Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Sebastian Brehm in der Bundestagsdebatte zur Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Steuerwettbewerb am 6.7.2023:
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer beginnenden Rezessionsphase. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten steigen im Sommer die Arbeitslosenzahlen. Unternehmer wandern ab aus Deutschland. Investitionsentscheidungen werden gegen Deutschland getroffen oder verschoben. Und daher ist es dringend notwendig, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Deswegen haben wir die Große Anfrage „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Steuerwettbewerb“ gestellt.
Antwort substanzlos wie bisherige Finanz- und Wirtschaftspolitik
Große Anfragen bieten der Bundesregierung eigentlich die Möglichkeit und die Chance, in der Beantwortung Leitlinien zu erstellen und zu sagen, was sie vorhat. Das ist auch ein bisschen ein makroökonomischer Gesamtblick auf Deutschland. Das Ergebnis Ihrer Antwort ist leider so substanzlos wie Ihre bisherige Finanz- und Wirtschaftspolitik.
Ich will bloß mal sagen: Die letzten zwei Jahre ist überhaupt nichts in diesem Bereich geschehen. In diesem Jahr haben Sie gerade einmal vier Doppelbesteuerungsabkommen durch den Finanzausschuss gebracht – und sonst gar nichts. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Antworten sind in der Grundanalyse richtig; aber sie strotzen leider nur so von Platzhaltern und allgemeinen Plattitüden. Von Ihnen werden keine Maßnahmen vorgeschlagen, um diese ernste Situation der deutschen Wirtschaft wirklich zu beseitigen. Ich würde mir diese Schwarzmalerei gerne ersparen.
Aber leider ist die Realität derzeit eine andere, und das haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu verantworten. Und weil Sie immer auf die 16 Jahre unionsgeführter Regierung rekurrieren: Wir hatten Wachstum. Wir hatten Beschäftigung. Wir hatten die höchsten Steuereinnahmen, und wir haben Schulden rückgeführt in unserem Haushalt. Sie machen genau das Gegenteil!
150 Milliarden Euro Schulden in diesem Haushalt, und Sie führen Maßnahmen in der Wirtschaft durch, wodurch Arbeitsplätze gestrichen werden und die Unternehmen abwandern aus Deutschland. Steuerpolitik ist eben auch Standortpolitik, und wenn Sie jetzt keine Maßnahmen ergreifen, dann schadet das dem Standort Deutschland nachhaltig.
Sie sind da ambitionslos. Da kommt mal: „Vielleicht machen wir dieses Gesetz“; da kommen Ankündigungen über Ankündigungen: eine Investitionsprämie, eine Superabschreibung, ein Steuerfairnessgesetz usw. Und was geschieht? Im ersten Halbjahr gar nichts. Im zweiten Halbjahr wird das alles angekündigt.
Übrigens haben wir nur sieben Sitzungswochen bis zur Verabschiedung des Bundeshaushalts. Und Sie wissen ja nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von gestern, dass man eine ordentliche parlamentarische Befassung vornehmen muss. Also, insofern wäre es schön, wenn der Bundesfinanzminister mal endlich was auf den Tisch legen würde, was vor allem mit der Koalition abgestimmt ist.
Wenn man die Reden der Koalitionäre so anhört, dann kann einem ja schwindelig werden in Anbetracht dessen, was aus diesen Gesetzen, die vom Finanzminister mit Sicherheit in guter Absicht auf den Weg gebracht werden, nach der Diskussion am Ende wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lösungswege zu diesen Problemen liegen ja auf dem Tisch. Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode ein Unternehmenssteuerkonzept vorgelegt. Übrigens, der Kollege Herbrand war damals begeistert. Er hat gesagt: Setzen Sie es um. – Jetzt ist er plötzlich überhaupt nicht mehr begeistert, weil er im linken Spektrum des Parlaments sitzt und still sein muss.
