Der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, hält es für richtig, dass der scheidende CSU-Vorsitzende Horst Seehofer das Amt des Innenministers behält. Seehofer wolle die von ihm ausgehandelten Elemente des Koalitionsvertrags umsetzen, so Dobrindt im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Herr Dobrindt, guten Tag nach Murnau.
Grüß Gott, Frau Hamberger.
Herr Dobrindt, seit Freitag kurz vor 10.30 Uhr ist es gewiss, in fünf unaufgeregten Sätzen hat Horst Seehofer in einer Pressemitteilung – gar nicht in einem persönlichen Statement – mitgeteilt, dass er zum 19. Januar 2019 sein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung stellen wird, und dass es einen Sonderparteitag geben soll. Die Kritik an Horst Seehofer war ja in der Partei in den letzten Wochen durchaus laut geworden. Der eine oder andere hat öffentlich auch gesagt, er soll zurücktreten als Parteivorsitzender. Haben Sie das Gefühl, die Partei hat jetzt erleichtert aufgeatmet?
Also, wenn man die Stellungnahmen vieler Kollegen anschaut, dann sind die ja davon geprägt, dass sie Horst Seehofer großen Respekt und Dank und Anerkennung gegenüberbringen. Und auch ich muss sagen, Horst Seehofer hat historische Erfolge gefeiert mit der CSU. Er hat in einer für unsere Partei schwierigen Zeit damals das Amt als Parteivorsitzender übernommen und hat dann 2013 eine absolute Mehrheit in Bayern wieder erreicht, ein riesiger Wahlerfolg. Und deswegen muss man sagen, die Zeit, in der er Parteivorsitzender war, die zehn Jahre, das waren zehn Jahre, die für diese Partei, aber übrigens auch für den Freistaat Bayern gute Jahre waren. Und das, glaube ich, überwiegt ja bei den Kollegen in der Bewertung, dass diese großen Erfolge mit ihm gefeiert werden konnten.
Er hat Anfang der Woche schon gesagt, sein Amt als Innenminister bleibt davon unberührt und auch in dieser Pressemitteilung liest man davon nichts. Sollte er das aber eigentlich auch abgeben?
Nein, da gibt es keinen Grund dafür. Er hat mit ja auch gerade seinem persönlichen Einsatz in den Koalitionsverhandlungen ja dafür gesorgt, dass die Themen Sicherheit, dass die Themen Migration da ganz oben auf der Agenda stehen. Wir haben gerade in diesen Fragen auch den Koalitionsvertrag mit CDU und SPD sehr stark geprägt. Von daher halte ich es sogar für natürlich, dass er diese Elemente, die in diesem Koalitionsvertrag eine große Rolle spielen, auch in seiner Funktion als Bundesinnenminister abarbeiten will, umsetzen will. Da ist auch eine ganze Menge ja von ihm aufs Gleis gesetzt worden. Und deswegen, ich halte es für richtig, dass er in seinem Amt des Bundesinnenministers bleibt und diese Themen bearbeitet.
Geht einer, folgt logischerweise einer nach – auch im Amt des Parteivorsitzenden. Sie selbst haben gesagt, Sie haben nicht vor, sich am Wettbewerb um die Nachfolge von Horst Seehofer zu beteiligen. Warum wollen Sie denn nicht?
Ja, ich habe ja gesagt, dass ich zu einem Zeitpunkt in dieser Woche mich nicht an einem Wettbewerb beteilige, wenn er dann stattfindet, um die Nachfolge von Horst Seehofer. Das war gestern so und das ist heute so. Das war meine Wortwahl. Ich will jetzt aber nicht jeden Tag wieder danach gefragt werden, ob es jetzt heute auch immer noch so ist. Also, ich glaube, dass wir alle Verantwortung tragen in der Frage: Wie entwickelt man jetzt diese Partei weiter, wie modernisiert man die Partei? Da geht es ja weit über die Frage von Personalentscheidungen hinaus.
Und dann geht es ja auch um die inhaltliche Modernisierung der Partei, die notwendig ist, wenn wir wieder Wählerstimmen – die wir ja auch verloren haben, übrigens auf beiden Seiten des politischen Spektrums – zurückgewinnen wollen. Und das beschäftigt mich momentan sehr stark, wie wir uns da neu ausrichten. So, und bei der Frage „die personelle Erneuerung“, da muss man jetzt nicht Spekulationen nähren oder Spekulationen begründen, sondern das kann man jetzt einfach, glaube ich, in relativer Gelassenheit und Ruhe abwarten.
