Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 12.09.2024.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Ich fand es beeindruckend, Frau Ministerin, dass Sie sich bei den Großartigkeiten, die Sie zu verkünden haben, ganz genau an Ihr Manuskript gehalten haben, weil Sie wahrscheinlich – das ist so eine Art Text-Bild-Schere – gar nicht glauben konnten, was Sie gelesen haben. Denn in der Welt, in der Sie anscheinend leben, herrscht wohl eine komplett verzerrte Wahrnehmung der Welt, in der Familien in Deutschland leben.

Es hat ja gestern schon in der Generalaussprache angefangen, als der Bundeskanzler uns auch erklärt hat – wenn man es zwischendurch mitbekommen hat –, wie gut es jetzt beim Ausbau der Kitas läuft. Auf meinen Zwischenruf hin hat er es noch mal bestätigt, dass Sie da mit ganz großen Schritten vorangehen.

Doch die Wahrheit in Deutschland ist doch eine ganz andere. Ich weiß nicht, wer von Ihnen überhaupt in letzter Zeit in Einrichtungen war, in Kindergärten war, in Kitas war. Da läuft es überhaupt nicht gut, und die fühlen sich komplett verhöhnt, wenn der Bundeskanzler und die Bundesfamilienministerin sich dann hinstellen und sagen, dass es super läuft.

Ich wusste ganz genau, dass der Zwischenruf mit den Ländern kommt; der war in meiner Rede schon eingepreist. Wann hat denn diese Bundesfamilienministerin den letzten Bund-Länder-Gipfel einberufen?

Wann hat sie sich denn überhaupt mal die Mühe gemacht, auch mit denjenigen vor Ort zu sprechen, die im täglichen Nahkampf sind? Wenn uns Kinder wirklich wichtig sind, wenn uns Jugendliche wichtig sind, wenn uns die Familien wichtig sind, Sie sich, Frau Ministerin, jetzt aber gerade hierhinstellen und sagen, wie wichtig der Spracherwerb ist, nachdem Sie die Mittel für die Sprach-Kitas komplett rausgenommen haben, dann ist das doch wirklich eine absolute Verhöhnung, und ich kann es null Komma null nachvollziehen.

Sie sind jetzt seit 870 Tagen im Amt. 870 Tage, sechs Gesetze – da muss ich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vielen Dank sagen, dass Sie es in diesem Land nicht noch schlimmer gemacht haben. Nur sechs Gesetze sind wirklich eine freudige Bilanz für uns; denn es hätte ja alles noch viel schlechter laufen können.

Sie sind auch eine Ministerin – weil Sie sich gerade beim ganzen Kabinett bedankt haben, dass Sie da alle gut zusammenarbeiten –, die sehenden Auges den Familien das Leben erschwert, weil Sie mitmachen, wenn Entscheidungen gegen die Gesundheit der Kinder getroffen werden – beispielsweise als Cannabis legalisiert wurde –, und Sie nichts dagegen tun, dass solche Zustände in unserem Land herrschen.

Sie sind ja nicht nur für Familien zuständig. Sie sind auch für Frauen zuständig, Sie sind auch für Senioren und Jugendliche zuständig. Bei Jugendlichen gilt genau das Gleiche, was Drogenpolitik betrifft.

Aber um noch mal zum Thema Gesundheit zu kommen: Nachdem Sie sich schon nicht für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen interessieren, warum interessieren Sie sich ebenfalls nicht für die Gesundheit von Frauen? Wo ist denn da Ihr Aktionsplan? Wo sind Sie denn mal unterwegs und setzen sich mal mit dem Kollegen Lauterbach zusammen und kümmern sich um Endometriose, kümmern sich um Frauen in der Menopause, kümmern sich um Frauen mit Lipödemen, kümmern sich beispielsweise darum, dass Frauen, wie es in anderen Ländern üblich ist, bei Menstruationsbeschwerden andere Möglichkeiten bekommen, am Arbeitsmarkt teilzuhaben? Nichts hören wir da von Ihnen, gar nichts. Und wenn zum Beispiel beim Thema Endometriose nicht auf Druck der Union ein paar Gelder eingestellt worden wären, hätten wir auch bei Frauenkrankheiten bis heute keine Lösungen in diesem Land. Auch da hören wir nichts von Ihnen.

