Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke zur Bundesagentur für Arbeit, 9.11.2023:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 

Die Debatte zeigt ja: Die Ampel spart auf dem Rücken der Arbeitslosen.

Die Vermittlung aus einer Hand und die Betreuung werden zerschlagen. Damit wird der Rückkehrprozess aus Arbeitslosigkeit in Arbeit verschlechtert. Sie belasten ohne Grund die Unternehmen und die Arbeitnehmer durch einen Verschiebebahnhof und wälzen die Kosten auf die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung ab.
Das ist Ihre Politik, die in jeglicher Art und Weise in die Irre führt. Das ist grob fahrlässig.

In Krisenzeiten brauchen wir eine gut gefüllte Krisenrücklage, gerade bei der Bundesarbeitsagentur. Was Sie tun, führt zu einer Belastung der Arbeitslosenversicherung, und zwar durch den Verschiebebahnhof, den Sie initiieren. Damit entstehen weniger Rücklagen; die aber wären notwendig, um hier in gesicherten Bahnen weiter handeln zu können. Dabei folgt Ihr Handeln in dieser linksliberalen Koalition ja einem durchgängigen Muster.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Lieber Herr Kollege Stracke, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?

Stephan Stracke (CDU/CSU):
Ja, herzlich gerne.

Dr. Martin Rosemann (SPD):
Lieber Herr Kollege Stracke, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben ja eben ganz vehement erklärt, dass die Bundesagentur für Arbeit eine gut gefüllte Krisenrücklage braucht. Ich erinnere mich daran, dass wir acht Jahre, von 2013 bis 2021, miteinander regiert haben, übrigens nach einer Phase, in der die Bundesagentur für Arbeit schon einmal Großartiges geleistet hatte in Sachen „Kurzarbeit in der Krise“. Ich erinnere mich auch daran, welche Diskussionen wir in der Zeit über den Beitrags-satz geführt haben. Jetzt frage ich Sie: Warum haben Sie uns eigentlich in der gemeinsamen Regierungszeit dazu gedrängt, den Beitragssatz zu senken, wenn Sie uns doch jetzt erzählen, die BA bräuchte eine Krisenrücklage?

Eine zweite Frage kann ich Ihnen nicht ersparen, nachdem Sie jetzt schon der zweite oder dritte Redner aus der Union sind, der sich hierhinstellt und erzählt, wir würden bei den Jobcentern sparen. Ich weise nur mal darauf hin, dass der Haushalt noch nicht beschlossen ist. Wir sind hier auch nicht in der Haushaltsdebatte, sondern haben noch ein bisschen Zeit. Mich würde aber mal ganz konkret interessieren, nachdem Sie ja für sich in Anspruch nehmen, seriöse Oppositionspolitik zu machen: Wie wollen Sie das denn finanzieren? Was ist Ihr konkreter Finanzierungsvorschlag? Wie wollen Sie die Zeche bezahlen, wie Herr Teutrine es eben bezeichnet hat?

Wie bezahlen Sie die Rechnung? Sagen Sie das doch mal ganz konkret, Herr Stracke!

Stephan Stracke (CDU/CSU):
Lieber Herr Kollege, ich glaube, es war gut, dass es uns durch eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gelungen ist, eine so hohe Rücklage in der BA aufzubauen. Die hat uns sehr gut durch die Krise gebracht, gerade durch die Coronakrise.

Erinnern Sie sich einmal daran, wie stark wir die Möglichkeit der Kurzarbeit in Anspruch nehmen mussten zum Erhalt einer guten Arbeitsfähigkeit unserer Unternehmen.
Es ist doch Ihre Politik, die letztendlich dazu beigetragen hat, dass der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Prozentpunkte gestiegen ist. Ihre Politik ist es, durch die die Beitragssätze in diesem Bereich hochgehen. Das IAB sagt uns, dass wir mindestens 25 Milliarden Euro an Rücklagen brauchen, damit wir gut gewappnet sind für eventuelle wirtschaftliche Krisen.

Wir befinden uns ja in einem großen Krisenumfeld. Gleichzeitig haben wir keine gute wirtschaftliche Situation. Sie sollten beispielsweise daran arbeiten, dass die Wirtschaftslage besser wird. Das tun Sie nicht.

Die Chefin der BA, die ehemalige Bundesarbeitsministerin, hat darauf hingewiesen, dass wir im Jahr 2023 in der BA eine Rücklage von 2 bis 3 Milliarden Euro haben werden. Notwendig sind 25 Milliarden Euro. Da sehen Sie den Unterschied in diesem Bereich.