Auf die inhaltliche und strategische Ausrichtung der Partei würde ich auch gerne gleich noch schauen, dennoch aber ein bisschen bei den Spekulationen bleiben. Stand heute Abend, Samstag – wir zeichnen das Interview ja auf – gibt es allerdings auch noch niemanden, der seinen Hut offiziell in den Ring geworfen hat und gesagt hat: Ich möchte Nachfolger von Horst Seehofer werden. Manfred Weber, der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Spitzenkandidat der europäischen Volkspartei für den Europawahlkampf, hat zumindest schon mal gesagt, er möchte nicht Parteivorsitzender werden. Er wird nicht antreten. Jetzt steht aber noch eine andere Person im Raum, nämlich Markus Söder. Glauben Sie, er wird seinen Hut in den Ring werfen und würden Sie das begrüßen?
Ja, gut, jetzt haben wir erst mal ja ein paar Tage Zeit. Wir werden im Januar einen Parteitag haben. Auf dem Parteitag wird ein neuer Parteivorsitzender gewählt. Wir haben im Dezember einen Parteivorstand. In diesem Parteivorstand werden wir diesen Parteitag vorbereiten. So, und jetzt spekuliere ich nicht darüber, wenn sich Kollegen selber nicht erklärt haben, ob sie zur Verfügung stehen oder ob sie nicht zur Verfügung stehen.
Für mich ist klar, es zählt in der Partei jetzt der Teamgedanke. Es geht mehr um das Miteinander. Es muss weniger Gegeneinander geben. Und das heißt also, dass auch die verschiedenen politischen Ebenen, dass München, Berlin, Brüssel und die Kommunalebene, da muss es schon eine gemeinsame Linie und vor allem ein gemeinsames Verständnis geben, dass man diese Partei auch wieder zu größeren Erfolgen führen kann, und dass man auch zusammen daran arbeitet, diese Erfolge zu erreichen. Das ist das, was mich jetzt auch bewegt.
Müssen Parteichef und Ministerpräsident in einer Hand liegen?
Ja, ich kenne ja alle Für und Wider. Im Wesentlichen hat der eine etwas mehr Leidenschaft dafür, der andere etwas mehr Leidenschaft dafür. Es gibt für alles auch gute Argumente. Ich sage, es hängt in erster Linie auch gerade immer von der Zeit ab. Und das kann man immer dann am besten hinterher beurteilen, ob es die optimalste Aufstellung war. Ich werde jetzt der Versuchung nicht unterliegen, über das Vehikel dann vielleicht noch am Schluss in diesem Interview sagen zu müssen, was jetzt gerade die beste Spekulation über Namen ist, die sich selber noch nicht erklärt haben.
Also, ich merke schon, ich kriege Sie nicht dazu. Sie haben gerade schon selber gesagt, es geht nicht nur um personelle Neuaufstellung, sondern es geht auch um inhaltliche, um strategische Neuaufstellung. Die CSU hat nicht nur an die AfD, an die Freien Wähler verloren, auch an die Grünen. Und, wenn man sich mal die Wählerwanderung anschaut, dann haben sie 160.000 an die AfD verloren und sogar 170.000 Stimmen an die Grünen. Also, sehen Sie da vielleicht einen Fehler auch bei sich selbst, sich zu stark auf die AfD und auf die AfD-Wähler konzentriert zu haben?
Nein, wir haben an die AfD und die Freien Wähler zusammen doppelt so viel verloren wie an die Grünen. Beides ist jetzt etwas, was wir korrigieren wollen. Wir wollen Wähler zurückgewinnen, die aus unterschiedlichen Gründen eine andere Wahlentscheidung getroffen haben. Und, ja, wir sind in einer Dilemma-Situation, wenn man so will, zwischen auf der einen Seite eine Bewegung nach rechts von uns und auf der anderen Seite eine Bewegung auch nach links von uns. Beides gibt es. Und man muss mit unterschiedlichen Rezepten gegen beide Bewegungen auch dann eine Möglichkeit finden, diese Wähler auch zurückzubekommen.
Das hat auf der Seite der Grünen ganz viel damit zu tun, dass wir auch bei den Ökologiethemen einen Nachholbedarf durchaus haben. Die Bewahrung der Schöpfung ist zwar einer der Ursprungsgedanken einer christlichen Politik, aber in der aktuellen Klimadebatte vielleicht nicht mehr so offensiv vertreten oder so wahrnehmbar, wie das eine Wählergruppe sich auch gerne wünscht. Und, ja, das muss man jetzt aufnehmen, muss sein Profil da deutlich schärfen. Und dann kann der Klimaschutz auch gerade zu dieser Wählergruppe auch ein Brückenthema sein.
