Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Dobrindt in der Regierungserklärung zur Haushaltslage, 28.11.2023:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Politische Verantwortung gibt man nicht am Kleiderhaken ab, sondern dazu steht man“ – Herr Mützenich, das waren Ihre Worte gerade. Genau das hätten wir heute an diesem Rednerpult erwartet. Es gab kein Wort des Bedauerns. Es gab keine Entschuldigung dieser Ampelregierung, meine Damen und Herren.
Herr Bundeskanzler, Sie haben heute dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass die Anwendungsregeln der Schuldenbremse vor diesem Verfassungsgerichtsurteil nicht wirklich bekannt gewesen wären. Sie haben weiter der Öffentlichkeit und dem Bundestag mitgeteilt, dass das Verfassungsgericht über eine Staatspraxis geurteilt hätte. Und Sie, Herr Mützenich, haben ferner auch noch die Dreistigkeit besessen, davon zu reden, dass die Schuldenbremse vielleicht sogar diesen Betrug provoziert hätte. Ich will Ihnen sagen, was an dieser Stelle die Realität ist:
Diese Erklärungen von Ihnen – Staatspraxis, nicht bekannt, wie die Schuldenbremse wirkt – und dann auch noch die Behauptung, dass die Schuldenbremse vielleicht die Grundlage für den Betrug ist, zeigen die ganze Arroganz und Respektlosigkeit Ihres Umgangs mit diesem Urteil.
Es war Ihre Ampelregierung, Herr Bundeskanzler, für die Sie die Verantwortung haben, die sich Vorratsschulden in Milliardenhöhe in den Keller gelegt hat, die nach Belieben über Zeitpunkt und Zweck der Ausgaben dieser Schuldengelder selber entscheiden wollte und die alle Welt Glauben machen wollte, dass sie die Schuldenbremse einhält, obwohl mit dem Nachtragshaushalt jetzt klar ist, dass Sie 45 Milliarden Euro mehr, als die Schuldenbremse zulässt, ausgegeben haben. Und deswegen hat die „Süddeutsche Zeitung“ natürlich recht, wenn sie am Wochenende titelt: „Die Trickser“. Das ist das Prädikat Ihrer Ampel. Und ich sage: Es geht nicht nur um Trickserei, sondern hier ist schlichtweg Betrug an der Schuldenbremse begangen worden.
Jetzt haben wir heute wieder gehört – das ist wie ein Mantra, das ständig wiederholt wird –, dass es der in den Haushalt eingestellt worden ist. Was Sie dabei aber verschweigen, ist erstens, dass bei diesem Fonds nicht Ihre Buchungstricks angewandt wurden, um die Schuldenbremse zu übergehen, und zweitens, dass der Bundesfinanzminister zu diesem Zeitpunkt Olaf Scholz geheißen hat. Und deswegen hat das Verfassungsgericht nicht über eine Staatspraxis entschieden, sondern es hat über das System Olaf Scholz entschieden und es außer Kraft gesetzt.
Sie haben dabei übrigens alle Warnungen außer Acht gelassen, die ja auch in den letzten Tagen wiederholt worden sind. Der persönliche Berater des Finanzministers, Professor Lars Feld, hat es noch mal deutlich gesagt, wörtlich zitiert: „Trotz der Bedenken im Bundesfinanzministerium vor und nach dem Amtsbeginn der neuen Bundesregierung“ kam es zu dieser Entscheidung. – Der Stabilitätsrat hat Sie explizit damals darauf hingewiesen, wörtlich zitiert: „Damit droht, dass das verfassungsrechtliche Ziel der Schuldenbremse faktisch ausgehöhlt wird.“ Warnungen gab es genug. Sie wollten sie ignorieren. Sie wollten sie schlichtweg ignorieren. Und auch das sagt das Urteil: Es ist schlichtweg die Arroganz, die Sie am Schluss dazu gebracht hat, dass Sie die Verfassung gebrochen haben, meine Damen und Herren.
Herr Bundeskanzler, Sie haben heute mit keinem Wort erwähnt, wie unsere europäischen Nachbarn über diese Finanzkrise in Deutschland denken. Die Menschen allerdings haben einen sehr klaren Eindruck davon bekommen, was sich in unserem Land verändert hat. Dass die italienische Ministerpräsidentin bei ihrem Besuch hier in Berlin beim gemeinsamen Auftritt mit dem Bundeskanzler von Journalisten gefragt wird, ob Deutschland in Bezug auf Finanzfragen noch ein verlässlicher Partner ist, das hätten sich die Menschen in unserem Land niemals vorstellen können. Das berührt die Menschen, und das, meine Damen und Herren, zeigt die ganze verzweifelte Situation, in die uns diese Bundesregierung gebracht hat.
In Europa werden aktuell die Verhandlungen über einen gemeinsamen Haushalt geführt. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wird auch neu verhandelt werden. Die Akzeptanz für das Einhalten von Regeln spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle.
Wir haben das in der Vergangenheit schon mal erlebt. Denken Sie zurück an die Eurofinanzkrise und an das, was wir da erlebt haben. Die Finanzstabilität und -solidität Deutschlands hat die gemeinsame Währung zusammengehalten. Deutschland war es, das den Euro am Schluss gerettet hat. Wenn die Haushaltsregeln in Deutschland nicht mehr eingehalten werden, dann wird es schwer, unsere Partner in Europa zur Haushaltsdisziplin zu bewegen. Das heißt, Herr Bundeskanzler, mit Ihrer Politik gefährden Sie die Finanzstabilität in Europa! Das ist die Wahrheit.
