Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag / Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 1.2.2024:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ihre Rede, Herr Minister, ist ein Offenbarungseid, ein Offenbarungseid in mehrerlei Hinsicht.
Zum einen sind Sie nichts anderes als ein Ankündigungsminister.
Zum wievielten Male müssen wir jetzt wiederholt in diesem Hause erfahren, dass Sie ein Rentenpaket vorlegen wollen? Sie wollten es doch 2022 bereits tun. Eine Tariftreueregelung haben Sie im Mai letzten Jahres angekündigt. Sie ist immer noch nicht da. Sie sind nur noch ein Ankündigungsminister, kein Arbeitsminister an dieser Stelle.
Und notwendige Reformen, beispielsweise bei der Arbeitszeit, stoßen Sie überhaupt nicht an. Da kommt gar nichts mehr von Ihrer Seite. Der Entwurf zur Arbeitszeiterfassung beispielsweise hat nicht einmal das Licht des Kabinetts erreicht. Oder die notwendige Flexibilisierung bei der Arbeitszeit, die wir endlich mal angehen müssen: Da ist eine komplette Leerstelle, obwohl Sie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass Sie diese Flexibilität 2022 herstellen wollten. Nichts davon ist tatsächlich Realität geworden.
Herr Minister, ziehen Sie Ihre Schlafmütze ab und legen Sie endlich den Arbeitshelm an!
Kommen Sie endlich ins Machen, ins Tun, und setzen Sie politisch die richtigen Prioritäten in diesem Land!
Zum anderen ist Ihre Rede auch noch ein Offenbarungseid, was die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik an-geht. Sie kennen doch alle den Brandbrief vom 30. Januar der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutschen Industrie- und Handelskammer, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Sie alle drängt die Sorge um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Sie fordern jetzt Maßnahmen für einen wirtschaftlichen Aufbruch unseres Landes. Und auch unsere Gewerkschaften eint die Sorge um die Deindustrialisierung unseres Landes. Herr Minister, zu all dem sagen Sie kein Wort.
Vier der von den Arbeitgeberverbänden angesprochenen zehn Punkte betreffen Ihre Zuständigkeit: Fachkräftesicherung, Sozialversicherung, die Frage der Zukunftsfähigkeit der Renten, Lieferkettengesetz. Zu nichts davon sagen Sie etwas, aber auch gar nichts sagen Sie hier zu diesem Thema.
Ich glaube, Sie haben immer noch nicht kapiert, Herr Minister, dass eine starke Wirtschaft das Fundament eines verlässlichen Sozialstaates ist. Und dieses Fundament droht wegzubrechen – durch eine falsche Politik dieser Bundesregierung. Sie gefährden damit auch die soziale Ordnung in diesem Lande, weil Sie keine Antworten mehr auf die Fragen finden, wie Sie denn unser Land wieder fit- und starkmachen wollen.
SPD und die Grünen setzen auf immer neue Schulden und auf immer höhere Steuern und Abgaben, und die FDP ist diejenige, die sagt: Wenn man das tut, würgen wir die Wirtschaft in diesem Lande immer noch mehr ab. – Das zeigt doch: Sie haben in dieser Regierung den Kompass komplett verloren.
Es geht doch darum: Arbeit, Leistung und Fleiß in diesem Land müssen sich wieder lohnen.
Es muss doch darum gehen, Menschen in Arbeit zu vermitteln und nicht in Arbeitslosigkeit zu verwalten, Herr Minister! – Ja, allein Ihre Handbewegung soeben zeigt die Respektlosigkeit, die Sie auch gegenüber den Arbeitslosen an den Tag legen.
Setzen Sie jetzt die richtigen Prioritäten, Herr Minister, und handeln Sie an dieser Stelle!
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Stracke, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?
Stephan Stracke (CDU/CSU):
Selbstverständlich. – Bitte schön.
Stephanie Aeffner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Stracke, wenn Sie sagen, es muss darum gehen, Menschen in Arbeit zu vermitteln und das endlich zu ermöglichen, dann stelle ich Ihnen die Frage, warum Sie an so vielen Stellen genau das verhindern wollen.
Sie regen sich beim Bürgergeld über den Wegfall des Vermittlungsvorrangs auf. Da geht es darum, dass Menschen Ausbildungen und Qualifizierungen, die sie begonnen haben, zu Ende führen können, damit sie dann tatsächlich langfristig eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt haben. Das ist der gravierende Unterschied beim Bürgergeld. Dazu sagen Sie, die Menschen müssten jetzt ja gar nicht mehr arbeiten.
Warum regen Sie sich über das Thema Fachkräfteeinwanderung auf? Warum regen Sie sich darüber auf, dass wir darüber diskutieren, Arbeitsverbote abzuschaffen? An vielen Stellen sind wir dort ja auch schon Schritte vorangekommen.
