Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, im Interview mit der Tageszeitung "Die Welt"
Im Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" äußerte sich die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, über Griechenland, die Reform der Erbschaftsteuer und die die Förderung von Alleinerziehenden:
Die Welt: Frau Hasselfeldt, Peter Gauweiler hat letzte Woche seine Ämter aufgegeben. Er war die personifizierte Kritik an der Griechenland-Rettung. Macht es sein Ausscheiden wahrscheinlicher, dass die CSU einem dritten Rettungspaket zustimmt?
Hasselfeldt: Diese Frage stellt sich nicht. Über ein drittes Hilfspaket müssen wir uns derzeit nicht den Kopf zerbrechen. Der Ball liegt ganz klar in Griechenland. Den Griechen wurde eine Verlängerung des bestehenden Programms zugestanden. Doch seit dem Tag der Entscheidung im Bundestag ist von Seiten der griechischen Regierung nichts geschehen. Es ist wertvolle Zeit verspielt worden.
Die Welt: Eine umfassende Reformliste liegt bisher nicht vor. Sie gehen nicht davon aus, dass sie noch kommt?
Hasselfeldt: Ich hoffe es doch sehr. Diese Liste ist die Voraussetzung dafür, dass weitere Hilfe gewährt werden kann. Wenn die Pläne nicht konkretisiert werden, sehe ich da keinen Spielraum. Das, was wir bisher bekommen haben, zeugt nicht von Seriosität und Ernsthaftigkeit. Pläne wurden nur auf Griechisch vorgelegt, nur elektronisch. So geht das nicht. Wenn Vereinbarungen nichts mehr wert sind und Zusagen nicht eingehalten werden, hat Europa ein Problem.
Die Welt: Die CSU hat vor der letzten Abstimmung im Bundestag auch Forderungen an die Griechen gerichtet: Auf Deutsch. Das ist doch auch schlechter Stil.
Hasselfeldt: Das ist doch Quatsch. Die CSU-Landesgruppe verhandelt doch nicht unmittelbar mit der griechischen Regierung. Griechenland verhandelt mit der Eurogruppe und der Troika, die wir beauftragt haben. Deshalb sind die Maßstäbe hier andere.
Die Welt: Alexis Tsipras reist am 8. April nach Moskau. Ist diese Reise eine gute Idee, wenn man gleichzeitig die Europäer von der Aufrichtigkeit der Pläne überzeugen will?
Hasselfeldt: Ich würde mir wünschen, dass der griechische Ministerpräsident zuerst und vorrangig seine Aufgaben zu Hause erledigt. Diese Reise sollte nicht als Werbeveranstaltung für mehr Geld aus Russland genutzt werden. Die griechische Regierung muss sich endlich des Ernsts der Situation in Europa bewusst werden.
Die Welt: Salopp formuliert: wenn Putin zahlt, ist doch Europa entlastet?
Hasselfeldt: Griechenland ist Teil der EU. Und diese muss gegenüber Russland geschlossen auftreten und mit einer Stimme sprechen. Griechenland sollte nicht leichtfertig unsere Solidarität gefährden.
Die Welt: Sie waren gerade in Ungarn. Wäre es nicht besser gewesen, nach Griechenland zu reisen, um sich von der Situation ein Bild zu machen?
Hasselfeldt: Das würde die griechische Regierung doch nur unnötig von der Arbeit abhalten. Wenn wir jetzt alle nach Griechenland reisen würden, könnte das die griechische Regierung dazu verleiten, ihr Heil noch mehr in Worten und nicht in Taten zu suchen.
Die Welt: Hätten sie als Privatperson Probleme oder Sorgen nach Griechenland zu reisen?
Hasselfeldt: Ich hätte da keine Probleme. Aber ich bleib lieber im eigenen Land.
Die Welt: Warum sind sie eigentlich nach Ungarn gereist? Die Politik von Viktor Orban ist hierzulande sehr umstritten. Sie scheinen das anders zu bewerten.
Hasselfeldt: Wir haben seit jeher enge Kontakte zu Ungarn. Wir haben dem Land viel zu verdanken. Der Weg Ungarns zur Demokratie und Marktwirtschaft ist ein guter Weg. Auch die Roma-Politik Ungarns verdient Beachtung. Es werden große Bemühungen unternommen, die Roma in Schulen und Universitäten zu fördern. Aber natürlich muss man unter Partnern auch auf Probleme hinweisen. Das haben wir getan.
Die Welt: Was unterscheidet Viktor Orban von Wladimir Putin? Beide betreiben eine Hinwendung zum Nationalismus, gängeln die Presse.