Können Sie das schon mit Inhalten füllen, also, wo Sie sagen, da sehen wir Schwerpunkte, die wir setzen müssen beim Thema Klimaschutz, Umweltschutz?
Ich glaube, dass man als Allererstes mal wieder formulieren muss, dass wir ja Ökonomie und Ökologie und den sozialen Ausgleich zusammenbringen. Wir sind keine Ein-Thema-Partei. Wir sind keine Partei, die sich wie andere dann auf ein Element stützen, das eine hohe Emotionalisierung hat, sondern wir müssen ja einen ganzheitlichen Ansatz auch erklären können gegenüber den Wählern. Und das kann man, wenn man diese unterschiedlichsten Elemente, die für Wachstum, Wohlstand, Arbeit, Sicherheit notwendig sind, miteinander verbindet. Also, Ökonomie, Ökologie, sozialen Ausgleich, soziale Sicherheit, das können wir mit verbinden.
Und ich glaube, dann haben wir auch die Chance, diese Grünen-Wähler, die sich heute ja nicht mehr so ganz homogen bilden, wie das in der Vergangenheit der Fall war, sondern das sind ja an sich schon unterschiedliche Gruppen, da kann man einen Teil davon erreichen damit oder auch wieder erreichen, die vielleicht in der Vergangenheit ohnehin näher bei uns waren.
Das trifft nicht die Ideologie-Grünen, aber das trifft die, nennen wir sie Lebensgefühls-Grünen, die schon, ja, auch bürgerlich in ihrem Denken, in ihrem Verhalten, in ihrem Lebensstil sind, aber einen ganz besonderen Wert eben auf diese ökologischen Themen auch legen. Die muss man eben stärker ansprechen mit dieser Verbindung von Ökonomie, Ökologie und sozialem Ausgleich.
Weil Sie das vorher ein Dilemma genannt haben, warum wollen Sie das Dilemma überhaupt auflösen? Gibt es denn vielleicht einfach im Moment so einen Zeitenwechsel, dass die Zeit der Volkspartei vielleicht auch einfach vorbei ist?
Sie können es ja auch Sandwich-Position nennen. Man muss es nicht Dilemma nennen. Aber es heißt letztlich, dass man von beiden Seiten des politischen Spektrums zurzeit mit harten Auseinandersetzungen zu rechnen und zu kämpfen hat, und dass die dazu führen, dass man eben eine Abwanderung von Wählern spürt. Das muss man auflösen, weil ich mich nicht damit zufriedengeben will, dass solche einfachen Erklärungen, „die Zeit der Volksparteien ist halt zu Ende“, dass die ausreichen würden.
Erstens sind sie falsch. Die Zeit der Volkspartei ist heute so präsent wie auch in der Vergangenheit, die Notwendigkeit übrigens der Volksparteien aus meiner Sicht auch, weil die Volksparteien schließlich diejenigen sind, die gerade, wenn Sachen auseinandertriften, wenn nicht automatisch Einheit da ist, die haben die Kraft, Dinge zusammenzufügen. Und ich glaube, dass das in einer Gesellschaft, in der Unsicherheiten ja größer werden, wenn man sich die Welt anschaut mit allen ihren Ereignissen, wenn man sich die Umwälzungen in der Gesellschaft, auch durch Technologien, durch Digitalisierung anschaut, dann, glaube ich, braucht es sogar die Volksparteien, um Orientierung und Richtung zu geben und dafür zu sorgen, dass Dinge auch zusammengefügt werden, die ansonsten weiter auseinandertriften.
Ein gewisses Stück Sicherheit, Lösung der Probleme sehen offenbar einige Wähler auch bei den Grünen. Also, wenn man sich die Umfragen im Bund mal anschaut, dann gibt es ja fast eine Umkehr bei SPD und Grünen. Die Grünen sind bei über 20 Prozent, die SPD irgendwo bei 14 bis 15. Die Grünen haben Wähler von Ihnen bekommen. Warum ist diese Partei aus Ihrer Sicht plötzlich so stark?
