Vor 125 Jahren nahm Papst Leo XIII mit der Sozialenzyklika „Rerum Novarum" als erstes Kirchenoberhaupt Stellung zu sozialen Fragen. Die CDU/CSU-Fraktion diskutierte mit Experten aus Politik und Gesellschaft über ihre Bedeutung heute.
Am 15. Mai 1891 veröffentlichte Papst Leo XIII die Enzyklika „Rerum Novarum“, die sich den gesellschaftlichen und sozialen Umwälzungen der Industriellen Revolution widmete. Fast auf den Tag genau 125 Jahre später diskutierten Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Kardinal Reinhard Marx, Staatssekretär Karl-Josef Laumann sowie Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften über die aktuelle Bedeutung der christlichen Soziallehre in Wirtschaft und Gesellschaft. Große Einigkeit bestand darin, dass die Eckpunkte der christlichen Soziallehre auch heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben.
Der Mensch steht im Mittelpunkt
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte in seiner Rede, dass die Kirche in ihrer Verkündigung nicht „neben der Zeit herlaufen“ dürfe. Wichtig sei, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe. „Was ihm langfristig und nachhaltig dient, das müssen wir fördern“, so der Kardinal. Er erläuterte die Bedeutung von Eigentum und Freiheit in der katholischen Soziallehre. Eigentum sei die Voraussetzung für ein Leben ohne Abhängigkeit. „Dieses Eigentum ist aber nicht grenzenlos, denn die Güter der Erde sind für alle da“, erklärte Marx. Er betonte auch, dass es eine freie Wirtschaft ohne eine Ordnung seitens des Staates nicht gebe.
Geist von "Rerum Novarum" aktuell wie nie
Mit einem Hinweis auf die aktuelle Flüchtlingssituation wies Fraktionsvorsitzender Volker Kauder auf die Zeitlosigkeit und Tagesaktualität der christlichen Soziallehre sowie insbesondere auf den Geist von „Rerum Novarum“ hin. Gerade das christliche Menschenbild könne in der Gegenwart eine gute Orientierung für das politische Handeln sein. „Die Vorstellung vom Menschen als Ebenbild Gottes verleiht diesem eine unteilbare Würde." Diese habe bei „Rerum Novarum“ gegolten, und dieses gelte genauso in der Gegenwart.
Grundlage der deutschen Sozialgesetzgebung
Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Peter Weiß erinnerte an die „grundlegende Bedeutung“ der christlichen Soziallehre für die Sozialgesetzgebung in Deutschland. „Unser Sozialstaat trägt zum inneren Frieden bei und ist gelebter Ausdruck der Personalität, Solidarität und Subsidiarität“, so Weiß.
In der anschließenden Diskussion wies Elke Hannack, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Vorstellungen der Kirchen und der Gewerkschaften hin. Für die Zukunft forderte sie die Umsetzung des Dreiklangs der Sozialenzyklika „Rerum Novarum“: „Auf dem Weg hin zu guten Arbeitsbedingungen, gerechten Löhnen und zu Einkommen, die Eigentumsbildung ermöglichen, sind noch einige Schritte zu machen“, so Hannack.
Einfluss auf Entscheidungen der Union
Der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), Staatssekretär Karl-Josef Laumann, betonte den Einfluss der christlichen Soziallehre auf die Programmatik der Union. „Die Volksparteien CDU und CSU hätte es ohne den Einfluss der christlichen Soziallehre nicht gegeben“, so Karl-Josef Laumann. Peter Barrenstein, Vorsitzender des Arbeitskreises Evangelischen Unternehmer, verwies in seinen Ausführungen darauf, dass der Gewinn nicht die einzige Zielgröße eines Unternehmens sein dürfe. „Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim“, betonte er.
Christliche Soziallehre auch weiter verlässlicher Kompass für die Politik
In seinem Schlusswort betonte der stellvertretende CSA-Landesvorsitzende und CSU-Bundestagsabgeordnete Reiner Meier, dass die christliche Soziallehre auch in Zeiten von Crowdworking und Arbeit 4.0 ein „verlässlicher Kompass“ für die Politik bleiben wird. „Wir müssen uns vor einer Haltung hüten, die den Menschen zum bloßen Objekt degradiert, zu einem Produktions- und Kostenfaktor.“
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