Ich hätte heute übrigens erwartet, dass Sie, Herr Bundeskanzler, ein klares Bekenntnis abgeben, dass Sie die Schuldenbremse 2024 einhalten wollen. Ich hätte dieses klare Bekenntnis erwartet, weil es hier ja ein paar andere verstörende Wortmeldungen gegeben hat. Herr Mützenich – ich habe sehr genau aufgepasst –, Sie haben mehrfach die Ukraine in Ihrer Rede erwähnt. Sie haben mehrfach von „unnormalen Zeiten“ gesprochen. Das ist doch nichts anderes, als dass Sie vorbereiten wollen, dass auch 2024 die Schuldenbremse nicht eingehalten wird.
Und ich will Ihnen eines mit auf die Reise geben für Ihre Beratungen: Wir werden auf absehbare Zeit keine normalen Zeiten mehr erleben. Wer das als Ausrede nimmt, der wird nie wieder zu soliden Haushalten zurückkehren, meine Damen und Herren.
Anstatt dass Sie dem Bundestag und der Öffentlichkeit mitteilen, wie Sie die Schuldenbremse 2024 einhalten können, sind weite Teile Ihrer Koalition jeden Tag damit beschäftigt, darüber zu diskutieren, wie man die Schuldenbremse abschaffen kann oder wie man die Schulden-bremse aufweichen kann. Das ist schlichtweg kein Bekenntnis zum Einhalten der Schuldenbremse und der Regeln.
Wir haben sehr genau zugehört, was Herr Habeck auf dem Parteitag der Grünen gesagt hat. Er hat formuliert – ein Zitat –:
„Mit der Schuldenbremse … haben wir uns freiwillig die Hände auf den Rücken gefesselt und ziehen in einen Boxkampf.“
Nur mal zu den Fakten: In diesem Jahr, 2023, ist es unter Einhaltung der Schuldenbremse möglich, legal über 40 Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Im nächsten Jahr ist es unter Einhaltung der Schuldenbremse möglich, legal über 20 Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Sie wollen einfach nicht mit diesem Geld zurechtkommen. Für Sie reicht dieses Geld schlichtweg nicht aus. Und deswegen sage ich Ihnen, Herr Habeck: Die Ampel ist doch kein Boxer, dem man die Hände gefesselt hat. Die Ampel ist ein Schuldensüchtiger, den man bei Beschaffungskriminalität entdeckt und erwischt hat.
Wissen Sie, die Schuldenbremse wurde doch genau deswegen eingeführt, um so eine Politik zu verhindern. Die Schuldenbremse wurde doch genau deswegen ein-geführt, um vorzubeugen, dass Politik ausschließlich auf Kosten der kommenden Generationen gemacht wird. Die Schuldenbremse soll doch schlichtweg verhindern, dass die Ausgaben ins Uferlose wachsen. Sie soll disziplinieren. Das ist doch die Aufgabe der Schuldenbremse.
Deswegen sage ich Ihnen an dieser Stelle auch: Sie können mit uns selbstverständlich darüber reden, wie man solide Haushalte aufstellt. Aber wir reichen keine Hand dafür, unsolides Haushalten dieser Bundesregierung zur Dauerbeschäftigung zu machen. Wir reichen Ihnen die Hand nicht dafür, dass die Abschaffung der Schuldenbremse legalisiert wird. Dafür haben Sie unsere Unterstützung nicht.
Wir waren jetzt auch überrascht, zu hören, dass Sie, Herr Mützenich, den Haushalt 2024 noch in diesem Jahr beraten wollen. Es gab gestern ein Schreiben des Bundesfinanzministers. In diesem Schreiben an alle Kolleginnen und Kollegen hat er darauf hingewiesen, dass er den Haushalt 2024 gemeinsam mit dem Haushalt 2025 beraten will. Das riecht nicht danach, dass das in diesem Jahr noch stattfinden kann. Möglicherweise sind Sie auch hier nicht einig. Möglicherweise sind Sie auch hier nicht in der Lage, eine gemeinsame Linie zu finden.
Ich kann Ihnen an der Stelle nur sagen: Der Bundesfinanzminister hat, als wir das letzte Mal darüber debattierten, hier formuliert – wörtliches Zitat –:
„Bildung … Sicherheit … Wettbewerbsfähigkeit … All das ist möglich bei den bestehenden Einnahmen, ohne Flucht in neue Schulden oder höhere Steuern …“
Herr Bundesfinanzminister, wir nehmen Sie hier beim Wort. Dieses Land hat kein Einnahmeproblem, es hat schlichtweg ein Ausgabeproblem.
Das heißt: Setzen Sie endlich den Sparstift an! Dieses Land braucht schlichtweg kein Heizungsgesetz, das Staat und Bürger Milliarden kostet. Es braucht keine 5 000 neuen Sachbearbeiterstellen, um die Kindergrundsicherung auszubezahlen.
Und es braucht kein Bürgergeld, das die Menschen in die Sozialhilfe treibt und nicht in Arbeit integriert. Das braucht dieses Land nicht.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dass Sie nicht in der Lage waren, ein Wort des Bedauerns und der Entschuldigung gegenüber der Öffentlichkeit und dem Bundestag zum Ausdruck zu bringen, das empfinde ich schlichtweg als nicht angemessen. Ich empfinde es nicht als angemessen. Und ich kann Ihnen sagen: Dieses Land braucht Führung und keine Phrasen.
Zeigen Sie Führung, und beenden Sie endlich dieses Ampeldrama!
Herzlichen Dank.