Hasselfeldt: Die ungarische Regierung steht vor einer Herausforderung, die nicht zu unterschätzen ist. Es gibt eine rechtsradikale Gruppierung, die muss klein gehalten werden. Dass es bei den vergangenen Wahlen gelungen ist, diese Partei in Grenzen zu halten, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst von Viktor Orban. Das darf man bei aller Kritik nicht vergessen.
Die Welt: Da gibt es also eine Seelenverwandtschaft zwischen der CSU und der ungarischen Regierung? Sie halten sich ja auch zugute, bisher keine rechtsradikale Partei groß werden haben zu lassen.
Hasselfeldt: Seelenverwandtschaft nicht, aber wir gehören derselben Parteienfamilie an und somit ist eine gewisse Verbindung durchaus erkennbar. Und im Übrigen: Auch der Regierungschef von Ungarn sieht die Vorteile Europas.
Die Welt: Neben den Weiten der Außenpolitik gibt es noch die Niederungen der Innenpolitik. Die CSU hat nun ihre Maut bekommen. Das war’s dann in dieser Legislaturperiode oder?
Hasselfeldt: Ach, wir haben noch große Aufgaben vor uns in dieser Legislaturperiode und speziell auch in den nächsten Monaten: Die Erbschaftssteuer muss neu geregelt werden, wir brauchen Korrekturen beim Mindestlohn. Und wir setzen uns für die Besserstellung von Alleinerziehenden ein. Außerdem gilt es, Mega-Themen wie die Digitalisierung und die Energiewende zu organisieren.
Die Welt: Bayern hätte gerne eine eigene Erbschaftssteuer erhoben, ist das auch ihre Haltung?
Hasselfeldt: Ich plädiere für eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer. Aber damit steht Bayern derzeit leider alleine. Da die Steuer allein den Bundesländern zusteht, sollte es mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung geben, etwa bei den Freibeträgen. Letztlich geht es aber in erster Linie um eine verfassungsfeste Regelung. Dabei dürfen keine Arbeitsplätze verloren gehen und es muss die von Familienunternehmen geprägte Wirtschaftsstruktur erhalten bleiben.
Die Welt: Was sind ihre Bedingungen?
Hasselfeldt: Wir wollen die Bagatellgrenze, ab der überhaupt eine Erbschaftssteuer fällig wird, auch weiterhin an der Zahl der Arbeitsplätze festmachen und nicht am Unternehmensgewinn. Das Privatvermögen des Erben ist bei der Feststellung der betrieblichen Erbschaftsteuer nicht einzubeziehen. Das wäre sonst eine verkappte Vermögenssteuer, die wir nicht wollen. Wir haben der Bevölkerung versprochen, keine Steuern zu erhöhen und dabei bleibt es. Das Verfassungsgericht hat uns da eine schwierige Aufgabe gestellt.
Die Welt: Der ehemalige Verfassungsrichter Papier hat kritisiert, dass das Gericht derzeit zu häufig Politik mit den Mitteln des Rechts macht. Sehen Sie das ähnlich?
Hasselfeldt: Ich war erstaunt über dieses Urteil und auch über das Kopftuchurteil. Da gehört eine gewisse Großzügigkeit dazu, das zu akzeptieren. Das Gericht versucht relativ stark in die politische Entscheidungsfreiheit einzugreifen. Das sehe ich kritisch. Karlsruhe ist nicht der bessere Gesetzgeber.
Die Welt: Über den Mindestlohn wird nun schon sehr lange gestritten. Muss man ein Gesetz, das in Kraft ist, nicht akzeptieren?
Hasselfeldt: Das tun wir ja. Aber es ist auch Aufgabe der Politik, auf die Konsequenzen von Entscheidungen hinzuweisen und die praktischen Auswirkungen im Auge zu behalten. Davor können wir ja nicht die Augen verschließen. Wir müssen dringend bei den Dokumentationspflichten und den Haftungsfragen nachbessern. Geringfügig Beschäftigte, Familienangehörige, die in Unternehmen beschäftigt sind und Praktikanten sollen nicht jede Arbeitsstunde dokumentieren müssen. Das ist ein ungerechtfertigter bürokratischer Aufwand. Das Ehrenamt ist zudem total verunsichert und braucht klare Vorgaben aus dem Arbeitsministerium. Ferner muss die Einkommensgrenze von 2.958 Euro gesenkt werden, bis zu der in einigen Branchen die Arbeitszeit genau dokumentiert werden muss. Das ist ein irrwitziger, theoretischer Wert, der mit der Praxis nichts zu tun hat. Sinnvoll wäre maximal eine Grenze von 1.900 Euro.
Die Welt: Arbeitsministerin Nahles scheint sich nicht bewegen zu wollen, welches Druckmittel haben Sie?