Aber der Punkt ist doch der: Wir haben klare Konzepte und klare Lösungswege, die auch Sie in der Beantwortung der Großen Anfrage befürworten: Wir brauchen niedrigere Steuersätze in Deutschland. Lieber Herr Kollege Dr. Schäfer, es ist einfach falsch – vielleicht haben Sie die Statistik falsch herum gehalten –: Wir sind Höchststeuerland. Wir haben die höchsten Steuersätze, teilweise mit 20, 25 Prozent über dem Schnitt der OECD. Deswegen muss man das anerkennen: Die Steuern müssen runter, um wieder für Investitionen in unserem Land zu sorgen.
Und wie machen wir das? Indem wir die Steuersätze senken, und zwar genau für die Gewinne, die im Unternehmen bleiben, also für thesaurierte Gewinne. Nicht die Gewinne, die rausgenommen werden vom Unternehmer, sondern die, die im Unternehmen bleiben, müssen begünstigt besteuert werden, damit man auch die Investitionen in Klimaneutralität, in neue Technologie, in den internationalen Wettbewerb vornehmen kann. Damit hängt auch die Verlustverrechnung zusammen, immer wieder angekündigt von den Grünen und auch von der FDP. Gemacht wird gar nichts in dieser Regierung.
Wir haben unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, die wir gerade spüren. Dazu gehören übrigens auch – wenn man sich den Haushalt anschaut, sieht man, das ist erschreckend – Aufstiegsversprechen und Chancengleichheit. Sie streichen jetzt zum Beispiel beim BAföG und nehmen so Chancengleichheit und Aufstiegsversprechen für viele, viele Menschen weg. Das ist unredlich, und das wird die deutsche Wirtschaft auch in den nächsten Jahren nachhaltig behindern.
Streichungen behindern Wirtschaft
Die Menschen, die etwas leisten wollen – Leistungsförderung ist doch eigentlich immer auch ein Grundsatz der FDP gewesen –, müssen wir unterstützen, und deswegen dürfen Sie solche Streichungen auch nicht vornehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das behindert unsere Wirtschaft, und das behindert auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wir brauchen darüber hinaus natürlich einen deutlichen Abbau der Bürokratie. Allein die Energiepreispauschale von 300 Euro, die Sie ausgezahlt haben, beansprucht elf Paragrafen im Einkommensteuerrecht. Und so ist es bei jedem Gesetz – die Verabschiedung des Heizungsgesetzes wird ja jetzt verschoben –; aber wenn man sich den Gesetzentwurf durchliest, stellt man fest: Das wird eine irre Bürokratie sein! Also, wir brauchen dringend Bürokratieabbau in Deutschland. Auch das wurde angekündigt vom Bundesfinanzminister; gekommen ist noch gar nichts. Wahrscheinlich wird das noch per Fax in die einzelnen Fraktionen geschickt. Wir brauchen dringend diese Punkte: Steuersenkung, Bürokratieabbau.
Dann komme ich noch zu einem letzten Punkt, der mir wirklich wichtig ist: Wir brauchen Vertrauen in die Wirtschaft. Die ganzen Reden, die Sie halten, sind immer geprägt von einer ideologischen Aussage: Misstrauen gegen die deutsche Wirtschaft, Misstrauen gegen den deutschen Mittelstand.
Der deutsche Mittelstand handelt ordentlich, ist standorttreu. Aber wenn Sie ihn aus dem Land jagen, weil die Steuerbelastung durch Ihre Politik so hoch ist, weil Sie die Bürokratie so ausweiten und weil Sie ihn immer noch unter Generalverdacht stellen, dann muss man sagen: Wir brauchen Vertrauen in die deutsche Wirtschaft. Wir brauchen Vertrauen in den deutschen Mittelstand. Und dafür kann ich werben.
Wir haben klare Konzepte auf den Tisch gelegt. Wir sind bereit für Diskussionen. Handeln Sie jetzt! Sonst schaden Sie dem Standort Deutschland nachhaltig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herzlichen Dank.