Die Grünen leben natürlich auch sehr stark vom Austausch der Wähler mit der SPD. Man hat ja bei den vergangenen Wahlen gesehen, dass jetzt links der Mitte SPD und Grüne gemeinsam nicht stärker sind heute als vor fünf Jahren. Das trifft auf Hessen zu. Das trifft auch auf Bayern zu. Also, da gibt es einen starken Austausch. Das soll jetzt aber nicht dem widersprechen, was ich vorhin gesagt habe, dass wir natürlich auch von der CSU und auch von der CDU natürlich Wähler an die Grünen verloren haben. Aber wir waren ja bei dem Charakter der Volkspartei gerade. Die Grünen sind ja schon von ihrem Prinzip her und verstehen sich ja selber nicht als Volkspartei.
Aber könnten es ja werden.
Der Vorsitzende, Habeck, hat ja … ich glaube auch nicht, dass die das wollen, mit dem umfassenden Politikansatz, den eben Volksparteien haben, mit dem, was wir ja in der Vergangenheit erlebt haben, diesem Zusammenfügen – habe ich es vorhin genannt – von Dingen, die oftmals ja sogar unvereinbar schienen. Also, wenn man daran erinnert, Konrad Adenauer, der Protestanten und Katholiken zusammengeführt hat oder Ludwig Erhard, der dann Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einen Tisch geholt hat, Franz Josef Strauß, der Tradition und Fortschritt zusammengebracht hat oder jetzt Helmut Kohl mit Ost und West. Das sind ja gerade Themen, dafür braucht es ja diese starken Volksparteien.
Und die Grünen, die in ihrem Ansatz ja immer sich selber auch natürlich beschränken auf wenige Politikelemente, die greifen ja gerade dieses Modell der Volkspartei an. Und der aktuelle Grünen-Chef, Habeck, behauptet ja, Volkspartei sei immer nur der kleine gemeinsame Nenner. Und daran sieht man ja schon, dass er das Prinzip Volkspartei überhaupt nie verstanden hat, denn es ist ja das Gegenteil. Volkspartei ist eben der größtmögliche gesellschaftliche Ausgleich – das Gegenteil vom kleinen gemeinsamen Nenner. Und ich sage auch, wenn wir – tun ja viele – schon immer von einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft reden, dann kann ja die Antwort darauf nicht die Fragmentierung unseres Parteiensystems sein, sondern das Gegenteil: Die Volksparteien müssen gestärkt werden.
Weil Sie jetzt gerade das Vereinende, das „Gegensätze an einen Tisch bringen“ so sehr betonen, noch mal die Frage: War das ein Fehler vielleicht von Ihnen, von der Partei, eben genau das in den letzten Jahren, das Zusammenschließende, das Zusammenbringende zu vernachlässigen. Man hat sich ja eben dann doch teilweise sehr stark auf die Migrationspolitik und vielleicht sogar noch auf eben eine Wahrnehmung der Migrationspolitik konzentriert und damit vielleicht sogar eben diejenigen verschreckt, die die andere Wahrnehmung hatten – also nicht alle an einen Tisch gebracht, sondern eher auseinandergetrieben.
Nein, wir hatten ein Thema – das ist ja auch übrigens heute noch sehr stark präsent –, das viele andere politische Bereiche natürlich auch beeinflusst. Und wir haben auch gesehen, dass mit dem Thema verbunden es ja schon zu einer Veränderung der Wählersituation kommt. Und, wenn man sich die Geschichte der AfD anschaut, dann hat die zwei Grundlagen. Die eine ist die Euro-Rettungspolitik und die Euro-Krise. Und das andere ist dann die Migrationsfrage. Das sind die beiden Elemente. Und wir wollen uns nicht damit abfinden, dass es eine Partei rechts außen in Deutschland gibt, die bei Umfragen heute bundesweit bei 15 Prozent und Ähnlichem liegt, sondern wir haben großes Interesse daran, dass wir diese Wähler wieder zurückgewinnen können.
Alle?
Und diesen Wählern ein Angebot machen können, und dass wir diese Wähler auch wieder, sage ich einmal, in eine bürgerliche Heimat zurückführen, eine politische Heimat in dem Fall und es gerade nicht akzeptieren, dass es eine Rechtsaußenpartei in der Größe in Deutschland gibt. Und Ihre Frage jetzt „alle“, ob das mit allen möglich ist, das kann man natürlich nicht sagen, aber ich glaube, dass diejenigen, die in der Vergangenheit Unionsparteien gewählt haben oder SPD gewählt haben und heute der AfD eine Stimme gegeben haben, die will ich nicht aufgeben. Ich glaube, die kann man zurückholen und wir haben sogar eine hohe Verantwortung dabei, diese Wähler auch zurückzuholen.