Hasselfeldt: Ich hoffe sehr auf die Vernunft von Frau Nahles. Und ich hoffe, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sich seiner Verantwortung für die Wirtschaft bewusst ist und entsprechend Einfluss nimmt. Der Wirtschaftsminister kann nicht mit viel Tamtam eine Bürokratiebremse einführen und dann beim Mindestlohn einen Haufen unnötiger Bürokratie schaffen. Das wäre nicht glaubwürdig.
Die Welt: Die Regierung droht allerdings weitere Bürokratie-Konstrukte zu erfinden. Das Entgeltgleichheitsgesetz, das die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sicherstellen soll, droht ein solches zu werden.
Hasselfeldt: Die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern bei gleicher Leistung ist ein wichtiges Anliegen. In erster Linie sind dafür die Tarifpartner in der Verantwortung. Die Gewerkschaften dürfen nicht nur in Berufszweigen kämpfen, in denen mehrheitlich Männer tätig sind, wie bei der Chemie oder im Automobilbau. Pflegeberufe etwa haben keinen anderen, geringeren Stellenwert.
Die Welt: In Schwesigs Zuständigkeit fällt auch die Erhöhung des Kindergelds. Im ersten Jahr soll es zwei Euro im Monat mehr geben, im zweiten vier. Also, da kann man es auch lassen?
Hasselfeldt: Das sehe ich anders. Die Erhöhung des Kindergeldes ist ein politisches Gebot der Gleichbehandlung, weil wir verpflichtet sind, regelmäßig den Kinderfreibetrag anzupassen. Eine Kindergelderhöhung wäre da zwar nicht zwingend, aber ich halte sie für politisch geboten.
Die Welt: Ist es politisch nicht gerade absurd, den Menschen das Signal zu senden, ihr seid uns zwei Euro mehr im Monat wert?
Hasselfeldt: Dieser Eindruck ist falsch. Das Kindergeld ist nur ein Baustein der Familienförderung. Wir fördern beispielsweise seit Jahren mit viel Geld die Kinderbetreuung in den Kommunen. Wir haben das Betreuungsgeld und das Elterngeld eingeführt. Das sind alles Leistungen für Familien. Kinder und Familien sind uns viel wert. Zudem wollen wir in diesem Jahr auch etwas für Alleinerziehende tun. Der steuerliche Freibetrag wurde zehn Jahre lang nicht angepasst. Es ist Zeit, diese Personen zu entlasten.
Die Welt: Daraus wird aber aktuell nichts.
Hasselfeldt: Auch wenn im Gesetzentwurf jetzt nichts enthalten ist, werden wir uns im parlamentarischen Verfahren dafür einsetzen.
Die Welt: Von den ganzen Jungen zu den Alten. Bundespräsident Gauck hat den Umgang der Regierung mit den Potenzialen Älterer kritisiert. Er will das Berufsleben strecken. Beförderungen noch mit 60. Das ist doch eine Ohrfeige für die Politik der Bundesregierung, die gerade die Rente mit 63 eingeführt hat.
Hasselfeldt: Die Rente mit 63 war keine Idee der CSU. Wir haben sie in der Koalition mitgetragen. Was der Bundespräsident, sagt, begrüße ich sehr. Er thematisiert damit eine Frage der Generationengerechtigkeit, ein Thema, das mir auch sehr am Herzen liegt. Das Potenzial der älteren Bevölkerung ist groß. Ich hoffe, dass das zu einem Nachdenken in der Gesellschaft und im Arbeitsleben führt. Wir haben auch deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich um mehr Flexibilität bei der Beschäftigung Älterer bemüht.
Die Welt: Arbeitsgruppen dienen ja oft dazu, Themen vergessen zu machen. Was muss gesetzlich passieren?
Hasselfeldt: Wenn wir es ermöglichen wollen, dass Menschen länger arbeiten können, gilt es, vieles zu prüfen, zum Beispiel die Auswirkungen auf die Sozialversicherung. Das ist nicht trivial. Deshalb haben wir eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema installiert, nicht, um das Thema zu beerdigen.
Die Welt: Sie selbst sind mit über 60 noch mal mit einer neuen Aufgabe betraut worden. Sie waren Vize-Präsidentin des Bundestags und sind dann Landesgruppenchefin geworden. Ein Jungbrunnen? Oder spürten Sie nicht auch, dass die Kräfte Älterer beschränkt sind?
Hasselfeldt: Das waren immense Herausforderungen. Aber das höhere Pensum und die neuen Herausforderungen haben mich nicht belastet. Das hat mich eher vitaler gemacht. Ich bin heute wirklich dankbar für diese Chance.