute noch einmal angeschaut und habe es gezählt –: Über 480 Anträge und Entschließungsanträge hat unsere Fraktion in dieser Legislaturperiode bei allen Themen eingebracht, und die zig Änderungsanträge, die unzähligen, sind da noch gar nicht dabei. Bei wenigen Themen konnten wir Sie zum Handeln bewegen, und manche Dinge haben Sie dann vielleicht nicht gemacht, wie die unsägliche Gasumlage. Aber meistens ging es im Schneckentempo. Die Anträge haben Sie natürlich alle abgelehnt und Ihre Politik weiter durchgezogen.

Ihr Ministerium, Frau Lemke, legt vor allen Dingen Strategien und Aktionsprogramme vor und wenig Konkretes.

Bis Sie in die Umsetzungsphase kommen, geht viel zu viel Zeit ins Land; ich werde es nachher an den Themen auch erläutern. Das haben Sie in Ihrer früheren Oppositionszeit immer kritisiert. Jetzt sind Sie in der Verantwortung und scheitern an Ihren eigenen Ansprüchen.

Beispiel: Der Gesetzentwurf zur Klimaanpassung – Sie haben es gerade erwähnt – wurde jetzt von der Bundesregierung verabschiedet. Er ist aber nur eine leere Hülle, vor allen Dingen mit Zielvorgaben und Geboten. Diese Hülle muss schnellstmöglich mit Leben gefüllt werden, mit der von Ihnen angekündigten Klimaanpassungsstrategie, die dann eben auch konkrete Maßnahmen enthält. Die gibt es aber noch nicht.

Wir haben zu dem Thema einen sehr fundierten Antrag eingebracht, mit konkreten und umfassenden Vorschlägen. Was haben Sie gemacht? Den Antrag haben Sie natürlich abgelehnt. Die Klimaanpassungsstrategie, mit der wir Schäden wirklich vermeiden und Menschenleben wirklich retten können, die lässt schon seit zwei Jahren auf sich warten. Und was machen Sie stattdessen? Sie weichen das Klimaschutzgesetz, wo es um die Reduzierung von CO2 geht, das wir auf den Weg gebracht haben, auf. Das macht wirklich keinen Sinn. Das, was die Menschen in unserem Land jetzt brauchen, ist ein klarer Kompass, und den lassen Sie vermissen.

Der klare Kompass, der fehlt auch beim Umgang mit dem Wolf. Es muss endlich Schluss sein mit der Romantisierung des Wolfes. Neben der Bejagung von Problem-wölfen, die Sie jetzt schneller angehen wollen, müssen die Wolfsbestände, die kontinuierlich und exponentiell wachsen, kontrolliert kleingehalten werden. Der günstige Erhaltungszustand ist erreicht; das haben uns die Experten in der Anhörung mehrfach gesagt. Der „Praxisleitfaden Wolf“, den Umweltminister aus Bund und Ländern erarbeitet haben, der reicht nicht; denn da geht es wieder nur um die Bejagung von Problemwölfen. Sie müssen endlich handeln und den Weg freimachen für ein effektives Bestandsmanagement und eine unbürokratische und schadensunabhängige Möglichkeit der Bejagung. Auch hierzu haben wir einen ganz konkreten Antrag in den Bundestag eingebracht, den Sie einfach abgelehnt haben. Auch die FDP hat inzwischen begriffen, dass wir jetzt endlich handeln müssen und dieses Bestandsmanagement brauchen. Kündigen Sie nicht nur an, sondern handeln Sie endlich, sehr geehrte Frau Ministerin!

Wo man hinhört, ächzen die Menschen in unserem Land unter den gestiegenen Preisen, vor allem bei Energie und Lebensmitteln. Aber ich frage mich: Wo ist denn hier die Verbraucherschutzministerin? Was ist Ihre Antwort auf die Inflation und die damit einhergehenden Belastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, liebe Frau Lemke?
Wir befinden uns in der schlimmsten Rezession seit Jahren, seit Jahrzehnten. Unsere Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Die Menschen müssen mitgenommen werden und dürfen nicht durch zu viel Regulierung, wie zum Beispiel das unsägliche Heizungsgesetz, vor den Kopf gestoßen werden. Und was machen Sie? Sie peitschen dieses Gesetz noch diese Woche ohne erneute Beratung abschließend durch den Bundestag. Das ist eine Missachtung des Deutschen Bundestages und inhaltlich einfach nur Murks, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Und wenn wir schon beim Thema „Energie und Fehlentscheidungen“ sind: Für mich als Klimapolitikerin ist es absolut unverständlich, dass wir die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet haben und deshalb auf schwimmende Ölkraftwerke und Kohlekraftwerke setzen müssen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Rückbaustopp bei den kürzlich vom Netz gegangenen Anlagen. Nachdem wir das schon in mehreren Anträgen hier im Hohen Haus gefordert haben, ist jetzt wohl die FDP auch an dieser Stelle aufgewacht. Sie müssen sich auch in diesem Punkt in Ihrer Ampelkoalition durchsetzen.
Ich kann uns allen nur wünschen, dass uns weitere Fehlentscheidungen der Abstiegskoalition erspart bleiben. Nehmen Sie unsere Anträge einfach an, und reißen Sie das Ruder noch herum. Es gibt wahrlich viel zu tun.

Vielen Dank.
 

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