Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig in der Vereinbarten Debatte im Deutschen Bundestag zum 75. Jahrestag Gründung des Staates Israel am 12.5.2023:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Am 14. Mai 1948, gerade mal drei Jahre nach dem Ende des schrecklichen Zweiten Weltkriegs, verlas David Ben-Gurion in Tel Aviv die Unabhängigkeitserklärung Israels. Das war, lieber Herr Botschafter, die Geburtsstunde Ihres wunderbaren Landes. Seither umgibt Israel eine wechselvolle und konfliktreiche Geschichte, die immer unmittelbar mit uns hier verbunden ist. Seit Konrad Adenauer und David Ben-Gurion sich 1960 erstmals zu Gesprächen trafen, ist zwischen Deutschland und Israel ein stabiles Band gewachsen. Die deutsch-israelische Freundschaft ist entstanden – langsam, aber stetig. Und ja, sie ist ein großes Geschenk, vielleicht sogar ein Wunder. Sie bedeutet aber auch eine sehr große Verantwortung.

Sicherheit des Staates Israels gewährleisten

Deutschland muss sich auch künftig seiner Verpflichtung bewusst sein, die Sicherheit des Staates Israels und – es ist heute vielfach angesprochen worden – seiner Grenzen zu gewährleisten. Wir bekennen uns ausdrücklich immer wieder und nach wie vor zum Existenzrecht Israels und sehen darin für uns eine wichtige Aufgabe auch für die Zukunft. Das hindert uns übrigens nicht daran, uns immer wieder kritisch mit den Entwicklungen im Staate Israel auseinanderzusetzen; unser Fraktionsvorsitzender hat es eben getan. Auch das gehört zu einer guten Freundschaft selbstverständlich dazu. Dafür, dass Antisemitismus keinerlei Nährboden in unserer Gesellschaft findet, tragen wir hier ebenso die Verantwortung.

Bayern hat den Jüdinnen und Juden ein Schutzversprechen gegeben, und es wurde gehört. Die Nachricht dieser Woche, dass die Konferenz der Europäischen Rabbiner ihren Sitz von London nach München – ausgerechnet nach München! – verlegt, ist eine große Auszeichnung nicht nur für den Freistaat, sondern, wie ich finde, für die Bundesrepublik Deutschland ganz allgemein.

Die Verbrechen der Shoah niemals vergessen

Aber auch das bedeutet eine große Verantwortung. Die Verbrechen der Shoah dürfen niemals in Vergessenheit geraten, kleingeredet und schon gar nicht geleugnet werden. Wie in keinem anderen Land dieser Welt ist es unsere besondere Aufgabe, die Erinnerung an den Holocaust und an die zahllosen Opfer in unseren Köpfen, aber bitte auch in unseren Herzen wachzuhalten.

Der deutsche Freundeskreis von Yad Vashem, in dessen Kuratorium ich Mitglied sein darf, hat sich vorgenommen, genau das zu tun. Es war für mich deshalb, liebe Frau Präsidentin, ein ganz erhebender Moment – ich denke, für uns beide –, dass der Freundeskreis es geschafft hat, die Ausstellung „Sechzehn Objekte“ in das Herz der Demokratie, in diesen Deutschen Bundestag, zu holen – mit Ihrer Hilfe, Frau Präsidentin. Nochmals vielen Dank dafür! Dani Dayan, Vorstandsvorsitzender von Yad Vashem Jerusalem, hat zur Eröffnung dieser Ausstellung zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben deutschen Boden betreten, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, dieses niemals zu tun.

Allein dieses Erlebnis und auch das persönliche Gespräch mit ihm haben mich zutiefst berührt. Die 16 ausgestellten Gegenstände erzählen einzigartige Geschichten von jüdischen Familien, die einst in Deutschland lebten. Die Objekte kommen aus 16 unterschiedlichen Städten und übrigens auch aus 16 unterschiedlichen Bundesländern. Das Klavier, die Puppe, der Chanukkaleuchter, die wir besichtigen konnten, sind für eine Zeit lang in das Land zurückgekehrt, das ihren ursprünglichen Besitzern so viel Kummer bereitet hat. Das zeigt uns, dass Versöhnung ein leidvoller und steiniger, aber auch ein heilsamer, unerlässlicher, aber unbedingt auch lohnender Prozess ist.

„Niemals wieder“ sagt sich so leicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich weiß, dass es jeder hier – fast jeder – sehr ernst damit meint, dass die Erinnerung wach bleibt. Ich bin katholischen Glaubens, keine Jüdin; aber ich weiß aus eigener familiärer Erfahrung und Geschichte, was es für eine Familie bedeutet, wenn Angehörige von den Nationalsozialisten interniert und in Konzentrationslager gesteckt werden. Es bewegt einen, es beschäftigt einen und es prägt einen über viele Generationen hinweg. Deshalb müssen wir verinnerlichen, dass es gilt, dieses „Niemals wieder“ immer wieder in unsere politische Arbeit miteinzubeziehen.

Null Toleranz für antisemitische Demonstrationen

Für mich ist es ein unerträglicher Zustand, dass antisemitische Demonstrationen wie in jüngster Vergangenheit auf deutschem Boden, insbesondere hier in Berlin, stattfinden können. Wer sich an so etwas beteiligt, ist kein friedlicher Demonstrant, schon gar kein Demokrat. Er ist einfach nur ein Antisemit.

Dem haben wir uns in aller Vehemenz entgegenzustellen.

Deswegen wünsche ich mir solche Debatten wie heute, lieber Herr Botschafter. Ich wünsche mir aber auch, dass an besonderen israelischen Gedenktagen wie zum Beispiel Jom Hashoah immer auch hohe deutsche Vertreter aus diesem Parlament bei unseren Freunden in Israel sind. Lassen Sie uns das zur Institution machen – nicht nur als Zeichen der Erinnerung, sondern auch als starkes Zeichen unserer Verantwortung und ganz besonders als Zeichen unserer Freundschaft zu Israel.

Alles Gute! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
 

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