In der Passauer Neuen Presse spricht unser Vorsitzender, Alexander Dobrindt, über den Brexit, Europa und die Zukunft der Großen Koalition. 

Herr Dobrindt, die EU gewährt Großbritannien noch einmal Aufschub beim Brexit. Das Zittern geht weiter. Gelingt am Ende doch noch ein geregelter Ausstieg wie ihn das Abkommen mit der EU vorsieht?

Das kann heute keiner sagen. Das schlimmste Ergebnis wäre jedenfalls ein ungeregelter Brexit. Der Ball liegt jetzt in London.

Oder gibt es am Ende doch noch ein zweites Referendum und den Exit vom Brexit?

Die Brexit-Entscheidung der Briten ist zu akzeptieren – auch wenn wir uns ein anderes Ergebnis vorgestellt hätten. Klar ist: Großbritannien verlässt die EU aber nicht Europa – und ich stehe auf der Seite der jungen Generation in Großbritannien, die mehrheitlich für einen Verbleib in der EU gestimmt hat. Unsere Aufgabe ist es, genau an diese junge Generation die Botschaft zu schicken: Wir wollen euch weiter haben, wir wollen engste Zusammenarbeit, wir wollen die Zukunft mit euch gemeinsam gestalten. Unser Ziel bleibt eine Partnerschaft Doppelplus – so eng wie keine zuvor. Meine Botschaft an die Engländer ist: Unsere Tür steht immer für Euch offen.

Wie groß ist die Gefahr, dass andere EU-Staaten dem britischen Beispiel folgen und die EU verlassen?

Die sehe ich nicht. Und ich halte in diesem Zusammenhang die Häme von manchen Politikern wie dem Fraktionsvorsitzenden der Liberalen im Europaparlament Guy Verhofstadt für vollkommen deplatziert. Der hat den Brexit und seine Konsequenzen sogar als Glück für die EU bezeichnet, weil er andere Länder vom Austritt abhalte. Diese Art der Häme entspricht doch nicht dem europäischen Gedanken. Unsere Aufgabe ist es, für ein Europa zu arbeiten, das zusammengehalten wird von den Vorteilen der Mitgliedschaft und nicht von den Nachteilen eines Austritts. Die Lust auf Europa muss größer sein als die Angst vor dem Austritt. 

Die CSU hat sich lange hinter Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gestellt. Jetzt haben die europäischen Christdemokraten die Mitgliedschaft seiner Fidesz-Partei in der Europäischen Volkspartei suspendiert. Eine Denkpause für Orban oder ein Abschied auf Raten?

Die Gemeinschaft innerhalb der Europäischen Volkspartei ist ein hohes Gut. Deshalb sind große Sensibilität und Disziplin  bei diesem Thema nötig. Die Entscheidung zum Einfrieren und Begleiten der Mitgliedschaft zeigt doch den gemeinsamen Willen aller Beteiligten, zusammen bleiben zu wollen. Ich unterstütze das ausdrücklich. Der feste Wille, die EU als starke Gemeinschaft zu begreifen, erhalten und auszubauen, muss sich auch in der Zusammenarbeit in der Europäischen Volkspartei widerspiegeln.

CDU und CSU legen ein gemeinsames Europa-Wahlprogramm vor. Wie will die Union eine weitere Spaltung verhindern und Europa reformieren?

Wir dürfen die emotionale Seite Europas nicht den Radikalen überlassen. Viele der Befürworter der EU argumentieren rein rational, mit dem freien Warenverkehr oder dem gemeinsamen Wirtschaftsraum. EU-Gegner hingegen argumentieren emotional, mit falsch verstandenem Patriotismus und Ängsten. Ich bin überzeugt: Wir müssen auch als Pro-Europäer stärker versuchen, nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen der Menschen zu gewinnen. Wir haben allen Grund stolz auf Europa zu sein. Wir haben aus einem Kontinent des Krieges einen Kontinent des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands gemacht. Das gilt es jetzt fortzuschreiben. Dazu gehört, dass wir in Europa Innovationsführerschaft übernehmen bei den Zukunftstechnologien der Digitalisierung. Unter den größten Digital-Unternehmen der Welt kommt heute nicht eines aus Europa. Das müssen wir ändern, indem wir beispielsweise deutlich mehr in die Künstliche Intelligenz investieren. Wir brauchen in Europa ein weltweites Vorzeigeprojekt, in dem Forschung und Entwicklung gebündelt werden zum Beispiel eine KI-City Europe.

Kritik von allen Seiten am Haushalt und der mittelfristigen Finanzplanung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Deutschland wird internationale Zusagen für Verteidigungsausgaben und Entwicklungshilfe nicht einhalten. Macht sich die Bundesregierung damit nicht unglaubwürdig?

Die CSU steht zum Zwei-Prozent Ziel der Nato. Wir haben deshalb dafür gesorgt, dass die Verteidigungsausgaben für 2020 noch einmal erhöht worden sind. Dabei geht es um Ausrüstung nicht Aufrüstung.  Wir bleiben dabei, dass auch in den folgenden Jahren die Zwischenziele zum Erreichen der Nato-Quote eingehalten und die Investitionen in die Sicherheit weiter gesteigert werden müssen. 

US-Botschafter Richard Grenell spricht von einem beunruhigenden Signal Deutschlands an seine NATO-Verbündeten. Muss Finanzminister Scholz seine Pläne noch einmal ändern? 

Wir fahren bei den Haushalten auf Sicht. Für 2020 haben wir die Mittel erhöht. Die Folgejahre in der mittelfristigen Finanzplanung sind Planungsmaterial der Bundesregierung. Die machen wir uns als Parlament nicht zu eigen.
 

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