Und jetzt kommt Ihr Trick. Indem Sie sagen, die BA solle zusätzliche Lasten in Höhe von 900 Millionen Euro übernehmen, gelingt der Aufbau einer Krisenrücklage immer schlechter. Das ist Ihre Politik, Herr Rosemann. Das ist die Politik von Linksliberal.

Wir legen hier den Finger in die Wunde, weil Sie in diesem Bereich tatsächlich falsch handeln.

Das durchgängige Handlungsmuster bei Ihnen ist: Steuermittel runter und Beitragssätze nach oben. Beitragssätze nach oben, das ist natürlich gerade in Zeiten von Inflation und wirtschaftlichem Abschwung unverantwortlich und schadet vor allem den Geringverdienern in diesem Lande. Was Sie tun, ist auch ordnungspolitisch komplett falsch. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist, wird jetzt in die Arbeitslosenversicherung verschoben. Ich habe kein Problem damit, dass linke Regierungsfraktionen wie SPD und Grüne das nicht zum Thema machen und auch nicht darüber diskutieren. Aber Ordnungspolitik war früher der Markenkern der FDP.

Da hatten Sie noch wirtschaftlichen Sachverstand. In dieser linksliberalen Koalition winken Sie linke Politik einfach durch, nicken Sie ab. Das ist Ihre Ordnungspolitik in diesem Bereich.

Sie sollten sich mal wieder an Ihren Markenkern erinnern; dann wird es auch wieder besser mit den Umfragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was hier als Verschiebebahnhof daherkommt, ist auch fachlich komplett falsch.

Es schafft nämlich Nachteile für die Arbeitslosen, weil sie hin- und hergeschickt werden zwischen Jobcenter und Arbeitsagentur.

Es ist letztendlich auch ein Auseinanderreißen des Integrationsprozesses. Diese enge und durchgängige Betreuung, die wir als richtig und wichtig empfinden, ist in Zukunft nicht mehr gegeben. Sie schaden damit der Vermittlung in Arbeit. Aus dem Jobturbo wird in Wahrheit eine Fehlzündung nach der anderen.
Das Einzige, was bei Ihnen wächst, Frau Müller- Gemmeke, ist die Bürokratie.

Vorher war eine Stelle für den Arbeitslosen zuständig. Jetzt sind es zwei Stellen. Bei der Kindergrundsicherung machen Sie das Gleiche.
Statt einer ganzheitlichen Betreuung aus einer Hand sind jetzt mindestens drei Stellen zuständig.

So schaut bei Ihnen Arbeit aus. Das ist das Gegenteil von Hilfe aus einer Hand, von bürgernaher Dienstleistung, Bürokratieabbau und wirtschaftlichem Umgang mit staatlichen Ressourcen. So schaut Ihre linksliberale Politik in diesen Bereichen aus.

Das führt dazu, dass das Bürgergeldsystem schlechter, teurer und ineffizienter wird – dank Ihrer Politik.

Es ist eigentlich schon fast tragisch, wenn man daran erinnert: Das Kernstück Ihrer Bürgergeldreform ist das Versprechen, eine intensivere Betreuung und bessere Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu garantieren.

Das Herzstück Ihrer Bürgergeldreform ist die Weiterbildung und Qualifizierung. Und genau dieses Herzstück reißen Sie jetzt bei den Jobcentern raus und geben es rüber an die Bundesarbeitsagentur. Das ist wirklich ein Stück aus dem Tollhaus, das Sie hier vollziehen.

Ihr Verbesserungsversprechen brechen Sie noch an einer anderen Stelle. Sie schlagen den Jobcentern die Werkzeuge aus der Hand, die sie zur Aufgabenerfüllung brauchen, weil Sie sie nicht mit den notwendigen Mitteln ausstatten. Sie wollen den Haushaltsansatz im Bereich der Jobcenter um 700 Millionen Euro kürzen. Das ist Ihr Vorschlag, den Sie vonseiten der Regierung alle mitgetragen haben.

Es bräuchte statt einer Kürzung ein deutlich höheres Budget für die Jobcenter, weil sie mehr Aufgaben haben.

Ich darf daran erinnern, dass es Ihre Koalition war, die den Geflüchteten hier sofort den Zugang in den Arbeitsmarkt eröffnet hat, weswegen auch die Arbeitslosenversicherung für sie zuständig ist. Das sind 700.000 mehr, die Arbeit bedeuten. Deswegen: Sie brauchen hier mehr Mittel statt weniger. 

Wir sagen Nein zu diesen Haushaltstricks, die Sie vornehmen, und auch Nein zu dem, was Sie an Haushaltstricksereien zulasten der Arbeitslosen in diesem Land tun.
 

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