Im Interview mit Christian Deutschländer, Münchner Merkur
Dr. Peter Ramsauer über die Krise der Koalition und seinen jüngsten heftigen Disput mit Kurt Beck
Münchner Merkur:
Herr Ramsauer, wir hatten Sie uns heute kleinlauter vorgestellt. Hat Sie nicht SPD-Chef Beck diese Woche im Koalitionsausschuss zusammengefaltet?
Dr. Ramsauer:
Mich faltet niemand zusammen. Wenn es danach ginge, wer Recht behalten hat, würde Kurt Beck als verbeulte Dampfwalze dastehen. Er wollte halt mal polternd auftreten.
Münchner Merkur:
Es ging bei dem Zoff darum, ob die Treffen der zankenden Koalitionsspitze Krisengipfel sind.
Dr. Ramsauer:
Es war trotz allem auch eine routinemäßige Sitzung, bei der klar gemacht wurde, dass man mangels Mehrheits-Alternativen weiter gemeinsam an der Lösung der Sachfragen arbeitet.
Münchner Merkur:
Muss sich die Koalition wirklich noch bis 2009 durchschleppen?
Dr. Ramsauer:
Trotz allem Ärger über die SPD - auch bei mir - ist es im Augenblick nicht möglich, eine andere Kanzlermehrheit zu kriegen. Ich halte auch vorzeitige Neuwahlen für ausgeschlossen. Wir müssen in dieser Formation weiterarbeiten. Wir haben ja noch eine Reihe von Vorhaben.
Münchner Merkur:
Ihre Top-3-Themen?
Dr. Ramsauer:
Subjektiv: Die Erbschaftsteuerreform, die Förderalismusreform II und die Umsetzung der Gesundheitsreform...
Münchner Merkur:
...hoppla: Sie sagen "Umsetzung" statt "Nicht-Umsetzung"?
Dr. Ramsauer:
Umsetzung. Ich kann mich nicht aus der Tatsache stehlen, dass die CSU dem Gesetz zugestimmt hat. Wir werden noch einige Stolpersteine in unserem Sinn bewegen. Wir haben dazu politische Hebel in der Hand.
Münchner Merkur:
Hat sich SPD-Gesundheitsministerin Schmidt nun auf Bayern zubewegt?
Dr. Ramsauer:
Muss sie ja.
Münchner Merkur:
Sie dementiert das.
Dr. Ramsauer:
Wir werden sie schon dahin bringen. Ich mache auch in jeder Versammlung klar, wer die Gesundheitsministerin stellt: die SPD. Bei diesem Thema ist es immer mucksmäuschenstill. Die Menschen wissen sehr genau, wie stark sie diese Reform betrifft.
Münchner Merkur:
Die Hausärzte sind sauer und fordern höhere Honorare.
Dr. Ramsauer:
Wir wollen erreichen, dass auch in Bayern niedergelassene Ärzte höhere Honorare bekommen. Da gibt es ja auch die Möglichkeit regionaler Zuschläge. Wir dürfen allerdings nicht nur über eine Berufsgruppe reden. Auch der Pfleger, die Krankenschwester oder der Sanka-Beifahrer tun einen verantwortungsvollen Job und verdienen angemessene Bezahlung.
Münchner Merkur:
Vor allem Geringverdiener werden von hohen Energiepreisen getroffen. Sind niedrige Sozial-Tarife eine gute Idee?
Dr. Ramsauer:
Vorsicht: Sozialtarife wären Planbewirtschaftung. Das hat auch mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun. Man kann doch auch die ersten 100 Liter Milch oder die ersten 1000 Zeitungen nicht billiger verkaufen. Wir brauchen Strategien, wie man auf Dauer von den teuren Öl- und Gaslieferungen unabhängiger wird.
Münchner Merkur:
Irgendwann.
Dr. Ramsauer:
Also, eine tagespolitische Lösung kann ich nicht aus dem Ärmel schütteln. Eine wichtige Antwort von uns ist das Klima- und Energie-Programm, das wir gerade im Bundestag verabschiedet haben und das uns von Energie-Importen Stück für Stück unabhängig macht. Ein Teil unseres Konzepts ist aber auch die Rückkehr zur vollen Pendlerpauschale.
Münchner Merkur:
Gegen die sich Kanzlerin Merkel sträubt.
Dr. Ramsauer:
Wenn ich sehe, wie immer mehr SPD- und CDU-Politiker auf unsere Linie einschwenken, sage ich: Es ist nur eine Frage der Zeit. Das wird kommen. Angela Merkel sagt, es müsse sich in die Haushaltslage einfügen. Diesen Spielraum sehe ich jetzt. Übrigens wird keiner außerhalb der CSU größeres Interesse an einer starken CSU haben als die Kanzlerin.
Münchner Merkur:
Kürzen Sie dann hintenrum die Gesamthöhe der Pauschale?
Dr. Ramsauer:
Ich halte nichts davon, dem einen was zu geben und dem anderen zu nehmen. Ich will keinen Krieg der Betroffenen.
Münchner Merkur:
Merkel ruft das Jahr der Bildung aus. Grünen-Chef Bütikofer verlangt nun, den Soli für die Bildung umzuwidmen.
Dr. Ramsauer:
Interessant, wie man sich am Soli vergreift. Ich habe eine eiserne Grundeinstellung: Der Staat soll Wirtschaft und Bürger weitestgehend in Ruhe lassen. Bütikofer argumentiert umgekehrt: Der Bürger braucht ein Mindestmaß an steuerpolitischer Schikane und muss möglichst abgemolken werden. Ich sage zu solchen Fantasien: Der Soli muss eines Tages enden.
Münchner Merkur:
Vielleicht ist Bütikofer bald ihr Koalitionspartner.
Dr. Ramsauer:
Ich kann’s mir überhaupt nicht vorstellen. Dabei gehört er noch zu den Vernünftigeren. In einer schwarz-grün-gelben Jamaica-Koalition hätten wir nach zwei Monaten die erste Regierungskrise.
Münchner Merkur:
Mit wem koaliert die CSU ab Herbst in Bayern?
Dr. Ramsauer:
Ich bin fest überzeugt, wir holen 50 plus X.
Münchner Merkur:
50 plus X fürs Franken-Niederbayern-Tandem auch in Oberbayern?
Dr. Ramsauer:
Gerade hier. Wir haben jetzt eine andere Stimmung als vor der Kommunalwahl. Die Leute sagen: Hm, die beiden sind anders als Stoiber, aber sie rackern und werkeln und haben für Bayern das Beste im Sinn.