Dazu gehört aber, dass sich Volksparteien auch der Aufgabe, die sie in einem Parteienspektrum nun mal haben, vollumfänglich widmen. Und die Aufgabe für die Unionsparteien heißt halt, nicht nur sich in der politischen Mitte zu sehen, sondern das ganze politische Spektrum Mitte bis zur demokratischen Rechten auch abzubilden und diesen Wählern dann auch die Chance zu geben, mit ihren Meinungen, mit ihren Einschätzungen, mit ihren Wahrnehmungen im Debatten- und Diskussionsprozess einer Partei teilzuhaben.
Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit dem Vorsitzenden der Landesgruppe der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt. Herr Dobrindt, schauen wir mal auf Ihre Schwesterpartei, die CDU. Die befindet sich gerade in einem Prozess der Neuaufstellung für die Zeit nach Angela Merkel. Es gibt drei Kandidaten im Rennen dort: Jens Spahn, Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz. Haben Sie einen Favoriten bei den Dreien?
ch verfolge das mit genauso großer Spannung wie viele andere, wie diese Kandidaten sich präsentieren. Ich kenne alle drei – allerdings natürlich unterschiedlich gut. Aber ich glaube, dass alle drei sehr genau wissen, dass sie auch die Säulen, die die Volkspartei CDU ausmachen, gleichermaßen betonen müssen, also die christlich-soziale, die liberale und die bürgerlich-konservative Wurzel. Das sind ja die drei, auf denen die Unionsparteien ruhen. Ich verfolge mit Spannung, ob vielleicht der eine oder andere Kandidat den Hinweis gibt, dass er glaubt, dass möglicherweise eine dieser Wurzeln in der Vergangenheit nicht ausreichend und gleichberechtigt Betonung gefunden hat in der Partei.
Wie stellen Sie sich denn die zukünftige Rollenverteilung zwischen CDU und CSU in einer Nach-Merkel-Zeit vor?
Wir haben ja in der Vergangenheit immer auch eine Art von kooperativer Konkurrenz gehabt. Das heißt, wir sind uns in vielen Themen sehr einig, aber wir haben auch in manchen Themen unterschiedliche Einschätzungen. Und diese Unterschiede haben ja gerade die Breite der Unionsparteien dann auch ausgemacht. Und, wenn man diese Breite, die ja jetzt in den vergangenen Tagen auch immer sehr betont worden ist – übrigens auch von den Kandidaten, über die wir gerade reden, ja immer wieder auch betont wird –, wenn man diese Breite der Unionsparteien ernst nimmt, dann muss man auch die Unterschiede, die es zwischen uns gibt, als Bereicherung sehen. Dann muss man diese Unterschiede, die wir haben, auch als Chance begreifen und weniger sich damit auseinandersetzen, dass man vielleicht diese Unterschiede immer gegenseitig attackiert.
Wer von den dreien, glauben Sie, ist da am fähigsten?
Ja, der Versuch ist jetzt natürlich erkennbar, mich in eine Rolle zu bringen als Vertreter der CSU, der CDU jetzt Ratschläge zu geben. Aber ich weiß natürlich, dass solche Ratschläge auch gerne dann als Schläge auf der anderen Seite wahrgenommen und interpretiert werden. Deswegen – der Versuchung kann ich jetzt widerstehen, Ratschläge an die CDU zu geben bezüglich ihres Spitzenpersonals und der Auswahl ihrer Parteiführung. Übrigens, das würden wir umgekehrt für uns auch in Anspruch nehmen, dass wie diese Ratschläge nicht wollen.
Kann denn Angela Merkel aus Ihrer Sicht Kanzlerin bleiben, wenn sie keine Parteivorsitzende mehr ist oder schwächt sie das?
Selbstverständlich kann sie das Amt der Bundeskanzlerin weiterhin ausüben. Die Frage, wie eine Zusammenarbeit zwischen einer Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden zu organisieren ist, die wird sich ständig stellen. Wenn man jetzt sich die aktuelle Entwicklung anschaut, dann kann es ja möglicherweise sein, dass im Bundeskabinett überhaupt kein Parteivorsitzender der drei Parteien, die diese Koalition bilden, sitzt. Und das heißt, man sieht, dass die Aufstellung da in Berlin eben auch eine andere ist, als man es vielleicht gewohnt ist. Aber es ist eine Aufstellung, die vielleicht auch gerade im politischen Diskussionsprozess dann auch eine positive Dynamik auslösen kann.