Wenn Sie sich schon nicht um Frauengesundheit kümmern, dann sollten Sie sich vielleicht als grüne Ministerin wenigstens mal um die Frauen kümmern, die in Deutschland nicht gesehen werden. Da würde ich Sie jetzt einfach mal einladen: Am 23. September findet auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine große öffentliche Anhörung zum Thema Prostitution, zum Thema „nordisches Modell“ statt. Auch da verweisen Sie immer wieder auf irgendwelche Gutachten, die nächstes Jahr rauskommen, stellen sich auch da nicht an die Spitze der Bewegung und legen auch da eine komplette Realitätsverweigerung an den Tag, die ich überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann. Noch mal: Sie sind 870 Tage im Amt, und keine einzige Frau, mit der ich spreche, weiß überhaupt, wer die Bundesfrauenministerin ist, hat geschweige denn jemals von etwas gehört, was Sie für Frauen gemacht haben. Und das finde ich schon skandalös an der Stelle.

Kommen wir zum Thema Senioren. Wir haben als CDU/CSU in den letzten Wahlperioden mit Koalitionspartnern beispielsweise unsere Einsamkeitsstrategie vorgelegt. Sie haben ein bisschen davon übernommen, haben sie aber auch nicht mit Leben gefüllt. Wo ist denn da Ihr Engagement? Wo kümmern Sie sich denn beispielsweise um die damals von Ursula von der Leyen ins Leben gerufenen knapp 500 Mehrgenerationenhäuser in unserem Land? Ich bin in meinem Wahlkreis von drei Mehrgenerationenhäusern die Patin. Und da sind die Leitungen übrigens keine CSUler. Da ist auch eine SPD-Leitung, die sagt: Hoffentlich übernimmt jetzt die Union bald mal wieder dieses Haus, weil wir von den Grünen und der SPD an dieser Stelle überhaupt nichts hören.

Auch da müssen wir ganz ehrlich sagen: Gehen Sie doch einfach mal raus ins Land und schauen sich um, und stellen Sie sich nicht hierhin und sagen, was alles ganz großartig läuft.

Deswegen sage ich Ihnen heute auch noch mal an dieser Stelle: Außer vielen Ankündigungen nichts gewesen. Beim Thema Kindergrundsicherung muss ich ja lachen, wenn Sie sich jetzt nach drei Jahren hierhinstellen und sagen: Das läuft jetzt alles super im parlamentarischen Verfahren. – Drei Jahre! Sie haben jedes einzelne Projekt, das wir von Ihnen wollten, jetzt drei Jahre damit abgetan: Das wird alles durch die Kindergrundsicherung gelöst. – Sie hätten natürlich schon viel erreicht, weil 5 000 neue Stellen natürlich großartig sind und der Bürokratie wahnsinnig helfen. Und Sie hätten wirklich nicht nur dem Bund und den Ländern, sondern auch den Kommunen, die sich an uns wenden, überhaupt keinen Gefallen getan, wenn es denn durchgesetzt worden wäre. Deswegen: Lassen Sie es noch ein bisschen im parlamentarischen Verfahren! Ich sage Ihnen jetzt schon: Es wird nie kommen, auch nicht so, wie Sie es sich vorgestellt haben. Es kann ja sein, dass dann vielleicht mal eine Maus auf die Welt kommt. Aber es wird auf jeden Fall nicht so funktionieren, und das war uns als Union schon von Anfang an klar.

Deswegen abschließend: 870 Tage im Amt – 870 Tage nichts erreicht. Es sind 870 ungute Tage für die Familien in Deutschland, für die Kinder, für die Jugendlichen, für die Frauen und für die Senioren. Man kann nur sagen: Die Bilanz ist katastrophal.

Ich wünsche nicht nur mir, sondern dem ganzen Land endlich eine Familienpolitik, die den Namen auch verdient.

Ganz herzlichen Dank.
 

Druckversion
Außerdem wichtig