Also: Solche Aussagen würden erfordern, dass Sie dann auch mit Ihren Beiträgen dazu stehen, dass wir tatsächlich dafür sorgen wollen, dass alle Menschen in diesem Land Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.
Stephan Stracke (CDU/CSU):
Werte Frau Kollegin, vielen herzlichen Dank für diese Zwischenfrage. Das eröffnet mir die Gelegenheit, auf das Bürgergeld etwas näher einzugehen. Denn tatsächlich ist es ja so, dass mit Einführung dieses Bürgergeldes und auch schon davor die Übergänge aus Arbeitslosigkeit in Arbeit deutlich gesunken sind.
Das hat nicht nur mit der derzeitigen wirtschaftlichen Schwäche dieses Landes zu tun, die vor allem durch die Politik dieser Bundesregierung verursacht wurde, sondern es hat vor allem damit zu tun, dass Sie systematisch Arbeitsanreize geschwächt haben und die Attraktivität des Bürgergeldes an dieser Stelle erhöht haben.
Bestes Beispiel dafür ist das Sanktionsmoratorium. Das Sanktionsmoratorium hat dazu geführt, dass überhaupt keine Sanktionen mehr durchgeführt werden konnten.
Die Forschungsergebnisse des IAB zeigen uns ganz deutlich – Sie sollten mal nachlesen, was der Herr Weber Ihnen da sagt –, dass das einen deutlichen Effekt auf den Übergang von Arbeitslosigkeit in Arbeit hatte.
Das heißt, Ihre Politik schadet den Arbeitslosen an der Stelle, statt ihnen zu nutzen.
Deswegen haben wir es an der Stelle schon immer als einen schweren Fehler angesehen, ein solches Sanktionsmoratorium zu machen. Aber die FDP hat ja auch dem zugestimmt, weil sie auch hier ihren wirtschaftspolitischen Sachverstand gänzlich verloren hat.
Auch beim Bürgergeld müssen Sie im Übrigen sehen: Der Lohnabstand muss an der Stelle wieder passen. Deswegen verändern wir dieses Bürgergeld, wenn wir die Chance dazu haben.
Wir setzen es komplett neu auf und richten es an dem Prinzip „Fördern und Fordern“ aus, weil es notwendig ist, an dieser Stelle dies zu tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ihren Reden von der Ampel, auch in denen des Ministers, ist immer viel die Rede von Leistungsgerechtigkeit und Respekt.
Wenn man sich dann das tatsächliche Tun anschaut, stellt man fest: Während die Kosten des steuerfinanzierten Bürgergeldes durch die Decke gehen, erhöhen Sie auf der anderen Seite die Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge um über 20 Milliarden Euro.
Sie belasten damit die arbeitende Mitte in unserer Gesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger, die Landwirte, den Mittelstand.
Sie sind es, die die Zeche für Ihre verfassungswidrige Haushaltspolitik zahlen dürfen. Ich sage: Das ist nicht leistungsgerecht. Das ist leistungsfeindlich. Sie sind eine Koalition der Leistungsfeindlichkeit!
Schauen wir uns ein zweites Beispiel zum Thema Respekt an: Sie sanieren sich zulasten der Beitragszahler. Sie verschieben Leistungen in die Arbeitslosenversicherung. Dies wollen Sie im nächsten Jahr tun. Ab 2025 soll nämlich der Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung die Qualifizierung der Arbeitslosen zahlen, was bislang aus Steuermitteln passiert ist. Das ist nichts anderes als eine Verschiebung von Geldern in der Gesamtrechnung an die Beitragszahler! Und damit sanieren Sie letztendlich Ihren Haushalt. Das Gleiche sehen wir bei der Rentenversicherung. 4,8 Milliarden Euro ziehen Sie jetzt an dieser Stelle von den Zuschüssen ab. Auch das ist respektlos gegenüber den Beitragszahlern, weil sie dann nämlich mit höheren Beiträgen ausgleichen müssen, was Sie tun.
Wir wollen, dass sich Arbeit wieder lohnt.
Wir wollen, dass Betroffene wieder schneller aus der Arbeitslosigkeit hinauskommen. Die Bilanz dieses Ministers ist: Langzeitarbeitslosigkeit hat sich verfestigt. Der Weg in Arbeit lohnt sich für die Menschen immer weniger.
Wir wollen, dass Menschen in Arbeit kommen. Sie wollen Menschen vor allem in Arbeitslosigkeit qualifizieren. Ich sage Ihnen: Da haben wir eine grundsätzlich andere Haltung.
Wir wollen die Menschen in Arbeit bringen und sie dann qualifizieren, an der Stelle mehr parallel machen. Das ist besser, nachhaltiger und mit höheren Erfolgen verbunden. Das ist der Unterschied! Das macht christlich-soziale, christlich-demokratische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aus.
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