Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Jonas Geissler in der Bundestagsdebatte zur Barrierefreiheit im ÖPNV und SPNV am 15.6.2023:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin mit Menschen mit Behinderungen aufgewachsen. Meine Mutter ist Krankengymnastin. Seit ich ein kleines Kind war, bin ich immer wieder mit den Kindern, die sie behandelt hat, konfrontiert gewesen. Das war gut, weil ich dadurch einerseits ein Gespür für Barrieren im Alltag bekommen habe und andererseits im Gegensatz zu vielen anderen Menschen überhaupt keine Berührungsängste habe, wenn es um Menschen mit Behinderungen geht.
Sätze wie: „Warum braucht es denn Geld für Barrierefreiheit?“ oder „Muss das wirklich sein?“, die man immer wieder hört, stoßen bei mir auf völliges Unverständnis.
Ich habe vor ungefähr zwei Wochen ein Video auf Youtube gesehen. Es ist von der „Aktion Mensch“. Der bekannte Rapper Eko Fresh tauscht sich darin mit einem anderen Rapper, Rolling G, der im Rollstuhl sitzt, über seinen Alltag aus. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus diesem Lied: – Nein, singen werde ich nicht.
Komm, ich nehm dich auf ’ne kleine Reise mit! Stell dir vor, du denkst, du bist ein freier Mensch. Von Geburt an körperlich eingeschränkt … Willst im Café sitzen, denkst, ich tank da Kraft. Kommst nicht rein, weil der Laden keine Rampe hat! Denkst dir … ich kann … da hinfahr’n, Kommst wegen dem Stuhl aber nicht in die
– Verzeihung! –
scheiß Straßenbahn! Am Hauptbahnhof, wo es einen Ausstieg gibt, funktioniert der gottverdammte Aufzug nicht! Siehst du jetzt, dass ich es nicht einfach hab? Deutschland 23 … Ich habe keine Kraft!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns alle eint das Ziel, dass wir Mobilität flexibel, aber vor allen Dingen für alle barrierefrei anbieten wollen. Genau dieses Ziel verfolgen wir mit dem Antrag, den wir heute eingebracht haben. Wir greifen darin Forderungen auf, die seit Langem formuliert sind; aber wir haben uns auch Gedanken darüber gemacht, wie das Thema Barrierefreiheit ohne großen Mitteleinsatz umgesetzt werden könnte.
Wir haben zum Beispiel die Idee ins Auge gefasst, dass man durchaus an die Präsenzzeiten des Servicepersonals herangehen kann. Allein schon über Schulungen – dass Menschen, die im ÖPNV und im SPNV arbeiten, erfahren, wie sie mit Menschen mit Behinderungen umgehen sollen – kann man sehr viel erreichen. Sie alle können nachlesen, was für gute Forderungen wir vorbringen. Bitte sehen Sie diesen Antrag heute als den Beginn einer Debatte, in der es am Ende um neue Wege geht, die wir gemeinsam gehen.
Vielen Dank.