Herr Dobrindt, ich würde zum Schluss gerne noch mal ein Jahr zurückgehen. Am Montag jährte sich, dass die Jamaika-Koalition geplatzt ist, die FDP die Koalitionsverhandlungen ja verlassen hat. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an diese Nacht denken?
Ja, zwischendurch kommt einem da immer manches wieder in den Sinn. Und ich habe eine Erinnerung daran, die ja auch zeigt, wie schwierig diese Situation war. Wir hatten, glaube ich, alle das Gefühl, dass die FDP an einem Punkt war, wo sie bereit ist, den Tisch und den Raum zu verlassen. Und ich kann mich auch erinnern, wie ich gesagt habe, das Risiko besteht, dass die FDP geht, wenn wir ihr jetzt nicht den Rückweg aus Jamaika verbauen. Und mein Vorschlag war damals: Jetzt geben wir der FDP den Abbau des Solis, und zwar komplett. Das war eine ihrer Kernforderungen. Wenn sie das erreicht hat, in diesen Verhandlungen, dann kann sie den Tisch nicht mehr verlassen, weil man nicht vor die Wähler treten kann und sagen kann: Ich habe zwar mein größtes politisches Ziel momentan erreicht, aber ich finde trotzdem, dass man in dieser Konstellation nicht zusammenarbeiten soll. Das wäre sicher so nicht gegangen.
Aber dazu war dann in dieser Runde Angela Merkel auch nicht bereit. Damals waren allerdings auch die Steuerschätzungen andere. Das muss man dazu sagen. Aber diese Bereitschaft hatte sie in diesem Moment auch nicht, sodass es zu diesem Angebot dann nicht kam. Und der Rest ist ja auch bekannt. Und meine Erwartungshaltung ist, dass, wenn man heute vor der gleichen Situation wieder stehen würde mit dem Wissen, was man jetzt hat, dann würde man möglicherweise anders entscheiden, als man es damals getan hat. Das heißt, eine Wahrscheinlichkeit, wenn die gleichen Personen heute wieder entscheiden müssten, dass Jamaika ermöglicht werden würde, ist deutlich höher, als wir das eben erlebt haben mit dem Scheitern. Und von daher ist ja das schon mal auch, zumindest für die, die sich ja auch zwischendurch in Berlin immer wieder treffen, schon eine ganz nette Erkenntnis, wenn man das Gefühl hat, es hätte auch anders gehen können.
Christian Lindner hat ja auch jetzt in einem Interview gesagt: „Wir wollen ran.“ Also, auch dahin gehend, dass, wenn Merkel dann weg ist, dann könnte er sich das eben auch wieder vorstellen, dass Jamaika klappen könnte. Sie selbst haben ja auch immer gesagt eigentlich, dass die Große Koalition für Sie in dem Fall die bessere Option war oder zu dem Zeitpunkt. Könnten Sie sich aber jetzt tatsächlich dann ohne Angela Merkel auch Jamaika vorstellen?
Also, erstens, das stimmt. Ich habe die Große Koalition, also das Bündnis mit der SPD, als das logischere empfunden. Ich bin ja jetzt kein ausgesprochener Freund der grünen Politik. Aber auch da gehört dazu, dass man in diesen doch vielen Tagen Verhandlung auch Erfahrung gemacht hat, auch Verständnis für manche Positionen bekommen hat. Das heißt nicht, dass man diese Positionen annimmt, sondern dass man versteht, warum jemand zu einem oder diesem Ergebnis im politischen Denken kommt. Das hilft ja dann auch schon mal viel weiter. Auch in der Frage: Kann man da mit jemandem zusammenarbeiten?
Und ich kann mir nur vorstellen, dass dieser Lernprozess, der stattgefunden hat, die Erfahrung, die man gemacht hat, dass die Kollegen, die da zusammensaßen vonseiten der FDP, der Grünen und der beiden Unionsparteien, dass die heute doch mit einem anderen gegenseitigen Verständnis sich gegenübersitzen würden. Das würde vielleicht erst mal vieles vereinfachen, aber dann auch vieles an Zusammenarbeit ermöglichen. Das heißt nicht, dass man jetzt morgen eine Veränderung sucht, aber das heißt, dass man durchaus, wenn sich die Situation stellt, mit einem anderen Ergebnis der Zusammenarbeit rechnen könnte.
Herr Dobrindt, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und das Interview.
Gerne, herzlichen Dank.
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