Angesichts der seit Jahren niedrigen Spenderzahlen soll die gesetzliche Grundlage für Organspenden so bald wie möglich verändert werden. Nach einer allgemeinen Orientierungsdebatte Ende 2018 beriet der Bundestag am Mittwoch, 26. Juni 2019, erstmals über zwei konkurrierende Gesetzentwürfe, die jeweils von Abgeordneten verschiedener Fraktionen unterstützt werden.
Zwei unterschiedliche Gruppenanträge
Eine Gruppe von Abgeordneten um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) strebt mit ihrem Gesetzentwurf eine doppelte Widerspruchslösung bei der Organspende an. Demnach gilt jeder Bürger als möglicher Organ- oder Gewebespender, der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt hat. Wenn zugleich auch den nächsten Angehörigen kein entgegenstehender Wille bekannt ist, gilt die Organentnahme als zulässig. Mit der Einführung der doppelten Widerspruchslösung soll ein Register erstellt werden, in dem Bürger ihre Erklärung eintragen lassen können. Eine zweite Gruppe von Abgeordneten um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock strebt mit ihrem Gesetzentwurf eine Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende an. So soll Bürgern über ein Online-Register die Möglichkeit gegeben werden, ihre Entscheidung einfach zu dokumentieren, jederzeit zu ändern und zu widerrufen. Die Abgabe einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende soll künftig auch in den Ausweisstellen möglich sein. Ferner ist vorgesehen, dass die Hausärzte ihre Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespenden beraten und sie zur Eintragung in das Register ermutigen sollen.
Emotionale Debatte im Bundestag
In der teilweise sehr emotionalen Aussprache kamen 24 Redner für jeweils fünf Minuten zu Wort. Georg Nüßlein (CSU) warb dabei für eine Entscheidung im Sinne der vielen schwer kranken Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Es gehe jetzt darum, einen großen Schritt zu tun, dies werde von den Betroffenen auch erwartet. Nüßlein argumentierte, die meisten Menschen würden ein gespendetes Organ annehmen. Dann sollte die Mehrheit der Menschen auch bereit sein, ein Organ zu spenden. Es gebe im Übrigen „nichts Christlicheres, als im Tode einem anderen das Leben zu retten“. Stephan Pilsinger (CSU) verwies jedoch, darauf, dass die Doppelte Widerspruchslösung von Teilen der Bevölkerung als Zwang wahrgenommen werden könnte. Diese senke somit das Vertrauen in die Organspende. Pilsinger: „Ich bin überzeugt: Das ist der falsche Weg zur Steigerung der Organspendezahlen.“ Gemeinsam ist beiden Gruppen, das wurde in der Debatte von allen Seiten immer wieder betont, der Wille zur Erhöhung der Zahl der Organspenden. Denn aktuell besteht in Deutschland ein eklatanter Mangel. 2018 wurden bundesweit nach einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr bei 955 Hirntoten Organe entnommen; das waren 11,5 Organspender pro einer Million Einwohner. In vielen Ländern der EU ist diese Zahl um ein Vielfaches höher.